Kaiser und Sultan

Nachbarn in Europas Mitte 1600-1700

Anlässlich des 100-jährigen Gründungsjubiläums des Badischen Landesmuseums widmete sich die Große Landesausstellung Kaiser und Sultan – Nachbarn in Europas Mitte 1600–1700 der weltbekannten „Karlsruher Türkenbeute“ und nahm rund ein Jahrhundert Geschichte in den Fokus. Thematisch erwies sich die Schau von größter Aktualität, eröffnete sie doch neue Perspektiven auf die Karlsruher Sammlung aus den sog. Türkenkriegen: Ostmittel- und Südosteuropa waren im 17. Jahrhundert nicht nur Kriegsschauplatz, sondern auf europäischem Boden eine weitere Brücke für kulturellen Austausch und zivilisatorische Neuerungen. Entsprechend ging die Bezeichnung „Poarta Orientală“ für eine Passhöhe in den südlichen Karpaten in die Geschichte ein. Habsburger und Osmanen waren Nachbarn in der Mitte Europas! Nicht selten verbündeten sich vermeintliche Feinde aus machtpolitischem Kalkül miteinander. Fernab eines reinen Konfrontationsgedankens verdeutlichte die Sonderausstellung die globale Dimension des 17. Jahrhunderts und betonte anhand politischer, wirtschaftlicher und religiöser Flucht- und Migrationsbewegungen den Mehrwert plurikultureller Gesellschaften für ein Europa der Vielfalt – damals wie heute.

Mit rund 320 hochkarätigen Exponaten von internationalen Leihgebern beleuchtete die Ausstellung bisher vernachlässigte Facetten einer ereignisreichen Epoche. Dank zahlreicher Objekte aus der Rüstkammer der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden vereinte Kaiser und Sultan dabei erstmals die beiden größten osmanischen Museumsbestände Deutschlands. Die Ausstellung präsentierte den Besucher*innen seltene Highlights, darunter eine barocke Tischprunkuhr von David Buschmann oder ein mit 600 Edelsteinen besetzter Bocksattel.

Ein zehnköpfiger, international besetzter Beirat mit renommierten Wissenschaftler*innen aus Deutschland, Kroatien, Österreich, Polen und Ungarn begleitete fachlich die Große Landesausstellung, die den Ansatz zur transkulturellen Geschichte erstmals auf die Zeit der sog. Türkenkriege lenkte und um neue Forschungsergebnisse im Raum Südost- und Ostmitteleuropas bereicherte.

Neighbours in the Heart of Europe 1600-1700

On the occasion of the 100th anniversary of the founding of the State Museum of Baden, the exhibition Emperor and Sultan – Neighbours in the Heart of Europe 1600–1700 was dedicated to the “Karlsruher Türkenbeute” and focussed on an entire century of history. The show proved to be highly topical because it opened up new perspectives on the Karlsruhe collection from the Turkish Wars: in the 17th century, East Central and South Eastern Europe were not only the theatre of war but also a further bridge for cultural exchange and innovations in civilisation on European soil. Accordingly, the name “Poarta Orientală” for a summit in the southern Carpathians went down in history. The Habsburgs and Ottomans were neighbours in the heart of Europe. Alleged enemies often formed alliances based on power–political strategies. Far from a purely confrontational approach, the special exhibition illustrated the global dimension of the 17th century and used political, economic, and religious flight and migration movements to emphasise the added value of pluricultural societies for a Europe of diversity – both then and now.

With around 320 top-class exhibits from international lenders, the exhibition highlighted previously neglected facets of an eventful epoch. Thanks to numerous objects from the armoury of the Dresden State Art Collections, Kaiser und Sultan united the two largest Ottoman museum holdings in Germany for the first time. The exhibition presented the visitors with rare highlights, including a baroque grandfather clock by David Buschmann and a trestle saddle set with 600 precious stones.

A ten-member international advisory board with renowned scholars from Germany, Croatia, Austria, Poland, and Hungary provided expert support for the great state exhibition, which – for the first time – brought the approach to transcultural history back to the time of the Turkish Wars and enriched it with new research results from South Eastern and East Central Europe.


Videoguide zur Ausstellung / Video guide to the exhibition


Die Exponate / The exhibits

Informationen zu den Objekten der Ausstellung / Information on the objects in the exhibition

  • Samt mit figürlichem Muster / Velvet with figural pattern

    Samt mit figürlichem Muster / Velvet with figural pattern

    Das persisch samtene Tuch

    Samtbrokat, Atlasgewebe, vergoldeter Silberlahn; L. (linke Bahn) 142,5 cm, B. (rechte Bahn) 71,2 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. D 200 – persisch, um 1610–1640

    Ohne das Wissen um die nomadischen Gesellschaften Vorderasiens bleibt die hohe Wertschätzung für Textiles in der islamischen Kunst und Kultur unverständlich. Der Gebrauch von Stoffen, seien sie aus Atlas, Damast, Samt oder Seide, war nicht nur für die osmanische und safawidische Zelt- und Wohnkultur unerlässlich. Vor allem im Perserreich der Safawiden besaßen kostbare Textilien einen unbestreitbaren Rang und galten weit über andere kunsthandwerkliche Erzeugnisse hinaus als wahre Kunstwerke. Gold- und silberdurchwirkte Stoffe dienten als Wandschmuck, bedeckten Pfeiler, wurden zu Sitzkissen und Polster, zu Bucheinbänden und Briefbeuteln verarbeitet. Darüber hinaus spielte ihre Verwendung als kostbare Geschenke im diplomatischen Dienst eine große Rolle. Wertvolle Gewebe aus den Hofmanufakturen oder Stoffe, die als Geschenke an den Königshof gelangten, verwaltete die königliche Schatzkammer. Doch belegt erst das Wissen darum die Wertschätzung für das Textile. Dagegen landeten Geschenke, die nach europäischem Verständnis für wertvoll erachtet wurden, etwa Ferngläser, Teleskope, Waffen und Gemälde, in der allgemeinen Schatzkammer. Eine besondere Praxis stellte seit vorislamischer Zeit die Vergabe von Ehrenkleidern an höher gestellte Persönlichkeiten dar. Auch als Beamtenbestechung, vornehmlich zum Zwecke des Erhalts von Handelsprivilegien, war in Zeiten weltweiter Handelsbeziehungen die Überreichung von kostbaren Ehrengewändern nicht unüblich. Wenig überraschen mag daher, dass chalaat bzw. ḥalā, wie man das Vorgehen nannte, unter der Bezeichnung „Gala“ für den großen Gesellschaftsanzug in den europäischen Sprachgebrauch Einzug hielt.

    Meisterstücke persischer Weberei fanden als Gesandtschaftsgeschenke benachbarter Herrscher auch ihren Weg in das Osmanische Reich. In diesem Zusammenhang steht möglicherweise der figürliche Samt aus der Karlsruher Türkenbeute, welcher der Markgräfin Sibylla Augusta aus dem Vermächtnis ihres Vaters Herzog Julius Franz von Sachsen-Lauenburg zufiel. Ob es sich bei diesem Gewebe tatsächlich um das im Badisch-Sachsen-Lauenburgischen Bestandsinventar von 1691 als „Persianischer schlaffrock mit roth u. andern Figuren“ bezeichnete Stück handelte, ist schwer zu sagen, zumal es heute keine Anzeichen für den Zuschnitt des Stoffes gibt. Die Darstellung von Figuren auf textilen Erzeugnissen lässt jedoch keinen Zweifel über den Ort seiner Herstellung zu. Im 16. und 17. Jahrhundert orientierten sich die figürlich gemusterten, ausschließlich persischen Gewebe stark an der persischen Miniaturmalerei. Anlass hierzu boten die in dieser Zeit von Meisterilluminatoren wie Rezā Abbāsi und seinen Schülern angefertigten Einzelblätter, deren Motivik auf ein oder zwei Personendarstellungen beschränkt blieb. Der Malduktus dieser sogenannten „Isfahaner Schule“ ging mit einer verfeinerten Technik der Seidenweberei einher und schuf unter Schah Abbās I. einen unverkennbar eigenen, über Jahrzehnte gültigen Stil.

    Auf dem einst mit vergoldetem Silberlahn durchschossenen gelben Atlassamt durchzieht im Rapport ein Motiv im reichen Farbenspiel gleich dreimal das Tuch: Ein vornehm gekleideter Jüngling von höchstwahrscheinlich königlichem Geblüt stützt sich auf einen Stab, hält in der einen Hand eine Frucht und führt mit der anderen eine Blume zum Gesicht. Ihm gegenüber kniet ein schnauzbärtiger älterer Mann, der mit ausgestreckter Hand zum Jüngling aufschaut. Zu den Männern gesellt sich ein Fasan auf einem blühenden Obstbaum. Streuzweige, Blumen und ein von Pflanzen gesäumter Teich, in dem ein Fisch schwimmt, ergänzen die Zusammenkunft des ungleichen Paares.

    Die Begegnung von Höfling und Bettler als Metaphern für Reichtum und Armut, Jugend und Alter sind altbekannte Topoi der persischen mystischen Lyrik. Attribute des im einfachen Wollgewand knienden Mannes wie die (Bettler-)Schale, die abgesetzte hohe (Derwisch-)Kopfbedeckung und die abgestreiften Schuhe zu seinen Füßen weisen ihn als asketisch lebenden Derwisch aus. Dem sufischen Ideal der Armut (faqr) folgend, verkörpert er das Arm-sein vor dem sich genügenden, ewig reichen Gott. Ihm gegenüber steht der dankbare Reiche, der sich der Vergänglichkeit seiner Jugend und seines äußeren Reichtums bewusst, sich nach sufischem Weltverständnis auf eine Stufe wie der geduldige Arme stellt. Wie bei vielen Darstellungen auf nahezu allen Bildträgern des 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts liegt dem sichtbaren Bildinhalt demnach eine mystisch-religiöse Bedeutungsebene zugrunde, die eng mit der Geisteswelt des Sufismus und dem islamischen Mystizismus verbunden ist. Zentrales Motiv ist hier die innigste Andeutung der mystischen Liebe zu Gott. Der liebende Weg zu ihm führt über das Entwerden von menschlichen Eigenschaften (fanā) sowie die langsame Vergeistigung und kennt dabei nur ein einziges Ziel: das Eins-Sein mit dem Erhabenen.

    Autorin: Schoole Mostafawy, Bildrechteinhaber: Badisches Landesmuseum

    The Persian velvet cloth

    Velvet brocade, atlas weave, gilt silver lantern; l. (left panel) 142.5 cm, w. (right panel) 71.2 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. D 200 - Persian, c. 1610-1640

    Without knowledge of the nomadic societies of the Near East, the high regard for textiles in Islamic art and culture remains incomprehensible. The use of fabrics, be they made of atlas, damask, velvet or silk, was not only indispensable for Ottoman and Safavid tent and living culture. Especially in the Persian empire of the Safavids, precious textiles had an undeniable status and were considered true works of art far beyond other handicraft products. Fabrics interwoven with gold and silver served as wall decorations, covered pillars, were made into seat cushions and upholstery, book covers and letter pouches. In addition, their use as precious gifts in the diplomatic service played a major role. Valuable fabrics from the court manufactories or fabrics that arrived at the royal court as gifts were administered by the royal treasury. But it was only the knowledge of this that proved the appreciation of textiles. In contrast, gifts that were considered valuable according to European understanding, such as binoculars, telescopes, weapons and paintings, ended up in the general treasury. A special practice since pre-Islamic times has been the giving of honorary garments to higher-ranking personalities. In times of global trade relations, the presentation of precious robes of honour was not uncommon as a bribe to officials, primarily for the purpose of obtaining trade privileges. It is therefore hardly surprising that chalaat or ḥalā, as the procedure was called, entered European usage under the name "gala" for the grand social suit.

    Masterpieces of Persian weaving also found their way into the Ottoman Empire as gifts from neighbouring rulers. The figurative velvet from the Karlsruhe Turk's Booty, which was given to Margravine Sibylla Augusta from the bequest of her father Duke Julius Franz of Saxe-Lauenburg, is possibly related to this. It is difficult to say whether this fabric was actually the piece described in the Baden-Saxony-Lauenburg inventory of 1691 as a "Persian schlaffrock mit roth u. andern Figuren" (Persian skirt with red and other figures), especially as there is no evidence today of the fabric being cut. However, the depiction of figures on textile products leaves no doubt as to where it was made. In the 16th and 17th centuries, figuratively patterned fabrics, which were exclusively Persian, were strongly oriented towards Persian miniature painting. The reason for this was the single sheets produced in this period by master illuminators such as Rezā Abbāsi and his students, whose motifs were limited to one or two representations of people. The painting style of this so-called "Isfahan School" went hand in hand with a refined technique of silk weaving and, under Shah Abbās I, created an unmistakable style of its own that lasted for decades.

    On the yellow atlas velvet, once shot through with gilded silver lantern, a motif in a rich play of colours runs through the cloth three times in a repeat: a nobly dressed youth of most likely royal blood leans on a staff, holds a fruit in one hand and brings a flower to his face with the other. Opposite him kneels a moustachioed older man who looks up at the youth with an outstretched hand. The men are joined by a pheasant on a flowering fruit tree. Scattered branches, flowers and a pond lined with plants in which a fish swims complete the meeting of the unequal couple.

