Femme fatale - Harpyie und Medusa. Die beiden Mischwesen aus der griechischen Mythologie waren im Jugendstil populäre Verkörperungen der männerbedrohenden Femme fatale: gefährlich, dämonisiert und häufig erotisch aufgeladen. "Tondo mit Medusenhaupt" (Tondo with head of Medusa) Karl Kornhas, Karlsruhe, 1900, Steinzeug, Badisches Landesmuseum, Karlsruhe © Badisches Landesmuseum, Foto: Peter Gaul
Wir laden Sie auf dieser Seite ein, digital durch unsere Sonderausstellung Göttinnen des Jugendstils (18.12.2021–11.9.2022) zu wandeln. Lassen Sie Ihren Ausstellungsbesuch Revue passieren oder erleben Sie die Ausstellung durch Bilder, Führungsvideos und besondere Quiz-Tools ganz neu.
Die Ausstellung zeichnete die faszinierende und facettenreiche Welt des Jugendstils mit all ihren Ambivalenzen nach und ließ zudem erkennen, dass grundlegende Fragen bis heute nicht an Brisanz verloren haben. Die etwa 200 Objekte aus bedeutenden Sammlungen in Belgien, den Niederlanden und Deutschland luden gleichermaßen zum Genießen und zum Nachdenken ein. Die Sonderausstellung des Badischen Landesmuseums entstand in Kooperation mit dem Allard Pierson in Amsterdam und dem Braunschweigischen Landesmuseum.
Um 1900 erobert der Jugendstil Europa – mit anmutigen Ornamenten und zarten floralen Motiven, vor allem aber mit seiner faszinierenden Vielfalt weiblicher Abbildungen. Feen oder Naturgöttinnen stehen als positiv besetzte Figuren dunkel-sinnlichen Darstellungen wie der männermordenden Medusa oder kampfbereiten Amazonen gegenüber. Die vorwiegend männlichen Künstler setzen sich in ihren Werken mit den Umbrüchen und Widersprüchen ihrer Zeit auseinander: Wissenschaftliche Erkenntnisse sowie neue philosophische und religiöse Ansätze erschüttern das bisherige Menschenbild. Fortschrittsglaube prallt auf Kulturpessimismus. Im Rückbezug auf die Bildwelten von Märchen, Mythen oder Antike erschaffen die Künstler eine phantasievolle Kunstwelt. Mit der Industrialisierung etablieren sich in den Städten aber auch neue Formen der Konsum- und Unterhaltungskultur. Zugleich verlangt die aufkeimende Frauenbewegung nach Bildung und Berufstätigkeit, gesellschaftlicher Teilhabe und politischer Mitsprache.
Wie gut kennen Sie die Zeit um 1900?
Kunstwelten – Feen und Furien
Grundlegende Neuerungen in Technik und Wissenschaft stellten um 1900 das bisherige Menschenbild in Frage. Fortschritt prallte auf Tradition, Forschung auf Glaube. Eine junge Generation von Künstler*innen begann nun, Mensch und Gesellschaft in ihren Werken zu reflektieren. Inspiration boten neben der Femme fatale auch Frauen aus mittelalterlichen Legenden oder antiker Mythologie.
So verkörpern nackte, sinnlich inszenierte Frauenfiguren ein wachsendes Verlangen nach körperlicher Freiheit und mystische Wesen den Wunsch nach spiritueller Erhöhung. Aphrodite und Madonna stehen sich konträr gegenüber. Zugleich spiegeln die Gestalten gesellschaftliche Gegensätze, die Faszination für die Natur ebenso wie für die Dekadenz. Mittelalterliche Feen symbolisieren ein Leben in Reinheit, die furchterregende Medusa hingegen den Tod und Verfall.
Die Frauenfiguren des Jugendstils sind häufig mehrdeutig. Ihre stark idealisierten und klischeehaften Darstellungen werden heute durchaus kontrovers diskutiert.