    The encounter of courtier and beggar as metaphors for wealth and poverty, youth and old age are well-known topoi of Persian mystical poetry. Attributes of the man kneeling in a simple woollen robe, such as the (beggar's) bowl, the high (dervish) headdress and the worn shoes at his feet, identify him as an ascetic dervish. Following the Sufi ideal of poverty (faqr), he embodies being poor before the self-sufficient, eternally rich God. Opposite him is the grateful rich man who, aware of the transience of his youth and his external wealth, places himself on the same level as the patient poor man according to the Sufi understanding of the world. As in many depictions on almost all picture media of the 16th and early 17th century, the visible content of the picture is thus based on a mystical-religious level of meaning that is closely connected with the spiritual world of Sufism and Islamic mysticism. The central motif here is the most intimate suggestion of mystical love for God. The loving path to Him leads through the shedding of human qualities (fanā) as well as slow spiritualisation and knows only one goal: oneness with the sublime.

    Author: Schoole Mostafawy, Image copyright holder: Badisches Landesmuseum

  • Mitra / Mitre

    Mitra / Mitre

    Im Zeichen der Tulpe

    Seide, bestickt, Metallfaden; H. 93 cm, B. 42 cm; Budapest, Ungarisches Nationalmuseum Inv. T.1918.29.63.c. – ungarisch, aus Trencsén (Slowakei), Ende 17. Jahrhundert

    Die Mitra oder Infel dient in der katholischen Kirche als Kopfbedeckung für Bischöfe und andere hohe Würdenträger. Sie besteht aus zwei schildförmigen, oben dreieckig-spitz zulaufenden Teilen, die durch Stoff verbunden sind. Heute werden normalerweise zwei Arten der Mitra verwendet: eine einfache Mitra simplex und eine verzierte Mitra ornata. Aber früher wurden drei Formen benutzt: Die Mitra auriphrygiata war aus weißer Seide mit Goldborte besetzt, sogar mit kleinen Perlen bestickt. Die Mitra pretiosa war sehr reich verziert, hauptsächlich mit Edelsteinen, Perlen, Gold- und Silberelementen. Die Mitra simplex schließlich war die einfachste. Sie wurde aus weißer Seide gemacht und war ganz schmucklos.

    Die in der Textilsammlung des Ungarischen Nationalmuseums erhalten gebliebene Mitra ist eine Mitra auriphrygiata vom Ende des 17. Jahrhunderts. Ihr Grundstoff ist weiße Seide, deren Oberfläche nicht ganz glatt ist. Man kann kleine Rippen beobachten, die beim Weben entstanden sind. Vorder- und Rückseite haben die gleiche Verzierung. Die mit Unterlagen plastisch gemachten Elemente der Stickerei wurden völlig mit Goldfäden bedeckt und auf die gerippte Seide als Applikation aufgenäht.

    Die Motive sind späte Beispiele der in Ungarn beliebten Zierelemente des 17. Jahrhunderts. Die Zeit der Osmanenherrschaft war sehr reich an verschiedenen kulturellen Einflüssen. Neue Motive, vor allem Ornamente, kamen von Osten Dank der Vermittlung der Osmanen. Die im Bereich der osmanischen Textilkunst beliebten Motive wie Tulpen, Nelken, andere stilisierte Blumen und stachelige Blätter vermischten sich in Ungarn mit der westlichen Tradition. Die in Ungarn als Úrihímzés, also adelige Stickerei, bezeichnete Technik vereinigte die Symmetrie und klare Anordnung der italienischen Renaissance mit exotischen osmanischen Elementen. Junge, adelige Mädchen lebten oft unter der Beobachtung einer älteren ehrenhaften Frau, um sich alle nötigen Kenntnisse für das Leben aneignen zu können. Oft verfertigten sie die Textilstücke der Aussteuer auch zusammen, manchmal mit der Hilfe von einer in der Stickerei begabten osmanischen Frau. Leder, Samt und die meisten liturgischen Gewänder wurden jedoch von professionellen Handwerkern, von Stickern, gemacht, denn die Arbeit mit diesen dicken Grundstoffen, die oft auch mit Metallfäden verziert wurden, war für Frauen zu schwer.

    Die Qualität der Mitra verweist auch darauf, dass sie in einer professionellen Werkstatt gemacht wurde. Man kann auch schon Einflüsse des Barocks erkennen, vor allem in der Monumentalität und Anordnung der Motive, jedoch verweisen die Tulpen als auf den osmanischen Einfluss. Gut erkennbar sind die Tulpen an den zwei Bändern, die einst bis auf die Schulter herabhingen.

    Sowohl die Mitra als auch die in der Ausstellung gezeigte Kasel (s. Kat. #T.1918.29.74.a.) wurden im Jahre 1918 gekauft. In dieser Zeit war es Ziel des Ungarischen Nationalmuseums, möglichst viele Paramente und andere Textilschätze der Kirche zu sammeln, um sie vor der Vernichtung zu bewahren. Die mittelalterlichen und neuzeitlichen liturgischen Gewänder waren am Anfang des 20. Jahrhunderts schon in sehr schlechtem Zustand, und es war zu befürchten, dass sie einfach weggeworfen oder von ausländischen Händlern gekauft werden. Die Museen konnten viele Paramente retten. Von den Piaristen von Trencsén kaufte das Museum sowohl diese Mitra als auch die Kasel.

    Autorin: Csilla Kollár

    Under the sign of the tulip

    Silk, embroidered, metal thread; h. 93 cm, w. 42 cm; Budapest, Hungarian National Museum Inv. T.1918.29.63.c. - Hungarian, from Trencsén (Slovakia), end of the 17th century.

    The mitre or infel is used in the Catholic Church as a headdress for bishops and other high dignitaries. It consists of two shield-shaped parts, triangular and pointed at the top, which are connected by fabric. Today, two types of mitre are normally used: a simple mitre simplex and an ornate mitre ornata. But in the past, three forms were used: The mitre auriphrygiata was made of white silk trimmed with gold braid, even embroidered with small pearls. The mitre pretiosa was very richly decorated, mainly with precious stones, pearls, gold and silver elements. Finally, the mitre simplex was the simplest. It was made of white silk and was completely unadorned.

    The mitre preserved in the textile collection of the Hungarian National Museum is a mitre auriphrygiata from the end of the 17th century. Its basic material is white silk, the surface of which is not entirely smooth. One can observe small ribs that were created during weaving. The front and back have the same decoration. The elements of the embroidery made plastic with underlay were completely covered with gold threads and sewn onto the ribbed silk as appliqué.

    The motifs are late examples of the decorative elements popular in Hungary in the 17th century. The period of Ottoman rule was very rich in various cultural influences. New motifs, especially ornaments, came from the East thanks to the mediation of the Ottomans. The motifs popular in Ottoman textile art, such as tulips, carnations, other stylised flowers and spiky leaves, were mixed with the Western tradition in Hungary. The technique known in Hungary as Úrihímzés, or aristocratic embroidery, combined the symmetry and clear arrangement of the Italian Renaissance with exotic Ottoman elements. Young, noble girls often lived under the supervision of an older honourable woman in order to acquire all the necessary skills for life. They often made the textile pieces of the dowry together, sometimes with the help of an Ottoman woman gifted in embroidery. However, leather, velvet and most liturgical vestments were made by professional craftsmen, by embroiderers, because the work with these thick basic materials, which were often also decorated with metal threads, was too difficult for women.

    The quality of the mitre also indicates that it was made in a professional workshop. Baroque influences can already be seen, especially in the monumentality and arrangement of the motifs, but the tulips point to the Ottoman influence. The tulips are easily recognisable by the two ribbons that once hung down to the shoulder.

    Both the mitre and the chasuble shown in the exhibition (see cat. #T.1918.29.74.a.) were purchased in 1918. During this period, the aim of the Hungarian National Museum was to collect as many paraments and other textile treasures of the church as possible in order to save them from destruction. The medieval and modern liturgical vestments were already in very poor condition at the beginning of the 20th century, and there was a fear that they would simply be thrown away or bought by foreign traders. The museums were able to save many paraments. From the Piarists of Trencsén, the museum bought both this mitre and the chasuble.

    Author: Csilla Kollár

  • Handpauke / Hand timpani

    Handpauke / Hand timpani

    Der Rhythmus der Schlacht

    Kupfer, vergoldet, Rubine, Türkise, Fell; H. (ohne Ring) 16 cm, Dm. ca. 25 cm, Dm. Trommelfell 21,5 cm; Ingolstadt, Bayerisches Armeemuseum Inv. A 10841 – osmanisch

    Ein auffälliges Kennzeichen der osmanischen Truppen und besonders ihrer Heerführer war die aufwendige Feldmusik. Die Größe der Musikkapellen richtete sich nach dem Rang des Kommandanten. Sie führten eine ganze Reihe verschiedener Instrumente mit sich, die in der Regel mehrfach besetzt waren. Den Grundton der Musik gaben große Trommeln und metallene Kesselpauken an. Becken und Schellenbäume setzten weitere klangliche und rhythmische Akzente. Dazu kamen Blechbläser und durchdringende hölzerne Schalmeien. Oftmals begleitete auch Gesang die Musik. Diese Feldmusik beeindruckte die europäischen Heere ungemein. Sie übernahmen viele Instrumente und Musikformen in ihre eigenen Regimenter, und von dort fand die osmanische Musik auch Eingang in die europäische höfische Musik.

    Kleine Handpauken konnten Teil dieser Feldmusik sein, sie gehörten aber auch zur Ausstattung der gefürchteten osmanischen Reiterei. Diese Handpauken wurden am Sattel befestigt und mit einem Schlegel geschlagen. Sie wurden immer paarweise verwendet, wohl nicht zuletzt, um einen tieferen und einen höheren Ton erzeugen zu können. Einfache Handpauken waren über dem aus Kupferblech getriebenen Kessel mit schlichtem Leder bespannt. Das Stück, das sich heute im Bayerischen Armeemuseum befindet, ist dagegen durch eine reichhaltige Goldschmiedearbeit verziert. Diese Handpauke gehörte also vermutlich zur prunkvollen Pferdeausstattung eines sehr vornehmen Herren oder seiner unmittelbaren Begleitung. Mit Sicherheit gab es einmal ein Pendant, dieses ist aber verloren.

    Das Kupferblech ist vergoldet und über und über mit ziselierten und eingravierten Blumenornamenten verziert. Die Oberfläche ist zum Teil mit Punzen versehen. Auf dem Paukenkessel sind in drei Reihen Metallplättchen angenietet. Sie haben teilweise die Form von Rosetten, teilweise von Medaillons, und auf ihnen sitzen jeweils die Fassungen für fünf bzw. sieben Steine, abwechselnd Rubine und Türkise. Eines der vormals 23 Plättchen ist verloren, auch einige Steine sind herausgefallen. Das Paukenfell wird durch vier Spangen, acht vergoldete Nieten und einen ledernen, mit rotem Samt überzogenen Riemen gehalten. Neben der Öse an der Spitze des Paukenkörpers gibt es eine weitere Öse an einer der Spangen.

    Autor: Ansgar Reiß, Bildrechteinhaber: Bayerisches Armeemuseum

    The Rhythm of Battle

    Copper, gilt, rubies, turquoises, fur; h. (without ring) 16 cm, diam. approx. 25 cm, diam. drumhead 21.5 cm; Ingolstadt, Bavarian Army Museum Inv. A 10841 - Ottoman

    A conspicuous feature of the Ottoman troops and especially of their army commanders was the elaborate field music. The size of the music bands depended on the rank of the commander. They carried a whole range of different instruments, usually with several players. Large drums and metal kettledrums set the tone of the music. Cymbals and bells set further tonal and rhythmic accents. In addition, there were brass instruments and piercing wooden shawms. Often singing accompanied the music. This field music impressed the European armies immensely. They adopted many instruments and musical forms into their own regiments, and from there Ottoman music also found its way into European court music.

    Small hand timpani could be part of this field music, but they were also part of the equipment of the feared Ottoman cavalry. These hand timpani were attached to the saddle and struck with a mallet. They were always used in pairs, probably not least to be able to produce a lower and a higher tone. Simple hand timpani were covered with plain leather over the kettle, which was made of sheet copper. The piece now in the Bavarian Army Museum, on the other hand, is decorated with rich goldsmith's work. This hand kettledrum was therefore probably part of the pompous horse equipment of a very distinguished gentleman or his immediate entourage. It is certain that there was once a counterpart, but this has been lost.

    The copper sheet is gilded and decorated all over with chiselled and engraved floral ornaments. The surface is partly marked with hallmarks. Metal plates are riveted in three rows on the tympanum. They are partly in the shape of rosettes, partly of medallions, and on each of them sit the settings for five or seven stones, alternating rubies and turquoises. One of the formerly 23 small plates has been lost, and some stones have also fallen out. The tympanum is held in place by four clasps, eight gilt rivets and a leather strap covered with red velvet. In addition to the eyelet at the top of the timpani body, there is another eyelet on one of the clasps.