Geist und Gedanken - Das Bewusstsein und seine Veränderungen interessierten die Künstler um die Jahrhundertwende sehr. Paul Börner widmete sich dem Übergang vom Traum ins Wachsein und Bernhard Hoetger dem Flug der Gedanken. "Erwachen" (Awaken), Paul Börner, Meißen, 1911, Porzellan Badisches Landesmuseum, Karlsruhe © Badisches Landesmuseum, Foto: Peter Gaul
Naturgöttinnen der Antike - Mythologische Frauengestalten dienten vielen Künstler*innen als Vorlage, eindrucksvolle Bilder der jugendlichen und verführerischen Frau zu schaffen: Daphne, die sich in Lorbeer verwandelt, oder Aurora, die Göttin der Morgenröte. "Flora", Karl Kornhas, Karlsruhe, um 1897, Steingut Badisches Landesmuseum, Karlsruhe © Badisches Landesmuseum, Foto: ARTIS – Uli Deck
Tänzerin aus dem Schärpenspiel. Agathon Léonard entwarf für die Weltausstellung 1900 einen Tafelaufsatz, für den er die Goldmedaille erhielt. Die insgesamt 15 Figuren erfreuten sich großer Beliebtheit und wurden in vielen Varianten ausgeführt. "Danseuse N° 12 à l'écharpe", Agathon Léonard, Sèvres, 1912, Biskuitporzellan Badisches Landesmuseum, Karlsruhe © Badisches Landesmuseum, Foto: Peter Gaul
Die englische Arts-and-Crafts-Bewegung - Kunsthandwerker*innen stellten dem modernen Leben ein idealisiertes Mittelalter entgegen. Edward Burne-Jones entwarf eine Liebesszene nach dem Rosenroman (13. Jh.), die Morris' Weberei als Wandteppich umsetzte. "The Pilgrim in the Garden" (Der Pilger im Garten), Edward Burne-Jones, William Morris, Merton Abbey 1901, Wolle und Seide auf Baumwollkette Badisches Landesmuseum, Karlsruhe © Badisches Landesmuseum, Foto: ARTIS – Uli Deck
Vier Blumenmädchen - Alfons Muchas Frauenmotive prägten den Jugendstil. Seine Entwürfe waren beliebt und wurden auch als Seidenmotivdrucke vertrieben. Die vier Frauen in fließenden Gewändern verkörpern die Blumen Rose, Iris, Nelke und Lilie. Alfons Mucha, Paris, 1897/98 Farblithografie auf Seide Badisches Landesmuseum, Karlsruhe © Badisches Landesmuseum, Foto: Peter Gaul
Geschöpfe des Meeres - Rätselhafte Wasserwesen waren ein beliebtes Motiv im Jugendstil: Fabelgestalten wie die Meerjungfrau, Wassergeister wie Undine aus der mittelalterlichen Sagenwelt und Nymphen aus der griechischen Mythologie. "Vase Meerjungfrau" (Vase Mermaid), Hans Christiansen (zugeschrieben), um 1895, Steingut glasiert Badisches Landesmuseum, Karlsruhe © Badisches Landesmuseum, Foto: Peter Gaul
Konsumwelten – Ikonen der Moderne
Um 1900 pulsierte das Leben in modernen Großstädten: Theater und Varieté, Café und Kino boten Unterhaltung, Metro und Straßenlaternen veränderten das Stadtbild.
Mit der Mittelschicht entstand ein kaufkräftiges Publikum, erste Kaufhäuser ließen den Konsum zum Erlebnis werden. Zudem weckte die moderne Werbung Begehrlichkeiten. Der Jugendstil ist auch in dieser Konsumwelt zu verorten, er prägte maßgeblich die Produkte und Grafik der Zeit.
Seine Künstler*innen revolutionierten die Plakatkunst, die durch neue Drucktechniken weite Verbreitung fand. Mit idealisiert und verführerisch dargestellten Frauen warben sie für Luxusprodukte und Alltagsgegenstände. Bei der Produktgestaltung dienten weibliche Figuren schlicht dem Ausdruck eines modernen Lifestyles.
Zugleich wurden Frauen zu Ikonen für bekannte Marken oder für technische Errungenschaften wie Elektrizität. Andere Darstellungen hingegen entwarfen Idealbilder von ländlicher Idylle oder identitätsstiftender Tradition.