    Author: Ansgar Reiß, Image copyright holder: Bayerisches Armeemuseum

  • Panzerschabracke / Armoured saddle pad

    Panzerschabracke / Armoured saddle pad

    „Ein Waltrap von Schildt Krothen“ oder Schildkröte schützt Pferd

    Seidensamt, Filz (keçe), Seidenkettatlas; Stahlplatten z.T. goldtauschiert, Brustblatt: H. 54 cm, B. 58 cm; Flankendecke: L. 130 cm, H. (Vorderteil) ca. 66 cm, B. 42 cm, H. (Kruppteil) 62 cm, B. 59 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. D 115 – osmanisch, 2. Hälfte 17. Jahrhundert

    Das Pferd hatte bei den Osmanen als Nachkommen eines nomadischen Reitervolkes einen herausragenden Stellenwert. Ihr ganzes Leben war aufs Engste mit dem Pferd verbunden, dementsprechend glanzvoll statteten sie ihre Reittiere aus. Denn wie alle asiatischen Völker zogen auch die Osmanen mit unglaublicher Pracht in den Krieg. Der flämische Diplomat Ogier Ghislain de Busbecq, der sich Mitte des 16. Jahrhunderts zweimal als Gesandter Kaiser Ferdinands I. am Hofe Süleymans I. des Prächtigen aufhielt und 1559 in İstanbul den imposanten Aufzug des Sultans miterleben konnte, berichtet in seinen Legationis turcicae epistolae mit überschwänglichen Worten von der prunkvollen Ausrüstung und kostbaren Kleidung der osmanischen Reiter, den glänzend gerüsteten edelrassigen schönen Pferden, deren von Silber, gleißendem Gold und funkelnden Edelsteinen strahlenden Sätteln und Zaumzeugen. Nicht nur die unvorstellbar prunkvolle Ausstattung von Reiter und Pferd bewunderten europäische Zeitzeugen bei den Osmanen. Neben deren Wendigkeit und Geschwindigkeit wurde auch ihre Taktik im Angriff sowie im Rückzug von den Europäern hoch geschätzt. So war nämlich im Gegensatz zu den schweren Schlachtrössern europäischer Heere das osmanische Reitzeug immer leicht und konsequent darauf ausgerichtet, den Reittieren möglichst wenig von ihrer Schnelligkeit und Beweglichkeit zu nehmen. Aus taktischen Gründen bevorzugten die Osmanen die Stute als Reittier, weil diese fügsamer und im Kampf beweglicher und ausdauernder war.

    Die hier abgebildete gepanzerte Prunkschabracke besteht vollkommen aus Stahlplatten, deren innere Ränder mit einem aufgeschlagenen Rankendekor aus purem Gold (goldtauschiert) verziert sind. Die beiden Flankendecken und das Brustblatt bedeckten den gesamten Leib des Pferdes, indem sie durch Gurte und Schnallen zur dreiteiligen Schabracke verbunden wurden. Die Einzelteile bestehen aus rotem, mit dickem Filz gepolstertem Seidensamt. Zugeschnittene Stahlplatten bilden um einen zentralen Stern eine mehrblättrige Rosette, die auf die Samtpolsterung montiert sind. Deren Randzwickel und Ecken sind mit eingepassten Stahlstücken ausgefüllt. Die einzelnen Platten sind mit einfachen Messingstiften, überwiegend aber mit rosettenförmigen Ziernieten aus Silber miteinander vernietet, sodass sich die Schabracke den Bewegungen des Pferdes anpassen konnte. Ein griffiges Bild für diese Art der gepanzerten Schabracke findet man in älteren Inventaren aus dem 18. Jahrhundert, in der diese Musterung mit dem Rückenpanzer einer Schildkröte verglichen wird („... Waltrap von Schildt Krothen“ – „Waltrap“ ist ein heute ungebräuchliches Wort für Schabracke).

    Am unteren Rand hat jeder Schabrackenteil als Abschlussbordüre eine schmale Zierborte in Brettchenweberei aus Seide. Diese kunstvolle osmanische Plattenarbeit diente wohl nicht nur zum Schmuck, sondern bot dem Reittier als Panzerung auch Schutz vor Hieb und Stich.

    Die sich in der Karlsruher Türkenbeute befindende gepanzerte Prunkschabracke zählt zum einzig bekannten erhaltenen Rüststück dieser Art und ist somit von besonderem Rang. Sie kann nur für ein Pferd eines hohen Würdenträgers bestimmt gewesen sein, eines Alay-Tschauschen, des Oberkämmerers und Kammerherren eines Paşas. Die eigentlich auf Hochglanz polierten Stahlplatten müssen einen überwältigenden Eindruck hinterlassen haben.

    Autorin: Oya Dobruca-Kırali, Bildrechteinhaber: Badisches Landesmuseum

    "A Waltrap von Schildt Krothen" or Turtle Protects Horse

    Silk velvet, felt (keçe), silk warp atlas; steel plates partly inlaid with gold, breastplate: h. 54 cm, w. 58 cm; flank: l. 130 cm, h. (front part) ca. 66 cm, w. 42 cm, h. (back part) 62 cm, w. 59 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. D 115 - Ottoman, 2nd half 17th century

    The horse had a prominent place among the Ottomans as descendants of a nomadic equestrian people. Their whole life was closely connected with the horse, and they equipped their mounts accordingly. Like all Asian peoples, the Ottomans went to war with incredible splendour. The Flemish diplomat Ogier Ghislain de Busbecq, who twice visited the court of Süleyman I. in the mid-16th century as an envoy of Emperor Ferdinand I., and who was also a member of the royal court of Süleyman I. the Magnificent in the middle of the 16th century and was able to witness the Sultan's imposing procession in İstanbul in 1559. In his Legationis turcicae epistolae, he writes exuberantly about the magnificent equipment and precious clothing of the Ottoman horsemen, the brilliantly equipped, noble-bred, beautiful horses, their saddles and bridles gleaming with silver, glittering gold and sparkling precious stones. It was not only the unimaginably magnificent equipment of rider and horse that European witnesses admired in the Ottomans. In addition to their agility and speed, their tactics in attack and retreat were also highly valued by Europeans. In contrast to the heavy warhorses of European armies, Ottoman riding equipment was always light and consistently designed to rob the mounts of as little of their speed and agility as possible. For tactical reasons, the Ottomans preferred the mare as a mount because it was more docile and more agile and enduring in battle.

    The armoured ceremonial saddlecloth shown here consists entirely of steel plates, the inner edges of which are decorated with an open vine decoration of pure gold (gold inlaid). The two flank covers and the breastplate covered the entire body of the horse by being connected by straps and buckles to form the three-part saddlecloth. The individual parts are made of red silk velvet padded with thick felt. Steel plates cut to size form a multi-leaf rosette around a central star, which are mounted on the velvet upholstery. Their edge gussets and corners are filled with fitted steel pieces. The individual plates are riveted together with simple brass pins, but mainly with rosette-shaped decorative rivets made of silver, so that the saddle pad could adapt to the horse's movements. A handy image for this type of armoured saddlecloth can be found in older inventories from the 18th century, in which this pattern is compared to the back shell of a turtle ("... Waltrap von Schildt Krothen" - "Waltrap" is an uncommon word for saddlecloth today).

    At the lower edge, each saddlecloth piece has a narrow decorative border in board weaving of silk as a finishing border. This elaborate Ottoman panel work probably served not only as decoration, but also as armour to protect the mount from blows and stabs.

    The armour-plated saddlecloth found in the Karlsruhe Turkish loot is the only known surviving piece of armour of this kind and is therefore of special significance. It could only have been intended for a horse of a high dignitary, an Alay Chauschen, the chief chamberlain and chamberlain of a Paşas. The steel plates, which were actually polished to a high shine, must have made an overwhelming impression.

    Author: Oya Dobruca-Kırali, Image copyright holder: Badisches Landesmuseum

  • Teller / Plate

    Teller / Plate

    Von der Tulpenpracht am Bosporus

    Quarzfrittekeramik, Unterglasurmalerei; H. 5 cm, Dm. 30,6 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. 54/76 – osmanisch, İznik, ca. 1575

    Zwischen 1490 und 1700 brachten die Osmanen im Bereich der Bau- und Gefäßkeramik Erzeugnisse hervor, die unter der Bezeichnung İznik-Ware Weltruhm erlangten. Ein für die islamische Kunst erstaunlich naturalistischer, durch schwarze Konturzeichnung akzentuierter Dekor in den Farben Blau, Grün und „Bolus-Rot“ kennzeichnete ab 1560 einen neuen Scherben (Quarzfrittekeramik), der dem ersehnten strahlenden Weiß des chinesischen Porzellans erstaunlich nahekam. Die Ähnlichkeit war so groß, dass diese Keramik sogar als echtes Porzellan in Europa gehandelt wurde. Benannt wurde sie nach der am İznik-See ansässigen, staatlich kontrollierten Hofmanufaktur des Osmanischen Reiches. Dieses Zentrum mit Monopolstellung über die gesamte osmanische Fayenceproduktion griff auf zeichnerische Mustervorlagen aus den nakkāş-hāne zurück. Das vornehmlich in diesen Hofateliers im İstanbuler Topkapı-Serail entwickelte florale Bildrepertoire diente der Verzierung nicht nur von Tellern, Schalen, Kannen und Flaschen, sondern auch von Schreibkästen, Moscheeampeln und Textilien. In der Zeit der Hochblüte des osmanischen Kunstschaffens lag der Produktionsschwerpunkt auf der Herstellung von Fliesen. Erstmals in der Geschichte der Baukeramik entstanden neben Sechseckfliesen Serienfliesen mit Rapportmustern sowie in sich geschlossene Fliesengemälde, die der Betonung einzelner Raumteile im architektonischen Gebäude dienten und zunächst in Bursa, dann in Edirne und İstanbul prachtvolle Bauwerke schmückten. Zu diesen zählten Moscheen und Medressen ebenso wie weltliche Gebäude, etwa hamāms (Bäder) oder die Wände des Topkapı-Palastes. Ihrer Strahlkraft verdanken vor allem jene berühmten Bauwerke des Mimar Sinan ihre genuin eigene Ästhetik, die das osmanische Kunstschaffen bis heute kennzeichnet.

    Die Palette des Dekorums bestimmten Tulpen, Rosen, Nelken und Hyazinthen im sogenannten hatayi-Stil (d.i. in chinesisch-turkestanischer Manier) mit zu der jeweiligen Spezies passenden Blättern. Sie trugen der Blumenpracht die Bezeichnung „Vierblumendekor“ ein. Ergänzend kamen Kompositblüten in Kombination mit Blattrankenornamenten auf, zu denen das aus dem persischen Kulturkreis übernommene und mit dem byzantinischen Akanthusblatt verschmolzene sāz-Blatt gehörte.

    Dem Stil des Meisters Kara-Memi, Schüler und Nachfolger des aus Bagdad stammenden, zunächst in Täbris und später am osmanischen Hof tätigen Shāhkulu folgt der Dekor des vorliegenden Tellers: Aus einem gemeinsamen Blattkelch entsprießen Tulpen, Rosen und Nelken. Zwei voll erblühte rote Rosen im Zusammenspiel mit kleinen blauen Nelken auf geschwungenen Stängeln ranken sich um eine zentrierte, mit weißen Punkten gefüllte Tulpenblüte, die von einer hoch hinauswachsenden Rose bekrönt wird. Auf dem Rand erscheint in fünffacher Wiederholung die ornamentale Wiedergabe sprudelnden Wassers in Form stilisierter Wellen mit Spiralmustern, die sich an ebenso stilisierten Felsbrocken brechen. Die äußere Wandung zeigt im Wechsel Blütenpaare und einzelne Kugeln in Abwandlung des çintamani-Motivs.

    Kara-Memi wird die Vorliebe für eine naturalistisch anmutende, reiche Flora zugeschrieben. Für diesen spezifisch islamischen Naturalismus darf jedoch der Einfluss der seit 1530 für den osmanischen Hof produzierenden venezianischen Seidenweber nicht unterschätzt werden. Auf chinesische, am Sultanshof als Geschirr dienende Blau-Weiß-Porzellane des frühen 15. Jahrhunderts greifen dagegen die aus einem Blattbüschel sprießende Blütenpracht und der Randdekor zurück. Dabei werden die Motive des am Felsen brandenden Wassers und einzelne Kugeln in Abwandlung des çintamani, die über die Seidenstraße bekannt wurden, nach osmanischer Auffassung frei abgewandelt.

    Der Teller ist in vielerlei Hinsicht ein gelungenes Beispiel für die wechselvolle Geschichte des Kulturtransfers, zu der Kehrtwenden dazugehören. Löste die Begeisterung für die osmanische Tulpe an den Fürstenhäusern des 17. Jahrhunderts die Tulpomanie aus, und war am Karlsruher Hof Markgraf Carl Wilhelm von Baden-Durlach für seine Tulpenliebe bekannt, so musste man bereits unter Sultan Ahmed III. die sog. „Tränen des Orients“ aus Holland in das Osmanische Reich reimportieren. In nostalgischer Erinnerung an die Tulpenzeit des Osmanischen Reiches (1703–1730) veranstaltet wiederum İstanbul seit 2004 Tulpenfeste.

    Autorin: Schoole Mostafawy, Bildrechteinhaber: Badisches Landesmuseum

    Of the splendour of tulips on the Bosporus

    Quartz frit pottery, underglaze painting; h. 5 cm, dm. 30.6 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. 54/76 - Ottoman, İznik, c. 1575

    Between 1490 and 1700, the Ottomans produced products in the field of building and vessel ceramics that achieved world fame under the designation İznik ware. From 1560 onwards, a surprisingly naturalistic decoration in blue, green and "bolus red", accentuated by black contours, characterised a new body (quartz frit ceramics) that came surprisingly close to the longed-for radiant white of Chinese porcelain. The resemblance was so great that this ceramic was even traded as genuine porcelain in Europe. It was named after the state-controlled court manufactory of the Ottoman Empire located on Lake İznik. This centre, which had a monopoly on all Ottoman faience production, drew on patterns from the nakkāş-hāne. The floral pictorial repertoire developed primarily in these court ateliers in the İstanbul Topkapı serail was used to decorate not only plates, bowls, jugs and bottles, but also writing boxes, mosque lamps and textiles. In the period of the heyday of Ottoman artistic creation, the focus of production was on the manufacture of tiles. For the first time in the history of architectural ceramics, serial tiles with repeat patterns were produced alongside hexagonal tiles, as well as self-contained tile paintings that served to accentuate individual parts of rooms in architectural buildings and decorated magnificent buildings, first in Bursa, then in Edirne and İstanbul. These included mosques and madrasas as well as secular buildings, such as hamāms (baths) or the walls of the Topkapı Palace. The famous buildings of Mimar Sinan in particular owe their genuinely unique aesthetic to their radiance, which still characterises Ottoman art today.