Flämischer Folklorismus - Die Legenden rund um Till Eulenspiegel faszinierten Charles Samuel. Mit seinen Figuren stärkte er die flämische Folklore. So zeigte er Nele, die Freundin Eulenspiegels, auf der Weltausstellung 1897 als Bauernmädchen. "Nele", Charles Samuel, Brüssel, um 1897 Elfenbein und Obstbaumholz Rijksmuseum, Amsterdam © Badisches Landesmuseum, Foto: ARTIS – Uli Deck
Aus Tradition wird Patriotismus - In seinem Glasfenster Herbst zeigt Hans Drinneberg eine Frau mit weißer Kopfbedeckung, hinter ihr erhebt sich eine mittelalterliche Stadt. Die sogenannte „deutsche Tracht“ wurde um 1900 patriotisch aufgeladen. "Herbst", Fenster aus einem Jahreszeitenzyklus (Autumn, Window panel from a seasonal cycle), Hans Drinneberg, Karlsruhe, um 1900, Glas und Blei Badisches Landesmuseum, Karlsruhe © Badisches Landesmuseum, Foto: Peter Gaul
Sinnbild der Arbeit - Dekorativ und lasziv verkörpert die Frauenfigur des Franzosen Claude Bonnefond die Arbeit. Hammer und Amboss, Zahnrad und Bücher verweisen auf das Thema – ausgestaltet ganz im Stil des Art Nouveau. "Travail" (Arbeit / Labour), Claude Bonnefond, Frankreich, um 1900, Zink bronziert LWL-Industriemuseum – Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur, Dortmund © Badisches Landesmuseum, Foto: ARTIS – Uli Deck
Moderner Lebensstil - Der Jugendstil hielt auch in den Wohnungen schnell Einzug. Gerade bei der städtischen Mittelschicht wuchs der Bedarf nach Produkten, die einen Hauch von Luxus versprachen. Großer Beliebtheit erfreuten sich neben Glas und Keramik vor allem die Silber- und Metallarbeiten des Jugendstils. Durch die Serienproduktion wurden sie erschwinglich und in Katalogen, Kaufhäusern und Schaufenstern angepriesen. Die Künstler*innen wollten den Lebensalltag modernisieren, bildende und angewandte Kunst verschmolzen miteinander. Wie bei der Arts and Crafts-Bewegung sollten die Produkte zugleich schön, zweckmäßig und handwerklich solide sein. Auch hier war die Bildsprache eng mit Frauen verbunden: Ihre idealisierten Körper und ihr wallendes Haar zierten dekorative Alltagsprodukte wie Vasen oder Leuchter. Foto: ARTIS - Uli Deck.
Werbung für Markenprodukte - Auch Bildhauer erhielten um 1900 Werbeaufträge, so Edmond Quinter für diese Frauenfigur. Welches Getränk sie ursprünglich trug, ist nicht bekannt – die Champagnerflasche ist eine spätere Ergänzung von Emile Gallé. Femme Fleure (Blumenmädchen / Flower Girl) Edmond Quinter, Charenton-le-Pont, 1900, Steinzeug Stichting Gifted Art, Rotterdam. Foto: ARTIS - Uli Deck.
Ikone eines Automobils - Die „anmutige kleine Göttin“ steht für Schnelligkeit, Eleganz und Energie. Sie zierte von 1911 bis 1934 die Kühlerhaube jedes Rolls Royce. Alle Statuetten sind handgefertigt. Mythen ranken sich darum, wer dargestellt ist. Charles Robert Sykes, Derby, 1911, Bronze verchromt, Badisches Landesmuseum, Karlsruhe © Badisches Landesmuseum, Foto: Peter Gaul
Göttinnen des Jugendstils
Jugendstil auf der Weltausstellung - Der Bildhauer Raoul Larche präsentierte 1900 seine Jugendstil-Tischlampe einem breiten Publikum. Der Entwurf war inspiriert von der Schleiertänzerin Loïe Fuller, die in einem eigens für sie gebauten Pavillon auftrat. Tischlampe (Table lamp), Raoul Larche, Paris, 1900, Bronze vergoldet, Museumslandschaft Hessen Kassel © Badisches Landesmuseum, Foto: Peter Gaul
Finden Sie heraus, mit welchen Mitgliedern der Gesellschaft um 1900 Sie sich besonders gut verstanden hätten.