    The palette of decoration was determined by tulips, roses, carnations and hyacinths in the so-called hatayi style (i.e. in the Chinese-Turkestan manner) with leaves matching the respective species. They gave the floral splendour the name "four-flower decoration". Composite flowers in combination with foliage ornaments appeared, including the sāz leaf, which was adopted from Persian culture and fused with the Byzantine acanthus leaf.

    The decoration of the present plate follows the style of the master Kara-Memi, pupil and successor of Shāhkulu, who came from Baghdad and worked first in Tabriz and later at the Ottoman court: tulips, roses and carnations sprout from a common leaf goblet. Two fully blossomed red roses in interplay with small blue carnations on curved stems entwine around a centred tulip blossom filled with white dots, which is crowned by a rose growing high above. The rim shows a fivefold repetition of the ornamental reproduction of bubbling water in the form of stylised waves with spiral patterns that break against equally stylised boulders. The outer wall shows alternating pairs of flowers and individual spheres in a variation of the çintamani motif.

    Kara-Memi is credited with a preference for naturalistic-looking, rich flora. For this specifically Islamic naturalism, however, the influence of the Venetian silk weavers who had been producing for the Ottoman court since 1530 should not be underestimated. On the other hand, the floral splendour sprouting from a cluster of leaves and the rim decoration hark back to Chinese blue and white porcelains of the early 15th century that served as tableware at the Sultan's court. In this case, the motifs of the water rushing on the rock and individual spheres in a variation of the çintamani, which became known via the Silk Road, are freely modified according to the Ottoman conception.

    In many respects, the plate is a successful example of the chequered history of cultural transfer, which includes reversals. If enthusiasm for the Ottoman tulip triggered tulpomania at the princely houses of the 17th century, and at the Karlsruhe court Margrave Carl Wilhelm von Baden-Durlach was known for his love of tulips, the so-called "Tears of the Orient" had to be re-imported from Holland to the Ottoman Empire already under Sultan Ahmed III. In nostalgic memory of the tulip era of the Ottoman Empire (1703-1730), İstanbul in turn has been organising tulip festivals since 2004.

    Author: Schoole Mostafawy, Image copyright holder: Badisches Landesmuseum

  • Kettenhemd / Chain mail

    Kettenhemd / Chain mail

    Ein Panzerhemd aus dem Besitz der Zrínyis

    Stahl, Eisen und Kupfer; H. 87 cm, B. 51 cm; Budapest, Ungarisches Nationalmuseum Inv. 57.6352 ‒ osmanisch (İstanbul?), 16. Jahrhundert

    Das Hemd besitzt kurze Ärmel, einen V-förmigen Halsausschnitt und kann vorne komplett geöffnet werden. Seine Kettenpanzerung besteht aus genieteten und feuergeschweißten Ringen, die in Reihen arrangiert sind. Diese Ringe messen zwischen 0,9 und 1,1 cm im Durchmesser und sind aus Eisendraht hergestellt. Sie wurden sorgfältig miteinander verknüpft und an ihren Enden miteinander vernietet. Auf der rechten Brustseite des Panzers können wir eine kupferne tamğa des osmanischen Arsenals in İstanbul erkennen. Das Inventar aus dem Jahr 1692 von Graf Adam Zrínyi erwähnte dieses Kettenhemd im Bestand von Čakovec, wohin es im 17. Jahrhundert wahrscheinlich als Beutestück gelangt war. Mit Adam – dem letzten männlichen Nachfahren – starb bei der siegreichen Schlacht um Slankamen im Jahr 1691 die Linie der ungarischen Ban-Familie Zrínyi aus.

    Autor: Tibor Kovács, Bildrechteinhaber: Ungarisches Nationalmuseum, Budapest

    An armoured shirt from the possession of the Zrínyis

    Steel, iron and copper; h. 87 cm, w. 51 cm; Budapest, Hungarian National Museum Inv. 57.6352 - Ottoman (İstanbul?), 16th century.

    The shirt has short sleeves, a V-shaped neckline and can be opened completely at the front. Its chain armour consists of riveted and fire-welded rings arranged in rows. These rings measure between 0.9 and 1.1 cm in diameter and are made of iron wire. They have been carefully linked and riveted together at their ends. On the right breast side of the armour we can see a copper tamğa from the Ottoman arsenal in İstanbul. The inventory from 1692 of Count Adam Zrínyi mentioned this chain mail in the inventory of Čakovec, where it had probably arrived as loot in the 17th century. With Adam - the last male descendant - the line of the Hungarian Ban family Zrínyi died out at the victorious Battle of Slankamen in 1691.

    Author: Tibor Kovács, Image copyright holder: Hungarian National Museum, Budapest

  • Luntenschlossgewehr / Matchlock rifle

    Luntenschlossgewehr / Matchlock rifle

    Beute aus dem Winterfeldzug 1664?

    1664 Geschenk von Nikolaus VII. Zrínyi an Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen; Lauf: Eisen, geschmiedet, poliert und graviert, Schaft: Holz, geschnitzt, mit Bein eingelegt, Beschläge: Messing; L. (gesamt) 146 cm, L. (Lauf) 110,5 cm, Laufinnendurchmesser 18 mm, Gew. 3513 g; auf dem Lauf die tuǧraförmig gravierte Inschrift „Besitzer İbrahi[m]“; Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Rüstkammer Inv. Y 0315, Inventar der Türkenkammer von 1674, S. 35, Nr. 105–107 – osmanisch, Ende 16. oder 1. Hälfte 17. Jahrhundert

    Nikolaus VII. Zrínyi wurde am 1. Mai 1620 in Čakovec (Kroatien) geboren. In Graz und Wien umfassend ausgebildet, sprach er mehrere Sprachen (u. a. Deutsch und osmanisches Türkisch). Mitten im Dreißigjährigen Krieg begann er seine Offizierslaufbahn und kämpfte im kaiserlichen Dienst gegen die Schweden. 1646 bewährte sich Zrínyi gegen die Osmanen, avancierte zum General und beendete sein Epos Obsidio Szigetiana (Der Fall von Sziget), in dem er die Heldentaten seines 1566 im Krieg gegen Sultan Süleyman I. gefallenen Urgroßvaters besang. Im darauffolgenden Jahr wurde er zum Ban von Kroatien ernannt. 1655 trat Nikolaus Zrínyi an die Spitze der gegen die absolutistischen Bestrebungen der Habsburger gerichteten nationalen Partei Kroatiens. Andauernde Grenzstreitigkeiten mit den Osmanen und die Furcht vor einem massiven Angriff ließen ihn die gegenüber dem osmanischen Kanizsa gelegene Festung Novi Zrin erbauen, obwohl er damit gegen kaiserliche Befehle und den noch geltenden Frieden verstieß. Bereits im darauffolgenden Jahr wurde aus seiner Befürchtung Gewissheit. Im Sommer 1663 eroberte Großwesir Ahmed Köprülü die habsburgische Festung Neuhäusel in der Südslowakei, und es kam zu Plünderungen bis weit in mährisches Gebiet. An der westlichen Flanke des osmanischen Vorstoßes bekämpfte Nikolaus Zrínyi zunächst tatarische Streifscharen, siegte im November über reguläre osmanische Verbände und trieb diese über die Mur zurück. Entgegen der üblichen Kriegsführung und zur Überraschung der Osmanen begann er im Januar 1664 einen Winterfeldzug, in dessen Verlauf seine Truppen die strategisch wichtige Brücke von Osijek zerstörten und Szigetvár einnahmen. Dort starben 98 Jahre zuvor sowohl Zrínyis Urgroßvater als auch Sultan Süleyman I. Im April 1664 begann Zrínyi die Belagerung von Kanizsa, wich aber vor dem osmanischen Entsatzheer zurück und konnte selbst Novi Zrin nicht vor der Zerstörung retten. Von hier aus zog der Großwesir mit seinen Truppen gegen Wien. An der Raab stoppte ihn die kaiserliche Hauptarmee unter Raimondo Graf Montecuccoli. Schließlich kam es am 1. August 1664 zwischen St. Gotthard und Mogersdorf zur Schlacht, in der die überlegenen Osmanen überraschend geschlagen wurden. Nur neun Tage später schlossen beide Kriegsparteien den Frieden von Eisenburg, in dem es Ahmed Köprülü gelang, die Bedingungen trotz der verlorenen Entscheidungsschlacht zu Gunsten der Osmanen zu gestalten. Nikolaus Zrínyi war ein erbitterter Gegner dieses schmachvollen Friedens. Doch ihm blieb nicht viel Zeit, etwas dagegen zu tun. Am 18. November 1664 starb er in Kuršanec bei Čakovec an den Verletzungen, die ihm ein Eber bei der Jagd zugefügt hatte.

    Kurz vor seinem Tod schickte Nikolaus Zrínyi dem Kurfürsten Johann Georg II. von Sachsen drei osmanische Gewehre als Geschenk, bei denen es sich um Beutestücke seines Winterfeldzugs handeln könnte. Während Lauf und Montur des hier gezeigten Stückes den osmanischen Gewehren des 16. Jahrhunderts entsprechen, hat der Schaft eine eher europäische Form. Dennoch sieht er mit den 30 Messingrosetten und dem aus Bein geschnitzten Räumnadelbehälter und dem Kugelkastendeckel nicht wirklich wie die Arbeit eines Europäers aus. Eventuell handelt es sich bei diesem Gewehr um das seltene Beispiel einer Waffe, die von einem osmanischen Meister im europäischen Stil gefertigt wurde.

    Autor: Holger Schuckelt, Bildrechteinhaber: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Rüstkammer

    Spoils from the winter campaign of 1664?

    1664 Gift from Nicholas VII Zrínyi to Elector John George II of Saxony; barrel: iron, forged, polished and engraved, stock: wood, carved, inlaid with bone, fittings: Brass; l. (total) 146 cm, l. (barrel) 110.5 cm, barrel inner diameter 18 mm, weight 3513 g; on the barrel the tuǧra-shaped engraved inscription "Besitzer İbrahi[m]"; Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Rüstkammer Inv. Y 0315, inventory of the Türkenkammer of 1674, p. 35, nos. 105-107 - Ottoman, late 16th or 1st half of 17th century.

    Nicholas VII Zrínyi was born on 1 May 1620 in Čakovec (Croatia). Extensively educated in Graz and Vienna, he spoke several languages (including German and Ottoman Turkish). In the middle of the Thirty Years' War he began his officer's career and fought in the imperial service against the Swedes. In 1646, Zrínyi proved himself against the Ottomans, advanced to general and finished his epic Obsidio Szigetiana (The Fall of Sziget), in which he sang of the heroic deeds of his great-grandfather, who died in 1566 in the war against Sultan Süleyman I. The following year, Zrínyi was promoted to general. The following year he was appointed Ban of Croatia. In 1655, Nicholas Zrínyi became the leader of the Croatian national party, which was opposed to the absolutist aspirations of the Habsburgs. Ongoing border disputes with the Ottomans and the fear of a massive attack led him to build the Novi Zrin fortress opposite the Ottoman Kanizsa, even though he was violating imperial orders and the peace that was still in force. Already in the following year, his fears became certainties. In the summer of 1663, Grand Vizier Ahmed Köprülü conquered the Habsburg fortress of Neuhäusel in southern Slovakia, and looting continued far into Moravian territory. On the western flank of the Ottoman advance, Nicholas Zrínyi initially fought Tartar raiding parties, was victorious over regular Ottoman units in November and drove them back across the Mur. Contrary to the usual warfare and to the surprise of the Ottomans, he began a winter campaign in January 1664, in the course of which his troops destroyed the strategically important bridge at Osijek and captured Szigetvár. There, 98 years earlier, both Zrínyi's great-grandfather and Sultan Süleyman I had died. In April 1664, Zrínyi began the siege of Kanizsa, but retreated before the Ottoman relief army and could not even save Novi Zrin from destruction. From here the Grand Vizier moved with his troops towards Vienna. The main imperial army under Raimondo Count Montecuccoli stopped him at the Raab. Finally, on 1 August 1664, a battle took place between St. Gotthard and Mogersdorf, in which the superior Ottomans were surprisingly defeated. Only nine days later, both warring parties concluded the Peace of Eisenburg, in which Ahmed Köprülü managed to shape the terms in favour of the Ottomans despite the lost decisive battle. Nicholas Zrínyi was a bitter opponent of this ignominious peace. But he did not have much time to do anything about it. On 18 November 1664 he died in Kuršanec near Čakovec from injuries inflicted by a boar while hunting.

    Shortly before his death, Nicholas Zrínyi sent the Elector John George II of Saxony three Ottoman rifles as a gift, which could have been loot from his winter campaign. While the barrel and mount of the piece shown here correspond to the Ottoman rifles of the 16th century, the stock has a more European form. Nevertheless, with the 30 brass rosettes and the broach box carved from bone and the bullet box cover, it does not really look like the work of a European. Possibly this rifle is a rare example of a weapon made by an Ottoman master in the European style.