Lebenswelten der modernen Frau
Frauen strebten nach Bildung, Unabhängigkeit und Beruf. Sie verfochten Ansprüche fernab der traditionellen Rollen und eroberten sich ihre Rechte – gegen allen Widerstand. Eine politische Mitsprache blieb ihnen jedoch verwehrt, erst 1918 erhielten sie in Deutschland das Wahlrecht.
Auch Jugendstil-Plakate zeigen die Idee der „Neuen Frau“: sie treibt aktiv Sport, liest Zeitung und raucht Zigaretten. Hier ging es aber weniger um ein politisches Statement. Vielmehr sollten die Darstellungen den Konsum anregen und auch Frauen als Kundinnen gezielt ansprechen.
Eigens für diese Zielgruppe wurde Schmuck entworfen, der nicht nur in bürgerlichen Kreisen sehr beliebt war. Jugendstil-Motive zierten auch günstige Accessoires. In der Mode wurde das Korsett zunehmend abgeworfen zugunsten einer praktischen und gesünderen Kleidung. Sie verbreitete sich über Kaufhäuser sowie Journale und nahm mit ihrem ästhetischen Anspruch den Markt ein. Hierzu gehörte auch die neue Sport- und Radfahrkleidung; das Fahrrad wurde Vehikel und Sinnbild der Emanzipation.
Schmuckanhänger Fledermaus, Lucien Gautrait, Paris, um 1900, Gold, Email, Badisches Landesmuseum, Karlsruhe © Badisches Landesmuseum, Foto: Peter Gaul
Ausstellungsimpression, Mode des Jugendstils © Badisches Landesmuseum, Foto: ARTIS – Uli Deck
Anhänger „Frühlingserwachen“, Hugo Scharper, Berlin 1902, Landesmuseum Württemberg, Stuttgart © Badisches Landesmuseum, Foto: ARTIS – Uli Deck
Ausstellungsimpression Lebenswelten © Badisches Landesmuseum, Foto: ARTIS – Uli Deck
Ein Blick in die Vitrine: Moderne Frauen - Weibliche Porzellanfiguren schmückten die Wohnungen des modernen Bürgertums. Sie zeigten die Frauen in modischer Kleidung und in ihren neuen Betätigungsfeldern, z.B. als Autofahrerin oder beim Sport. Verschiedene Künstler, Meißen, 1904–1912, Porzellan, Privatsammlung © Badisches Landesmuseum, Foto: Bruno Kelzer
Ein Blick in die Vitrine: Die rauchende Frau - Die Zigarette prägte das Bild der „Neuen Frau“. Dabei galt die rauchende Frau als unsittlich und verführerisch zugleich. Die boomende Tabakindustrie machte sich auf ihren Verpackungen all diese Aspekte zunutze. Leihgaben aus Privatbesitz. © Badisches Landesmuseum, Foto: Bruno Kelzer
Schmuckanhänger Medusa, Albrecht Holbein, Georg Bindhardt, 1905, Silber vergoldet, Opal, Email, Museumslandschaft Hessen Kassel © Badisches Landesmuseum, Foto: ARTIS – Uli Deck
Von Beruf Künstlerin
Schillernde Weltstars wie Sarah Bernhardt oder Loïe Fuller erlangten auf internationalen Bühnen große Berühmtheit. Sie sind auf zahlreichen Plakaten und in Produkten verewigt, und betrieben schon damals offensive Selbstvermarktung. Bis heute gelten sie als die großen Ikonen des Jugendstils.
Die weit größere Anzahl der Jugendstil-Künstlerinnen jedoch arbeitete vorwiegend im Schatten der männlichen Kollegen, in deren Werkstätten wie in den künstlerischen Verbünden. Obwohl sich Kunstschulen zunehmend für Frauen öffneten, hatten diese weiterhin mit Benachteiligungen zu kämpfen. Malerei und Bildhauerei waren ihnen häufig nicht zugänglich. Deshalb waren Frauen vielfach in angewandten Künsten tätig, etwa in der Werbegrafik, der Keramik oder der Fotografie.
Frauen lieferten wichtige Beiträge zur Kunst des Jugendstils und führten bisweilen äußerst erfolgreiche Unternehmen. Doch bis heute sind sie namentlich nicht oder kaum bekannt. Die Ausstellung stellte deshalb verschiedene Lebenswege vor und wollte damit auch jenen Künstlerinnen eine Bühne bieten, die in Forschung und Museen bislang wenig präsent sind.
Sarah Bernhardt (1844–1923), Schauspielerin und Weltstar
DIE GÖTTLICHE: Sie brillierte in klassischen Dramen und faszinierte vor allem in ihren Männerrollen. Mit ihrer Stimme, Anmut und ihrem Temperament eroberte sie auf zahlreichen Tourneen die ganze Welt.
FEMME FATALE: Die Französin pflegte ihr Image als exzentrische Frau mit zahlreichen Liebhabern. Sie vertrieb ihre Fotografien auf Postkarten und engagierte Alfons Mucha für ihre Werbeplakate.
MULTITALENT: Sie übernahm Rollen in Stummfilmen und wurde Professorin am Pariser Konservatorium. Die Ikone des Jugendstils leitete mehrere Theater und stand auch nach einer Beinamputation auf der Bühne.
Loïe Fuller (1862–1928), Tänzerin und Erfinderin
IKONE: Mit meterlangen Seidenstoffen wirbelte sie mit ihrem Schlangentanz über die Bühnen der Welt. Ihre Bewegungen inspirierten andere Künstler*innen, sie wurden ein zentrales Motiv des Jugendstils.
PIONIERIN: Sie bereitete dem modernen Tanz den Weg, indem sie völlig neuartige Choreografien entwickelte. Gleichzeitig war sie die Erste, die mit elektrischem Licht und farbigen Projektionen auf der Bühne arbeitete.
UNTERNEHMERIN: Die gebürtige Amerikanerin ließ ihr Werk schon vor ihrem Durchbruch patentieren. Sie vermarktete sich äußerst professionell und war technisch stets auf dem neuesten Stand.
Käthe Buchler (1876–1930), Fotografin
IHR WEG: Als Ehefrau eines vermögenden Fabrikanten begann die Braunschweigerin 1901 zu fotografieren. Ab 1906 besuchte sie Kurse des Berliner Lette-Vereins, der Frauen eine professionelle Ausbildung ermöglichte.
IHR BLICK: Sie fotografierte zunächst ihre Familie sowie Landschaften, später eroberte sie auch den Stadtraum. Im Ersten Weltkrieg fing sie den Alltag ihrer Region ein, ihre Perspektive war dabei patriotisch-konservativ.
MODERN: Sie richtete sich eine Dunkelkammer ein und experimentierte mit dem neuen Autochromverfahren. Trotz ihrer Erfolge geriet sie in Vergessenheit und wurde erst in den 1980er Jahren wiederentdeckt.
Ilna Ewers-Wunderwald, 1875–1957
Malerin und Illustratorin
FREIGEIST: Sie wendete sich gegen alle Konventionen, mit kurzem Haar, Männerkleidung und Rauschmitteln. Sie war stets von Fernweh getrieben und bereiste mit ihrem Ehemann die entlegensten Teile der Welt.
VIELSEITIG: Sie schöpfte aus den fremden Kulturen und stellte ihre Bilder in ganz Deutschland erfolgreich aus. Sie war nicht nur Bildende Künstlerin, sondern auch Kabarettistin, Übersetzerin und Illustratorin.
ERNÜCHTERND: Sie konnte nicht von ihrer Kunst leben, trotz professioneller Vermarktung und Verkäufen. Im Ersten Weltkrieg gingen die meisten Werke verloren. Sie erfuhr erst in den letzten Jahren neue Würdigung.
Sophie Burger-Hartmann (1868–1940), Bildhauerin und Malerin
PROFI: Sie studierte Malerei unter anderem an der Damenakademie des Münchner Künstlerinnenvereins. Der Bildhauerei wendete sie sich erst später zu, wohl in ihrer Zeit an der Académie Julian in Paris.