    Author: Holger Schuckelt, Image copyright holder: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Rüstkammer

  • Yatagan eines Janitscharen / Yatagan of a Janissary

    Yatagan eines Janitscharen / Yatagan of a Janissary

    Die Janitscharen

    Kampfesmut aus ergebener Liebe

    Zu den wohl geheimnisvollsten und widersprüchlichsten Erscheinungen in der Geschichte der islamischen Welt zählen die Janitscharen. Weder das im Verlauf der Zeiten sich zur technischen Vollendung entwickelnde Rüstzeug noch der Feuerwaffengebrauch nach zunehmend europäischem Standard oder die Taktik der Kriegsführung war das entscheidende Kriterium, das das Osmanische Reich zu einem Imperium anwachsen ließ. Allein – so behaupten nicht wenige Historiker – die Institutionalisierung einer effizienten Militärorganisation und die Janitscharen als Elitetruppen der Sultane vermochten den Osmanen zu einem Weltreich zu verhelfen und dieses am Ende ebenso dem Untergang zu weihen. Die Janitscharen übten einen maßgeblichen Einfluss auch auf die eigene Staats- und Kriegsführung aus, weshalb sie bei ihren Gegnern wie bei den osmanischen Machthabern gleichermaßen gefürchtet waren. Zwei Sultane wurden auf ihren Befehl hin getötet, sechs weitere abgesetzt. Blutige Janitscharenaufstände in nicht unbeträchtlicher Zahl gehören folglich zur Geschichte des Osmanischen Reiches. Diese menschlichen Waffen von unerschütterlichem Kampfesmut waren keine „Türken“, die als Muslime geboren worden waren. Vielmehr waren es die Söhne griechischer, kroatischer, bulgarischer, albanischer oder serbischer Bauern, die zunächst als Kriegsgefangene zu osmanischen Soldaten ausgebildet wurden.

    Mit der anwachsenden Zahl der Eroberungszüge, für die zunehmend mehr Krieger benötigt wurden, führten die Osmanen wohl zwischen 1365 und dem ausgehenden 14. Jahrhundert die Institution der „Knabenlese“ (devşirme) ein. In einem ein- bis fünfjährigen Turnus wurden aus jedem 40. Haushalt für den Waffendienst geeignete christlich erzogene Knaben und Jünglinge im Alter von 8 bis 20 Jahren ihren Eltern auf dem Balkan entrissen. Ab 1512 auch aus den Reihen der christlichen Minderheitsbevölkerung aus Anatolien rekrutiert, kam der Janitscharennachwuchs im 17. Jahrhundert jedoch vor allem aus der Ukraine und Südrussland. Üblicherweise zwischen 1000 und 3000, in kriegerischen Zeiten sogar bis zu 12 000 junge Männer waren es, und ihr Ansehen war im Volk so hoch, dass sie im späten 16. Jahrhundert sogar gegen Schmiergeldzahlung von muslimischen Eltern zunehmend um deren Söhne ergänzt wurden. Aus der Heimat verschleppt, wurden sie von Bektaşi-Brüdern gesegnet, zwangsislamisiert und schließlich zu tapferen Kriegern ausgebildet. Als kasernierte Söldner erhielten sie den Titel kul, der ihnen den Status eines Sklaven verlieh und sie in ein Dienstleistungsverhältnis gegenüber dem Sultan stellte.

    Nach ihrer Rekrutierung durchschritten die meisten zunächst für die Dauer von fünf bis sieben Jahren ein hartes Umerziehungstraining. Im Anschluss an diese Sozialisierungs- und Islamisierungsmaßnahmen in anatolischen Bauernfamilien erhielten sie eine sechsjährige militärische Ausbildung, bis sie sich den Rang eines Janitscharen verdienten. Ihren jeweiligen Kompanien zugewiesen, gehörten sie fortan zum Kern des stehenden Zentralaufgebots und damit zu den sogenannten Pfortensklaven (kapukulu ocağı). Unter eiserner Disziplin beugten sie sich dem Zölibat, verfügten über keinen Besitz und bezogen auch kaum Sold. Die Janitscharen lebten ausschließlich für den Krieg. Zu ihren Waffen zählten in der Frühzeit Pfeil und Bogen, später kamen Feuerwaffen hinzu. Im Nahkampf griffen sie zum Säbel, Dolch, Beil oder Wurfspieß und verwendeten den zweifach gekrümmten, einschneidigen Yatagan, der mit charakteristisch gegabelten „Ohren“ am Knauf ausgestattet war. Noch im frühen 20. Jahrhundert zeichneten diese gefürchteten und von den Europäern als „Kopfabschneider“ bezeichneten Säbel Krieger von der Balkanhalbinsel aus.

    Die Intelligentesten unter den Knaben verteilte man gleich nach ihrer Ankunft auf die Palastschulen von Bursa, Edirne und İstanbul, wo sie in die osmanische, arabische und persische Literatur eingeführt wurden. Vermutlich in Zentren ähnlich den heute noch im schiitischen Iran lebendigen und von sufischen Idealen bestimmten zurkhāne (Kraftsporthäusern) erlernten sie das Reiten, Bogenschießen, Gewichtheben sowie Ringen und erhielten musikalischen Unterricht. Selbstdisziplin, Loyalität und der unbedingte Gehorsam galten auch für sie als oberstes Gebot. Eben diese Waffensklaven und persönlichen Leibwächter der Sultane konnten es im Osmanischen Reich zu höchsten Ehren bringen. Sie erklommen die Karriereleiter, besetzten als Bataillonskommandeure oder Offiziere hohe Dienstränge. Im Range eines Oberkommandeurs waren Janitscharen-Ağas ab 1645 sogar einem Wesir gleichgestellt.

    Als Rangabzeichen dienten ihnen gekreuzte Löffel. Vier Löffel kennzeichneten etwa den „Oberstkoch“(aşçı başı), der zusammen mit dem „Obersten Wasserkocher“ (sakka-başı) im Ansehen eines Leutnants dem „Obersten Suppenkoch“ (çorbacı) assistierte. Als weitere Funktionsträger der Truppe traten der „Küchenmeister“ und der „Oberste Küchenjunge“ auf. Im militärischen Rang eines Hauptmanns befüllte der „Oberste Suppenkoch“ auch den Suppenkessel. Inmitten der Zeltgruppe oder im Kasernenhof aufgestellt, gelobten die Janitscharen vor dem eisernen Kessel  den Treueeid. Die Verleihung von hohen Dienstgraden nach Küchenbezeichnungen, der Status des Kochs und die Bedeutung des Kessels erklären sich aus der nomadischen Vergangenheit turkstämmiger Völker, denen der Topf und das Versprechen auf eine tägliche warme Mahlzeit Sinnbild für das Wohlergehen der Sippe und des Stammes war. Entsprechend verehrt wurde der Kessel: Ging er bei der Schlacht verloren, bedeutete dies den Verlust der soldatischen Ehre, wurde er von den Janitscharen selbst umgestoßen, waren Aufruhr und Revolte vorprogrammiert.

    Jenseits ihres Aufstiegs im Militär wurden Janitscharen auch Baumeister und Ingenieure, Ärzte und Wissenschaftler und bekleideten sogar das Amt des Großwesirs selbst. Zweifellos zu den berühmtesten gehören der Baumeister Mimar Sinan und Sokollu Mehmed Paşa, der als Großwesir seiner bosnischen Heimatstadt Višegrad mit einer Brücke ein Denkmal setzte.

    Bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts ging das Eigentum verstorbener Mitglieder auf das Regiment über. Spätestens ab diesem Zeitpunkt begann aber nach und nach auch die Abschaffung des „Knabenzinses“ auf dem Balkan. Nur junge Männer aus den Stämmen der Krimtataren rekrutierten die Osmanen noch bis zur Annexion der Krim im Jahr 1783. Nachweislich schon ab 1568 wurden die Söhne der Janitscharen in die Truppen aufgenommen. Etwa zeitgleich wuchs die Größe des Janitscharenkorps von rund 21 000 auf 45 000 bis zur Wende des Jahrhunderts an. Ab 1582 heirateten die Janitscharen dann offiziell und vererbten ihren Besitz und ihre Ämter an die eigenen Söhne. Mit dem Erscheinen des Gesetzbuchs der Janitscharen im Jahr 1606 ließen sie sich endgültig nieder und gingen einem geregelten Beruf nach, der ihnen viele Jahrzehnte zuvor erst nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst mit Mitte 40 vergönnt gewesen war. Stellten Janitscharen schon unter Sultan Süleyman I. Festungsbesatzungen an den Grenzen des Reiches zur Abwehr feindlicher Einfälle, so schlossen sie sich nun in Zünften zusammen. Unter ihnen fanden sich Handwerker und Kaufleute, die enge Verbindungen zu dem Konvent der Derwische unterhielten. Die deutlichen Anzeichen eines steten Machtzuwachses um die Wende zum 17. Jahrhundert sowie die damit einhergehende persönliche Gefahr für den Sultan wurden spätestens zu diesem Zeitpunkt greifbar.

    Die Praxis der Waffensklaven und „ausländischen“ Leibgarden von ursprünglich anderer Religion führten nicht die Osmanen ein. Sie blickt auf eine lange Tradition in der islamischen Welt zurück, die einer sich stets wiederholenden Entwicklung mit ungünstigem Ausgang für die Herrschenden zu folgen scheint. Ihre Anfänge lassen sich bis an den Hof der Abbasiden (750–1258) nach Bagdad zurückverfolgen. Kein Geringerer als der Kalif Hārūn ar-Raschīd misstraute als Erster seiner direkten Umgebung aus Söhnen arabischer Stammesfürsten. Auf seinen Befehl hin stellten Perser anstelle von Arabern seine persönliche Leibgarde, deren Mitglieder zu den höchsten militärischen Rängen aufsteigen konnten. Seine über hunderttausend Mann starke persische Leibwache sollte ihm und seinen Nachfolgern dauerhaft die Macht sichern. Nach dem Tod seiner beiden Söhne übernahm Kalif al-Mu‘tasim die Regentschaft, fürchtete aber die Perser, die im Hintergrund über mächtige Familien verfügten und sich nur ungern von arabischen Eroberern beherrschen ließen. Die Lösung fand er in den Knaben der turksprachigen Nomadenstämme, die sich als Kriegsgefangene freiwillig zum Islam bekehren und, geblendet von der Pracht seiner Stadt, leicht nach den Wünschen des mächtigen Herrschers formen ließen. Wie die späteren Janitscharen den Sultan als ihren einzigen Vater verehrten, kannten sie nur die Bindung an den Kalifen. Auch sie trugen stolz den Sklaventitel mamluk, erklommen die höchsten Ämter bis zum Großwesir und wurden bald zur geheimen Macht im Reich, die schließlich den Untergang der Abbasidenherrschaft in Bagdad besiegelte. Das in Folge gegründete Ersatzkalifat in Kairo übernahmen eben jene Mamluken: Waffensklaven turkstämmiger oder tscherkessischer Herkunft, die zunächst zum Statthalter, dann zum Emir aufstiegen und schließlich bis 1517 als Sultan auf dem Thron saßen. In Gestalt der Ilbari-Türken (1206–1290) herrschten die Mamluken in Indien. Erneut waren es Kinder, die durch die Knabenlese regelmäßig ihren Familien entrissen wurden, sich diesmal vom Hinduismus lossagen mussten und zu Muslimen zwangskonvertiert wurden. Einmal zum Islam übergetreten und damit nach islamischem Verständnis frei, standen auch diesen tshela genannten Elitesklaven Ämter vom Range eines Generals bis zum hohen Minister offen. Nicht viel anders erging es den persischstämmigen Samaniden (819–1005), deren Militärsklaven (ghulām) sich nach ihnen zu der Sklavendynastie der Ghaznawiden (977–1186) erhoben.

    Bei der Gründung des Janitscharenkorps (yeni çeri; dt.: „neue Truppe“) folgten die Osmanen demnach einem alten Brauch, der bis in die Antike zurückreicht. Erinnert sei etwa an die skythischen Staatssklaven in Athen, die germanischen Leibgarden der julisch-claudischen Kaiser oder die Wikinger- bzw. Warägergarde der byzantinischen Kaiser. Auch im europäischen Raum wurde die Einrichtung fremder Spezialeinheiten beispielsweise mit der Kroatenleibgarde des Kurfürsten Johann Georg II. von Sachsen weitergeführt. Die ab dem 14. Jahrhundert an nahezu allen europäischen Höfen aufgestellten Schweizergarden sind heute noch als Päpstliche Garde für die Sicherheit im Vatikan verantwortlich.

    Oft wurden die Janitscharen mit den Tempelrittern verglichen und als fanatisch bezeichnet. Ihr Kampfgeist und ihr unerbittlicher Krieg gegen die „Ungläubigen“, der Stellenwert des Todes und der unerschütterliche Glaube, nach dem Märtyrertod direkt ins Paradies einzugehen, erinnern an moderne Bewegungen, etwa heutige al-Qaida-Gruppierungen oder IS-Kämpfer. Dieses Phänomen lässt sich nicht nur mit der ideologischen Indoktrination junger Menschen, dem soziologischen Effekt der Elitenbildung oder der fanatischen Besessenheit arabischer Glaubenskrieger erklären. Vielmehr verweist die spezifische Art des Fanatismus auf bestimmte Weltanschauungen des streng hierarchisch geregelten Sufi-Milieus, deren Pirs oder Scheichs als Ordensmeister Erfahrung in der Organisation großer Menschenmengen und ihrer Ausrichtung auf ein bestimmtes religiöses Ziel hatten. Die künftigen Janitscharen wurden einem solchen Meister der sufischen Bektaşi in Obhut gegeben, der ihnen als Imam auch nach ihrer Zuteilung zu den Regimentern zur Seite stand.