ERFOLG: Schon früh stellte sie auf Ausstellungen ihre Kleinplastiken und künstlerischen Gegenstände aus Bronze aus und wurde vielfach prämiert. Sie war um 1900 bereits international anerkannt.
TROTZ ALLEM: Nach einem gewonnenen Wettbewerb benannte die Zeitschrift Die Kunst sie lediglich als „Gattin des bekannten Porträtisten Fritz Burger“ und verkannte damit ihre Eigenständigkeit.
Änne Koken (1885–1919), Grafikerin und Designerin
IHRE DEVISE: Kunst in Alltag und Gewerbe stärken. Deshalb bezeichnete sie sich nicht als Kunstgewerblerin. Sie hatte in München Angewandte Kunst studiert und sich danach mit einem Atelier selbständig gemacht.
WERBEBLICK: Als eine der ersten Werbegrafikerinnen entwarf sie Firmenzeichen, Reklame und Verpackungen. Sie wurde sehr bekannt und erhielt zahlreiche Aufträge, 1913 trat sie dem Deutschen Werkbund bei.
VIELSEITIGKEIT: Sie setzte sich für Frauenrechte ein und entwarf schlichte, aber dekorative Reformkleidung. Zudem war sie in anderen Bereichen erfolgreich, z.B. Schmuck, Glasfenster, Buchkunst oder Malerei.
Käthe Roman-Försterling (1871–unbekannt), Malerin und Kunstgewerblerin
VORREITERIN: Sie zählte zu den ersten Schülerinnen, die an der Karlsruher Kunstgewerbeschule studierten. Als eine von nur vier Frauen unterrichtete sie später an der örtlichen Großherzoglichen Malerinnenschule.
KARRIEREFRAU: Sie arbeitete erfolgreich als Künstlerin und erhielt als erste Frau einen Auftrag an der Großherzoglichen Majolika-Manufaktur in Karlsruhe. Sie engagierte sich auch im Künstlerbund der Stadt.
IHR SCHICKSAL: 1908 wurde ihre Ehe geschieden, ihr Ex-Mann und ihre Mutter ließen sie entmündigen. Ihre künstlerische Karriere war damit beendet und sie verschwand völlig aus der Öffentlichkeit.
Emmy Schoch (1881–1968), Modeschöpferin und Unternehmerin
IHR ZIEL: Modische und gesunde Kleidung für Frauen. Als engagierte Befürworterin der Reformkleidung warnte sie vor den Schäden durch das Korsett. Dafür kämpfte sie in Vorträgen in ganz Deutschland.
PIONIERIN: Mit ihren fantasievollen Kreationen und schlichten Typenkleidern feierte sie große Erfolge. Ihr Karlsruher Unternehmen wurde so bedeutend, dass ihr Mann seinen Beruf für die Firma aufgab.
LINIENTREU: In den 1930ern bewarb sie sich beim Deutschen Modeamt, jedoch ohne Erfolg. Die Idee der „Volksgesundheit“ hatte sie fasziniert. Sie führte bis 1953 ihre eigene Werkstatt fort.
Blick auf das Oberteil eines Damen-Teekleides, Emmy Schoch, Karlsruhe, 1911–1913, Badisches Landesmuseum © Badisches Landesmuseum, Foto: ARTIS – Uli Deck
Tischlampe Loïe Fuller (Table lamp), Raoul Larche, Paris, 1901 Bronze vergoldet, Badisches Landesmuseum, Karlsruhe. Foto: Peter Gaul
Ausstellungsimpression Plakate von Alfons Mucha für Theatervorführungen der Schauspielerin Sarah Bernhardt, 1894–1899 © Badisches Landesmuseum, Foto: ARTIS – Uli Deck
Herbstzeitlose (Autumn Crocus), Sophie Burger-Hartmann, München, 1897, Bronze und Kupfer, Badisches Landesmuseum, Karlsruhe. Foto: Peter Gaul
Malven (Mallows), Jenny Fikentscher, Grötzingen, 1901, Farblithografie, Privatsammlung, Foto: ARTIS - Uli Deck
Tee- und Kaffeeservice Dekor 501 (Tea and coffee set decor 501), Jutta Sika, Wien, 1901–1902, Porzellan, Badisches Landesmuseum, Karlsruhe. Foto: Peter Gaul
Fußschale Rosen (Foot bowl Roses), Käthe Roman-Försterling, Karlsruhe, 1908, Irdengut, Badisches Landesmuseum, Karlsruhe. Foto: Peter Gaul.