    Noch heute bestimmen architektonische Überreste aus dem osmanischen Erbe das Erscheinungsbild jener Staaten, die einst zu Rūm-ili und damit zum europäischen Teil des Osmanischen Reiches gehörten. Neben den üblichen, für islamische Städte charakteristischen Bauwerken prägen in Südosteuropa besonders drei markante Architekturen das Stadtbild: Uhrtürme, Brücken und tekke, die als Zentrum und Versammlungsort der Sufi-Bruderschaften dienten. In diesen Konventen finden zum Teil heute noch dhikr-Zeremonien, das semâ-Ritual mit dem kreisenden Reigen der Derwische und das rituelle Gebet statt.

    Doch wer waren diese liebenden Glaubensbrüder, deren Wurzeln sich bis in die sufische Poesie des 8. Jahrhunderts zurückverfolgen lassen? Unter den zahlreichen Sufi-Bruderschaften, die in der islamischen Welt im 13. Jahrhundert beinahe zeitgleich mit den christlichen Bettelordensgemeinschaften entstanden, fasziniert im Westen vor allem der Mevlevi-Orden mit seinen tanzenden Derwischen. Weniger bekannt ist der alevitische Derwischorden der Bektaşi, dessen Bezeichnung auf den wohl 1270 verstorbenen Mystiker Hacı Bektaş-ı Veli aus Chorāsān zurückgeht. Der Orden, der sich ab dem 14. Jahrhundert besonders auf dem Balkan, im osmanisch besetzten Teil von Ungarn und in Siebenbürgen ausbreitete, verlor mit dem Fall der Janitscharen 1826 an Macht, wurde von der Orthodoxie abgelehnt, unter Mustafa Kemal Atatürk 1925 in der Türkei verboten und auf dem Balkan unter der kommunistischen Diktatur fast vollständig ausgerottet. Heute finden sich die meisten seiner Anhänger wieder in Südosteuropa, vor allem in Albanien. In Tirana liegt auch das Zentrum der Bruderschaft, deren Oberhaupt und geistlicher Führer Dede seinen Jüngern die alten sufischen Ideale wie Liebe, „Entwerden“ und das Gottgedenken vorlebt. In kontemplativer Hingabe öffnen sich die Gläubigen den Zeremonien des cem und versetzen sich in Begleitung des sāz-Instrumentes durch Gesang, Musik und Rezitation von Hymnen und Heldensagen in eine mystische Stimmung, deren Ziel das Selbstvergessen, das Aufgehen in die Glaubensgemeinschaft und das Eins-Sein mit Gott sind. Wie bei den Mevlevi-Orden stellt semâ den rituellen Tanz des Bektaşi-Ordens dar, der als physisch-geistiger Ausdruck der ewigen Wiederkehr der Schöpfung gilt.

    Die Bektaşi gehören zu den wenigen sufischen Ordensgemeinschaften nichtsunnitischer Prägung. Als Auffangbecken für verschiedene religiöse Strömungen waren sie überaus geeignet, die ursprünglich christlich erzogenen Janitscharen in sich aufzunehmen. Ohne zu einer rein schiitischen Bewegung zu werden, ist ihre geistige Nähe zu jener der Gedankenwelt der Schia und der ihnen nahestehenden Bruderschaft der Hurufis mit ihren kalligraphischen Bildern von Ali, Hasan und Hussein unübersehbar. Eingeflossen sind in den Bektaşi-Orden neben kurdisch-jesidischen und buddhistischen Strömungen vor allem auch christliche Einflüsse mit Elementen wie dem sakramentalen Mahl aus Brot und Wein. Der Glaube an die Trinität aus Gott, dem Propheten Muhammed und Imam Ali als seinem nach schiitischem Glauben rechtmäßigen Nachfolger untermauern diese Theorie. In diesen Gemeinschaften konnten die Gläubigen jene undogmatische, emotionale Religiosität leben, für die der orthodoxe Islam keinen Raum kannte. Den Ruf eines unzumutbaren Libertinismus mussten sich die Bektaşi schon früh gefallen lassen, weil sie Wein tranken, angeblich Schwein aßen und Frauen den Zutritt zu den Zeremonien erlaubten. Hinweise wie die Nähe der Zünfte zu den Derwischen und eindeutige Symbole wie das legendäre doppelklingige Schwert Zülfikar von Imam Ali auf überlieferten Fahnen oder Blankwaffen, Trinksprüche auf Flaschen, der Gebrauch bestimmter Musikinstrumente wie die Rahmentrommel oder die Handpauke, die spezifische Janitscharenmusik oder die Praktiken ihrer Körperertüchtigung lassen keinen Zweifel aufkommen: Die als fanatisch bezeichneten Krieger Allahs wären ohne die Bektaşi, ohne deren Gedankenwelt des mystischen Sufismus schiitischer Ausprägung und ihre Essenz aus dem Dogmatismus verschiedener Religionen nicht zu den allseits gefürchteten Janitscharen geworden, deren einstige Rekrutierung heute noch auf dem Balkan wie kaum ein anderes Phänomen für das „Türkenjoch“ steht.

    Autorin: Schoole Mostafawy, Bildrechteinhaber: Badisches Landesmuseum

    The Janissaries

    Battle courage out of devoted love

    The Janissaries are probably one of the most mysterious and contradictory phenomena in the history of the Islamic world. Neither the technical perfection of the armoury, nor the use of firearms according to increasingly European standards, nor the tactics of warfare were the decisive criteria that made the Ottoman Empire grow into an empire. Only the institutionalisation of an efficient military organisation and the Janissaries as the sultans' elite troops were able to help the Ottomans to create a world empire and, in the end, to doom it. The Janissaries also exerted a decisive influence on their own statecraft and warfare, which is why they were feared by their opponents and the Ottoman rulers alike. Two sultans were killed on their orders, six others deposed. Bloody Janissary uprisings in not inconsiderable numbers are thus part of the history of the Ottoman Empire. These human weapons of unwavering fighting courage were not "Turks" who had been born Muslims. Rather, they were the sons of Greek, Croatian, Bulgarian, Albanian or Serbian peasants who were initially trained as prisoners of war to become Ottoman soldiers.

    With the growing number of conquests, for which more and more warriors were needed, the Ottomans introduced the institution of the "boy selection" (devşirme) probably between 1365 and the end of the 14th century. In a one-to-five-year cycle, Christian boys and youths between the ages of 8 and 20 suitable for military service were taken from every 40 households from their parents in the Balkans. From 1512 onwards also recruited from the ranks of the Christian minority population from Anatolia, the Janissary offspring in the 17th century, however, came mainly from the Ukraine and southern Russia. There were usually between 1,000 and 3,000, in warlike times even up to 12,000 young men, and their reputation was so high among the people that in the late 16th century they were increasingly supplemented by Muslim parents even in return for bribes from their sons. Abducted from their homeland, they were blessed by Bektaşi brothers, forcibly Islamised and eventually trained as brave warriors. As barracked mercenaries, they were given the title kul, which gave them the status of slaves and placed them in a service relationship with the sultan.

    After their recruitment, most of them first underwent harsh re-education training for a period of five to seven years. Following this socialisation and Islamisation in Anatolian peasant families, they received six years of military training until they earned the rank of janissary. Assigned to their respective companies, they henceforth belonged to the core of the standing central contingent and thus to the so-called gate slaves (kapukulu ocağı). Under iron discipline, they submitted to celibacy, had no property and hardly received any pay. The Janissaries lived exclusively for war. Their weapons included bows and arrows in the early days, and later firearms. In close combat, they used sabres, daggers, axes or throwing spears and the double-curved, single-edged yatagan with its characteristic forked "ears" on the pommel. Even in the early 20th century, these feared sabres, called "head cutters" by Europeans, distinguished warriors from the Balkan Peninsula.

    The most intelligent among the boys were distributed to the palace schools of Bursa, Edirne and İstanbul immediately after their arrival, where they were introduced to Ottoman, Arabic and Persian literature. Presumably in centres similar to the zurkhāne (houses of strength) still alive today in Shiite Iran and governed by Sufi ideals, they learned horseback riding, archery, weightlifting as well as wrestling and received musical instruction. Self-discipline, loyalty and unconditional obedience were also the highest commandments for them. It was precisely these weapon slaves and personal bodyguards of the sultans who were able to achieve the highest honours in the Ottoman Empire. They climbed the career ladder, occupying high ranks as battalion commanders or officers. From 1645 onwards, Janissary Ağas were even equal to a vizier in the rank of commander-in-chief.

    They used crossed spoons as insignia of rank. Four spoons marked the "chief cook" (aşçı başı), who together with the "chief water cook" (sakka-başı) assisted the "chief soup cook" (çorbacı) with the rank of a lieutenant. Other functionaries of the troops were the "kitchen master" and the "chief kitchen boy". With the military rank of captain, the "chief soup cook" also filled the soup kettle. Placed in the middle of the tent group or in the barrack yard, the Janissaries pledged the oath of allegiance in front of the iron kettle. The awarding of high ranks according to kitchen designations, the status of the cook and the significance of the kettle can be explained by the nomadic past of Turkic peoples, for whom the pot and the promise of a daily hot meal were symbols of the well-being of the clan and the tribe. The cauldron was revered accordingly: if it was lost in battle, this meant the loss of soldierly honour; if it was knocked over by the janissaries themselves, rebellion and revolt were pre-programmed.

    Beyond their rise in the military, janissaries also became builders and engineers, doctors and scientists, and even held the office of grand vizier themselves. Undoubtedly among the most famous are the master builder Mimar Sinan and Sokollu Mehmed Paşa, who, as grand vizier, memorialised his Bosnian hometown of Višegrad with a bridge.

    Until the second half of the 16th century, the property of deceased members passed to the regiment. From this time at the latest, however, the abolition of the "boy's interest" also gradually began in the Balkans. Only young men from the Crimean Tatar tribes were still recruited by the Ottomans until the annexation of Crimea in 1783. Evidence shows that the sons of the Janissaries were accepted into the troops as early as 1568. At about the same time, the size of the Janissary corps grew from around 21,000 to 45,000 by the turn of the century. From 1582 onwards, the janissaries then officially married and bequeathed their property and offices to their own sons. With the publication of the Janissary Code in 1606, they finally settled down and took up a regular profession, which for many decades before they had only been able to do after leaving active service in their mid-40s. Under Sultan Suleyman I, the janissaries had already provided fortress crews at the borders of the empire to defend against enemy invasions, but now they joined together in guilds. Among them were craftsmen and merchants who maintained close ties with the convent of the dervishes. The clear signs of a steady increase in power at the turn of the 17th century, as well as the accompanying personal danger to the sultan, became tangible at this point at the latest.

    The practice of gun slaves and "foreign" bodyguards of originally different religion was not introduced by the Ottomans. It looks back on a long tradition in the Islamic world that seems to follow a repetitive development with an unfavourable outcome for the rulers. Its beginnings can be traced back to the court of the Abbasids (750-1258) in Baghdad. None other than the Caliph Hārūn ar-Raschīd was the first to distrust his immediate entourage of sons of Arab chieftains. On his orders, Persians instead of Arabs provided his personal bodyguard, whose members could rise to the highest military ranks. His Persian bodyguard, over a hundred thousand strong, was to ensure lasting power for him and his successors. After the death of his two sons, Caliph al-Mu'tasim took over the regency, but feared the Persians, who had powerful families in the background and were reluctant to be ruled by Arab conquerors. He found the solution in the boys of the Turkic-speaking nomadic tribes who, as prisoners of war, voluntarily converted to Islam and, dazzled by the splendour of his city, were easily moulded to the wishes of the powerful ruler. Just as the later Janissaries revered the Sultan as their only father, they knew only the bond with the Caliph. They too proudly wore the slave title mamluk, climbed to the highest offices up to grand vizier and soon became the secret power in the empire that finally sealed the downfall of Abbasid rule in Baghdad. The replacement caliphate that was subsequently founded in Cairo was taken over by those same Mamlukes: weapons slaves of Turkic or Circassian origin who rose first to governor, then to emir and finally sat on the throne as sultan until 1517. In the shape of the Ilbari Turks (1206-1290), the Mamluks ruled India. Once again, it was children who were regularly snatched from their families by the boy selection, this time having to renounce Hinduism and forcibly converted to Muslims. Once they had converted to Islam and were thus free according to Islamic understanding, these elite slaves, called tshela, also had access to offices ranging from the rank of general to high minister. The situation was not much different for the Persian Samanids (819-1005), whose military slaves (ghulām) rose after them to become the slave dynasty of the Ghaznavids (977-1186).

    In founding the Janissary Corps (yeni çeri; Engl.: "new troops"), the Ottomans followed an old custom that goes back to antiquity. The Scythian state slaves in Athens, the Germanic bodyguards of the Julio-Claudian emperors or the Viking or Varangian guards of the Byzantine emperors are all worthy of mention. The establishment of foreign special units also continued in Europe, for example with the Croatian bodyguard of Elector Johann Georg II of Saxony. The Swiss Guards, which were established at almost all European courts from the 14th century onwards, are still responsible for security at the Vatican today as the Papal Guard.