Jugendstil heute
Karlsruhe zählt neben Darmstadt, Dresden und München zu den bedeutenden Jugendstil-Städten in Deutschland. Die Architekten Billing sowie Curjel und Moser prägten das Stadtbild und hinterließen eindrucksvolle Bauten.
Seit seiner Wiederentdeckung in den späten 1960er Jahren erfreut sich der Jugendstil wieder einer großen Beliebtheit. Seine Objekte und Möbel schmücken vielfach Wohnungen, Jugendstilplakate üben weithin eine große Faszination aus.
Mit seinen Ornamenten und Motiven bietet der Jugendstil auch heutigen Künstler*innen noch lebendige Anregungen: nicht nur in klassischen Gattungen wie der Schmuckkunst, sondern auch in modernen Graffitis oder Tätowierungen.
Auf Monitoren präsentierten wir Karlsruher Jugendstil-Architektur. Als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine wurden auf einem der Monitore seit Beginn Krieges Bilder von Jugendstil-Gebäuden aus der Ukraine ergänzt.
Der Jugendstil begeistert heute noch viele private Sammler*innen. Manfred Geisler ist einer von ihnen. Er stellte uns einige seiner Sammlungsstücke für die Ausstellung zur Verfügung. Seine Leidenschaft zum Sammeln und seine Faszination für den Jugendstil konnten die Besucher*innen auf einem Monitor kennenlernen. Der Jugendstil begeistert heute noch viele private Sammler*innen. Manfred Geisler ist einer von ihnen. Er stellte uns einige seiner Sammlungsstücke für die Ausstellung zur Verfügung. Seine Leidenschaft zum Sammeln und seine Faszination für den Jugendstil konnten die Besucher*innen auf einem Monitor kennenlernen.
Mit dem Werk One schuf Tom Brane einen zeitgenössischen Kommentar zur Jugendstil-Ausstellung. Seine Open-Air-Werke schmücken zahlreiche Hausfassaden und Wände in Freiburg und Umgebung. Seine Stilrichtung reicht von Pop-Surrealismus bis kubistischen Futurismus. Insbesondere der Jugendstil bietet ihm Inspiration, er kreiert einen eigenen „Neo Jugendstil“.
Für den MUSEUMS-PASS-MUSÉES haben wir eine Video-Führung zu den "Göttinnen des Jugendstils" aufgezeichnet, die Sie hier anschauen können.
Gestaltung der Ausstellungsarchitektur, Grafik und Medien:
neo.studio neumann schneider architekten PartG mbB, Berlin
Moritz Schneider, Tobias Neumann und Niza Dillman, Nina Gernes, Wiebke Dane, Hanna Sörgel
Die Wandgrafiken und die Abbildungen der Künstlerinnen auf dieser Seite wurden von neo.studio gestaltet.
Bilder der Künstlerinnen: Loïe Fuller © Gemeinfrei; Anonymous photographer circa 1895, Public domain, via Wikimedia Commons | Sarah Bernhardt © Gemeinfrei; William Downey, Public domain, via Wikimedia Commons | Emmy Schoch © Stadtarchiv Karlsruhe, 8/PBS oIII 683 | Jutta Sika © Privatbesitz | Ilna Ewers-Wunderwald © Privatbesitz | Käthe Buchler © Sammlung Nachlass/Estate Käthe Buchler - Museum für Photographie Braunschweig (G IX 105 1590) | Sophie Burger-Hartmann © Pictura Paedagogica, Standort (Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung Berlin oder Universität Hildesheim) | Änne Koken © Privatbesitz | Jenny Fikentscher © Privatbesitz | Julie Wolfthorn © Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky; W 605