    The Janissaries were often compared to the Knights Templar and described as fanatical. Their fighting spirit and their relentless war against the "infidels", the importance of death and the unshakeable belief that after martyrdom they would go straight to paradise are reminiscent of modern movements, such as today's al-Qaida groups or IS fighters. This phenomenon cannot only be explained by the ideological indoctrination of young people, the sociological effect of elite formation or the fanatical obsession of Arab religious warriors. Rather, the specific type of fanaticism refers to certain world views of the strictly hierarchically regulated Sufi milieu, whose Pirs or Sheikhs, as masters of the order, had experience in organising large crowds and directing them towards a specific religious goal. The future janissaries were placed in the care of such a master of the Sufi Bektaşi, who stood by them as imam even after their assignment to the regiments.

    Even today, architectural remains from the Ottoman heritage determine the appearance of those states that once belonged to Rūm-ili and thus to the European part of the Ottoman Empire. In addition to the usual buildings characteristic of Islamic cities, three striking architectural features in particular characterise the cityscape in Southeast Europe: clock towers, bridges and tekke, which served as the centre and meeting place of the Sufi brotherhoods. In some cases, dhikr ceremonies, the semâ ritual with the circling round of dervishes and ritual prayer still take place in these convents today.

    But who were these loving brothers in faith whose roots can be traced back to the Sufi poetry of the 8th century? Among the numerous Sufi brotherhoods that emerged in the Islamic world in the 13th century almost simultaneously with the Christian mendicant communities, the Mevlevi order with its dancing dervishes is particularly fascinating in the West. Less well-known is the Alevi dervish order of the Bektaşi, whose name goes back to the mystic Hacı Bektaş-ı Veli from Chorāsān, who probably died in 1270. The order, which spread from the 14th century onwards, especially in the Balkans, in the Ottoman-occupied part of Hungary and in Transylvania, lost power with the fall of the Janissaries in 1826, was rejected by Orthodoxy, banned in Turkey under Mustafa Kemal Atatürk in 1925 and almost completely eradicated in the Balkans under the communist dictatorship. Today, most of its followers can be found again in Southeast Europe, especially in Albania. Tirana is also the centre of the Brotherhood, whose leader and spiritual guide, Dede, instils in his disciples the old Sufi ideals such as love, "coming out of the closet" and thinking of God. In contemplative devotion, the believers open themselves to the ceremonies of the cem and, accompanied by the sāz instrument, put themselves in a mystical mood through song, music and the recitation of hymns and heroic sagas, the goal of which is self-forgetfulness, absorption in the community of faith and oneness with God. As with the Mevlevi orders, semâ represents the ritual dance of the Bektaşi order, which is considered the physical-spiritual expression of the eternal return of creation.

    The Bektaşi are one of the few non-Sunni Sufi religious communities. As a catchment basin for various religious currents, they were eminently suited to absorb the originally Christian-educated Janissaries. Without becoming a purely Shiite movement, their spiritual closeness to that of the Shiite world of thought and the Hurufi brotherhood close to them, with its calligraphic images of Ali, Hasan and Hussein, is unmistakable. In addition to Kurdish-Jesidic and Buddhist currents, the Bektaşi Order is also influenced by Christian elements such as the sacramental meal of bread and wine. The belief in the Trinity of God, the Prophet Muhammad and Imam Ali as his rightful successor according to Shiite belief underpins this theory. In these communities, the faithful could live the undogmatic, emotional religiosity for which orthodox Islam knew no room. The Bektaşi had to put up with the reputation of unreasonable libertinism early on because they drank wine, allegedly ate pig and allowed women to enter the ceremonies. Clues such as the proximity of the guilds to the dervishes and clear symbols such as the legendary double-bladed sword Zülfikar of Imam Ali on surviving flags or blank weapons, toasts on bottles, the use of certain musical instruments such as the frame drum or the hand kettledrum, the specific janissary music or the practices of their physical training leave no room for doubt: Without the Bektaşi, without their world of thought of mystical Sufism of the Shiite variety and their essence of the dogmatism of various religions, the warriors of Allah described as fanatical would not have become the universally feared Janissaries, whose former recruitment still stands for the "Turkish yoke" in the Balkans today like hardly any other phenomenon.

    Author: Schoole Mostafawy, Image copyright holder: Badisches Landesmuseum

  • Rossschweiffragmente und Teile eines Briefes / Horse tail fragments and parts of a letter

    Rossschweiffragmente und Teile eines Briefes / Horse tail fragments and parts of a letter

    Ein Rossschweif mit einer persönlichen Botschaft

    Schaftfragmente: Holz bemalt, Schweif und Geflecht: Rosshaar gefärbt, Brief: Papier und Tinte; L. (Fragment Y 0264 inkl. Behang) ca. 85 cm, L. (Fragment Y 0265.02) ca. 102 cm, Briefteile 22,3 x 6,9 cm und 8,1 x 6,9 cm; Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Rüstkammer Inv. Y 0264 und Y 0265.02-04, Inventar der Türkenkammer von 1674, S. 20, Nr. 47/48 – osmanisch, 2. Hälfte 17. Jahrhundert bzw. nach dem 4. Oktober 1691

    Rossschweife waren Rangabzeichen hoher osmanischer Würdenträger, die je nach Stellung in unterschiedlicher Zahl verliehen wurden. So führten der Sultan sechs bis neun, der Großwesir fünf und Aǧas der Janitscharen sowie ranghohe Paşas zwei bis drei Rossschweife. Ebenfalls zwei Rossschweife erhielten die Gouverneure von Anatolien und Rumelien sowie die Woiwoden der Moldau und der Walachei. Den Gouverneuren kleinerer Provinzen stand lediglich ein Rossschweif zu. Bei diesen Rangabzeichen handelt es sich um eine Holzstange mit einem geflochtenen Überzug sowie daran befestigten Büscheln aus gefärbtem Pferdehaar. Während die Rossschweife bei Aufzügen den jeweiligen Personen vorangetragen wurden, stellte man sie im Feldlager vor den Zelten der Würdenträger auf. Sie waren außerdem fester Bestandteil des militärischen Zeremoniells. Zum Beispiel wurden sie beim Ausrufen eines Krieges vor dem Palast des Sultans ausgesteckt. Neben Fahnen gehörten Rossschweife zu den beliebtesten Beutestücken christlicher Feldherren.

    In der Türckischen Cammer der Kurfürsten von Sachsen wurden ursprünglich drei komplette Rossschweife verwahrt, von denen sich infolge des Zweiten Weltkriegs aber nur Einzelteile erhalten haben. Ein erster Hinweis auf die Existenz von zwei Rossschweifen findet sich im Inventar von 1674. Demnach gelangte einer als Beute aus dem Türkenkrieg von 1663/64 in den Besitz des Obristleutnants Hans Heinrich Kuffer, der den Rossschweif später dem Kurfürsten Johann Georg II. von Sachsen zum Geschenk machte. Die entscheidende Schlacht des gesamten Krieges wurde am 1. August 1664 bei St. Gotthard/Mogersdorf ausgetragen. Leider ist nicht überliefert, ob der Rossschweif in dieser oder einer anderen Schlacht des Krieges erbeutet wurde. Für das zweite Exemplar wurde dem Inventareintrag von 1674 ein wieder gestrichener Randvermerk hinzugefügt, wonach dieser Rossschweif im Januar 1675 in die Sammlung gelangte. In den späteren Inventaren wurde dieser zusammen mit einer Fahne (s. Seite #, Kat. #) beschrieben und beiden die Bemerkung hinzugefügt, dass dies im Januar 1675 ein Geschenk des Kammerherrn und Kapitänleutnants Johann Bartholomäus Baratini von Kieselstein war – ohne dass aber zweifelsfrei gesagt werden kann, ob sich dieser Eintrag auf beide Stücke oder nur auf die Fahne bezieht. Zu welchem dieser beiden Rossschweife das obere der ausgestellten Fragmente gehörte, kann momentan nicht gesagt werden.

    Der dritte Rossschweif, von dem das untere Fragment stammt, kann erst nach dem Oktober 1691 entstanden sein – sodass sich keiner der beiden Inventareinträge auf diesen Rossschweif bezieht. Als Unterfütterung des farbigen Rosshaargeflechts fanden sich Fragmente des Briefes eines Mehmed Aǧa an seinen Schwager vom 4. Oktober 1691. In diesem Schreiben, welches aufgrund seines privaten Charakters eine Besonderheit darstellt, berichtete jener Mehmed Aǧa zunächst über sein persönliches Befinden und das seiner Eltern sowie darüber, dass er bereits sechs Briefe an seinen Schwager geschickt hatte. Am Ende des Briefes dreht es sich um Geldfragen und einen Aǧa der Sipahi, das heißt einen Kommandeur der schweren Kavallerie der Pfortentruppen oder der aus Militärpfründnern rekrutierten Provinztruppen der Osmanen. Der genaue Zusammenhang lässt sich jedoch aufgrund des fragmentarischen Zustandes des Briefes nicht erschließen.

    Autor: Holger Schuckelt, Bildrechteinhaber: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Rüstkammer

    A horse tail with a personal message

    Shaft fragments: Painted wood, tail and braid: horsehair dyed, letter: paper and ink; l. (fragment Y 0264 incl. hangings) ca. 85 cm, l. (fragment Y 0265.02) ca. 102 cm, letter parts 22.3 x 6.9 cm and 8.1 x 6.9 cm; Dresden, State Art Collections, Armoury Inv. Y 0264 and Y 0265.02-04, Inventory of the Turkish Chamber of 1674, p. 20, no. 47/48 - Ottoman, 2nd half of the 17th century or after 4 October 1691

    Horse tails were insignia of rank of high Ottoman dignitaries, which were awarded in varying numbers depending on their position. The sultan had six to nine horse tails, the grand vizier five, and the Aǧas of the janissaries and high-ranking Paşas two to three. The governors of Anatolia and Rumelia and the voivodes of Moldavia and Wallachia also received two horse tails. The governors of smaller provinces were only entitled to one horse's tail. These insignia of rank were a wooden pole with a plaited covering and tufts of dyed horsehair attached to it. While the horse tails were carried in front of the respective persons during parades, they were placed in front of the tents of the dignitaries in the field camp. They were also an integral part of military ceremonial. For example, they were put out in front of the sultan's palace when a war was declared. Along with flags, horse tails were among the most popular booty of Christian commanders.

    Originally, three complete horse tails were kept in the Turkish Chamber of the Electors of Saxony, but only individual parts of them have survived as a result of the Second World War. The first indication of the existence of two horse tails is found in the inventory of 1674, according to which one came into the possession of Lieutenant Colonel Hans Heinrich Kuffer as booty from the Turkish War of 1663/64, who later presented the horse tail as a gift to Elector Johann Georg II of Saxony. The decisive battle of the entire war was fought on 1 August 1664 near St. Gotthard/Mogersdorf. Unfortunately, it is not known whether the horse's tail was captured in this or another battle of the war. For the second specimen, a marginal note was added to the inventory entry of 1674, again deleted, according to which this horse tail entered the collection in January 1675. In the later inventories, it was described together with a flag (see page #, cat. #) and the remark was added to both that this was a gift from the chamberlain and captain's lieutenant Johann Bartholomäus Baratini von Kieselstein in January 1675 - without, however, being able to say beyond doubt whether this entry refers to both pieces or only to the flag. To which of these two horse tails the upper of the exhibited fragments belonged cannot be said at the moment.

    The third horse tail, from which the lower fragment comes, can only have been made after October 1691 - so that neither of the two inventory entries refers to this horse tail. The coloured horsehair braid was underpinned by fragments of a letter written by Mehmed Aǧa to his brother-in-law on 4 October 1691. In this letter, which is special because of its private character, Mehmed Aǧa first reports on his personal condition and that of his parents, and that he had already sent six letters to his brother-in-law. At the end of the letter, it revolves around money matters and an Aǧa of the Sipahi, that is, a commander of the heavy cavalry of the gate troops or the provincial troops of the Ottomans recruited from military fathers. However, the exact context cannot be deduced due to the fragmentary state of the letter.

    Author: Holger Schuckelt, Image copyright holder: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Rüstkammer

  • Kessel / Boiler

    Kessel / Boiler

    Ein Kochutensil von symbolischer Kraft

    Kupfer getrieben, genietet und teils graviert; B. 94 cm, H. 57 cm, Öffnung: 65 x 79 cm; auf dem Kesselrand eine nicht entzifferte Inschrift; Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Rüstkammer Inv. Y 0272, seit 1845 in der Dresdener Rüstkammer, Inventar des Türkischen Zeltes von 1838, Blatt 81, Nr. 364 (Nachtrag) – osmanisch, 17. oder 18. Jahrhundert

    Die Palastküche des Topkapı Sarayı in İstanbul zieren noch heute mehrere große Kupferkessel. Ein nahezu identischer Kessel gelangte auf Umwegen in die königlich-sächsische Saigerhütte in Olbernhau-Grünthal und von dort 1845 in die Dresdener Rüstkammer, ohne dass aber bekannt ist, woher dieser ursprünglich stammte und wie er letztendlich nach Sachsen gelangte.

    Der aus drei Teilen zusammengenietete Kessel hat eine bauchige Form und ist an seiner Öffnung stark deformiert. An der Seite weist er viermal je zwei breite Bänder in vertikaler Richtung auf, an denen vier schwere Henkel befestigt sind. Auf dem nach außen umgebogenen, oberen Rand des Kessels befindet sich eine bisher nicht entzifferte Inschrift, die im Inventar von 1838 als „armenisch“ bezeichnet wurde.

    Derartige Kessel spielten bei den Janitscharen, der Eliteinfanterie der Osmanen, eine bedeutende Rolle. Diese waren direkt dem Sultan unterstellt und in der Hauptstadt in dessen unmittelbarer Nähe stationiert. Fester Bestandteil des höfischen Zeremoniells der Osmanen war die öffentliche Speisung der Janitscharen, beispielsweise beim Empfang von Gesandten. Selbst zwischen den militärischen Rängen der Janitscharen und deren repräsentativer Versorgung bestand ein enges Verhältnis in Form von Dienstgraden oder Amtsbezeichnungen, die von Küchenfunktionen abgeleitet waren. Zentrales und hochverehrtes Truppensymbol sowie zeremonieller Mittelpunkt einer jeden Janitschareneinheit unter dem Kommando eines çorbacı (d.h. „Suppenmeister“) im Rang eines Hauptmanns war der Kochkessel. Jede Einheit besaß ihren eigenen Kessel, der den Janitscharen bei festlichen Anlässen vorangetragen wurde. Der Treueschwur der neuen Janitscharen fand um den Kessel ihrer Einheit statt, und dessen Verlust im Kampf galt als größte Schmach. Als Zeichen ihrer Unzufriedenheit und des Aufruhrs verweigerten die Janitscharen die Annahme des Essens oder stürzten ihre Kessel demonstrativ in aller Öffentlichkeit um.

    Autor: Holger Schuckelt, Bildrechteinhaber: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Rüstkammer

    A cooking utensil of symbolic power

    Copper chased, riveted and partly engraved; w. 94 cm, h. 57 cm, opening: 65 x 79 cm; an undeciphered inscription on the rim of the cauldron; Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Rüstkammer Inv. Y 0272, since 1845 in the Dresden Rüstkammer, inventory of the Turkish Tent of 1838, sheet 81, no. 364 (addendum) - Ottoman, 17th or 18th century.

    The palace kitchen of the Topkapı Sarayı in İstanbul is still adorned with several large copper cauldrons. An almost identical cauldron found its way in a roundabout way to the Royal Saxon Saigerhütte in Olbernhau-Grünthal and from there to the Dresden Armoury in 1845, but it is not known where it originally came from and how it finally reached Saxony.

    The cauldron, riveted together from three parts, has a bulbous shape and is strongly deformed at its opening. On the side it has four times two wide bands in a vertical direction, to which four heavy handles are attached. On the outwardly curved upper rim of the cauldron is an inscription that has not yet been deciphered, which was described as "Armenian" in the inventory of 1838.

    Such cauldrons played an important role in the Janissaries, the elite infantry of the Ottomans. These were directly subordinate to the Sultan and stationed in the capital in his immediate vicinity. A fixed part of the Ottoman court ceremonial was the public feeding of the janissaries, for example when receiving envoys. Even between the military ranks of the janissaries and their representative provisioning there was a close relationship in the form of ranks or official titles derived from kitchen functions. The central and highly revered troop symbol, as well as the ceremonial focus of every Janissary unit under the command of a çorbacı (i.e. "soup master") with the rank of captain, was the cooking kettle. Each unit had its own cauldron, which was carried in front of the janissaries on festive occasions. The oath of allegiance of the new janissaries took place around their unit's cauldron, and its loss in battle was considered the greatest disgrace. As a sign of their discontent and rebellion, the janissaries refused to accept the meal or demonstratively overturned their cauldrons in public.

    Author: Holger Schuckelt, Image copyright holder: Dresden State Art Collections, Armoury

  • Kürbisflasche / Pumpkin bottle

    Kürbisflasche / Pumpkin bottle

    Das Gegengift gegen Ärger

    Kalebassefrucht, Seide, z.T. gefärbtes, eingeschnittenes Dekor; H. 16,8 cm, Dm. 11 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. D 234. – osmanisch, 17. Jahrhundert

    Der schon seit Urzeiten in vielen Kulturen bekannte Kürbis zählt zu den weltweit ältesten Kulturpflanzen. Die Menschen erkannten, dass man bestimmte Früchte, wie hier die Kalebasse, besser bekannt als „Flaschenkürbis“, nach dem Aushöhlen und Trocknen sehr gut als Hohlgefäß gebrauchen kann, überwiegend zur Aufbewahrung und zum Transport von Flüssigkeiten, aber auch als Resonanzkörper von Musikinstrumenten. In südlichen Ländern ist dieser Brauch noch heute weit verbreitet.

    Um einen solchen Kürbis handelt es sich bei der Flasche aus dem Bestand der Karlsruher Türkenbeute, in dessen Laibungen ein mit hellroter und dunkelgrüner Farbe gefärbter Dekor eingeschnitten ist. Oben auf dem Flaschenkürbis befinden sich eine runde Ausgussöffnung und ein kleiner herzförmiger Ausschnitt. Die Form des Gefäßes besteht aus zwei Laibungen, oben einer kleineren und unten einer etwas größeren. Auf der oberen kleineren Laibung wechseln sich viermal dreistrahlig gebündelte Sträuße ab. In einem Bund sind drei Zweige Nelken, im anderen zwei Tulpen und eine Nelke zu sehen. Deren Zwischenräume sind jeweils mit Inschriften versehen. Die Blütenzweige steigen aus einem mit Rauten gefüllten schmalen Band hervor. Das gleiche Band wiederholt sich oberhalb der unteren größeren Laibung. Direkt darunter befindet sich umlaufend eine Inschrift. Auch hier finden sich die vier entsprechend größeren Blütenzweige und zusätzlich noch ein Vogel. Um die Gefäßeinschnürung ist eine aus roter Seide geflochtene Tragschnur mit zwei Schlaufen und einem grünseidenen Kugelknopf gebunden.

    Bei der Inschrift auf der oberen Laibung handelt es sich wohl um die letzte Strophe einer Ghaseldichtung von einem der bedeutendsten osmanischen Lyriker, Mahmud Abdülbaki, genannt Baki:

    قهر زمانک زهرنی دفع ایتمزای باقی دوا.

    الاشراب دلکشا تریاق اکبر کندیدر

    „O Baki! Keine Arznei vertreibt das Gift der Allgewalt der Zeit,/Nur der herzerfreuende Wein, denn er selbst ist unter den Gegengiften das stärkste.“

    Auf der unteren Laibung lautet der Vierzeiler eines nicht bekannten Autors:

    „Wenn dieses Schicksalsrad verkehrt sich dreht,/So fürchten wir, die blaue Kuppel stürzt auf uns hernieder./Quäl dich nicht, o Herz, dass sie niederstürze: Diese alte Kuppel/Stürzt schon seit jeher ein, sag' also nicht, sie stürze jetzt gerade!“

    بویله دونرسه اکر عکسنه بو چرخ فلک

    ییقلور دیو دلا غم یمه بو چرخ کهن

     

    قورقارز اوستمزه قبه مینا ییقلور

    قتی چوقدن ییقلوپدر دیمه حالا ییقلور

    Zu diesem Trinkspruch gibt es eine interessante Anekdote, die über die Lebenshaltung der Bektaşi erzählt wird: Der Kalif besuchte das Oberhaupt des Bektaşi-Ordens. Als er die üppigen Weinberge um das Konvent des Ordens erblickte, fragte er: „Mein lieber Freund, was macht ihr denn mit den vielen Weintrauben?“ „Ach“, antwortete der Derwisch, „wir essen gerne süße, reife Trauben.“ Der Kalif darauf: „Aber es ist doch unmöglich, so viele Weintrauben zu verspeisen.“ Der Derwisch daraufhin: „Das ist kein Problem. Was wir nicht essen können, das pressen wir und lagern es in Holzfässern. Und was dann geschieht, ist allein Allahs Wille.“

    Autor: Oya Dobruca-Kırali, Bildrechteinhaber: Badisches Landesmuseum

    The antidote to anger

    Calabash fruit, silk, partly dyed, incised decoration; h. 16.8 cm, dm. 11 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. D 234. - Ottoman, 17th century

    The pumpkin, which has been known in many cultures since time immemorial, is one of the world's oldest cultivated plants. People realised that certain fruits, such as the calabash here, better known as the "bottle gourd", could be used very well as hollow vessels after being hollowed out and dried, mainly for storing and transporting liquids, but also as resonating bodies for musical instruments. This custom is still widespread in southern countries.

    The bottle from the Karlsruher Türkenbeute collection is such a gourd. A decoration coloured in light red and dark green has been carved into its jambs. At the top of the bottle gourd is a round spout and a small heart-shaped cut-out. The shape of the vessel consists of two reveals, a smaller one at the top and a slightly larger one at the bottom. On the upper smaller reveal, four bunches of three bundles alternate. In one bunch there are three branches of carnations, in the other two tulips and one carnation. The spaces between them are each inscribed. The flowering branches rise from a narrow band filled with diamonds. The same band is repeated above the lower larger reveal. Directly below, there is an inscription all around. Here, too, are the four correspondingly larger flowering branches and, in addition, a bird. A carrying cord woven from red silk with two loops and a green silk ball knob is tied around the vessel's lacing.

    The inscription on the upper reveal is probably the last verse of a ghazel poem by one of the most important Ottoman lyricists, Mahmud Abdülbaki, called Baki:

    قهر زمانک زهرنی دفع ایتمزای باقی دوا.

    الاشراب دلکشا تریاق اکبر کندیدر.

    "O Baki! No medicine dispels the poison of the omnipotence of time,/Only heart-pleasing wine, for it itself is the strongest among the antidotes."

    On the lower reveal, the quatrain by an unknown author reads:

    "When this wheel of fate turns the wrong way,/We fear that the blue dome will fall down on us/Do not agonise, O heart, that it will fall down: This old dome/Has been falling since time immemorial, so don't say it's falling right now!"

    بویله دونرسه اکر عکسنه بو چرخ فلک

    ییقلور دیو دلا غم یمه بو چرخ کهن


    قورقارز اوستمزه قبه مینا ییقلور

    قتی چوقدن ییقلوپدر دیمه حالا ییقلور.

    There is an interesting anecdote related to this toast about the Bektaşi's way of life: The Caliph visited the head of the Bektaşi order. When he saw the lush vineyards around the order's convent, he asked, "My dear friend, what are you doing with all these grapes?" "Oh," replied the dervish, "we like to eat sweet, ripe grapes." The Caliph replied: "But it is impossible to eat so many grapes." The dervish replied, "That's no problem. What we cannot eat, we press and store in wooden barrels. And what happens then is the will of Allah alone."

    Author: Oya Dobruca-Kırali, Image copyright holder: Badisches Landesmuseum

  • Janitscharenhaube / Janissary bonnet

    Janitscharenhaube / Janissary bonnet

    Die Loyalsten waren einst Anhänger der „falschen“ Religion

    Leinen, Filz (keçe), Wollflanell, gewalkt, Silberblech, z.T. vergoldet, getrieben, graviert, punziert; H. 24 cm, B. (am Kamm) 29,5 cm, Kopfweite 57 cm, Nackenbehang: L. 74,5 cm, B. 35,5 cm, Federhülse: L. 30,7 cm, B. 7,8 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. D 204 – osmanisch, 17. Jahrhundert (vor 1691)

    Wenn der Schlachtruf āllāhu akbar und die kriegerischen Klänge der Feldmusik erschallten, verbreiteten sich Angst und Schrecken unter den europäischen Soldaten. Bei den Janitscharen handelte es sich um die Elitetruppe der Osmanen, die seit Ende des 14. Jahrhunderts den Kern des stehenden Zentralaufgebots bildeten. Immer wieder wurden mit Hilfe der Knabenlese (devşirme) die Reihen des Korps mit Männern gefüllt, die für den Waffendienst geeignet schienen – christlich erzogenen Knaben freilich, die aus den Armen ihrer auf dem Balkan lebenden Familien gerissen oder aus den Reihen christlicher Minderheiten in Anatolien rekrutiert worden waren. Sie wurden Angehörigen eines nach dem Derwisch Hacı Bektaş Veli benannten sufisch-mystischen Ordens unterstellt und zum Islam zwangskonvertiert. Als kasernierte Militärsklaven (kul, ghulām) waren sie dem Sultan gegenüber äußerst loyal, sahen in dem Korps ihre Familie, im Sultan den Vater. In ihrem Fanatismus ähnelten sie den Angehörigen christlicher Ritter- und Malteserorden. So jedenfalls zeichneten seit Jahrhunderten europäische Berichte das Bild der Janitscharen. Doch Sklaven im europäischen Sinne waren die Janitscharen nicht. Sie genossen Privilegien, wurden für ihre Dienste bezahlt, und ihnen standen je nach Begabung unterschiedliche Karrieremöglichkeiten im osmanischen Staatswesen offen. Weil diese Kinder einstiger Glaubensfeinde es oft zu Ruhm und hohem Ansehen brachten, versuchten selbst muslimische Eltern ihre Kinder in den Korps einzuschmuggeln. Doch schon um 1570 deutete sich ein Wandel an, der spätestens mit dem beginnenden 17. Jahrhundert eine rechtliche Grundlage erhielt. Die Truppen wurden nicht länger durch die Institution der Knabenlese, sondern zunehmend mit freiwilligen Söldnern und Rekruten aufgefüllt. Mit dem Erscheinen des Gesetzbuches der Janitscharen im Jahr 1606 wurden die meisten sesshaft, sie übten ein Handwerk aus, heirateten und konnten ihre Besitztümer sowie ihre Stellung vererben. Das ereignisreiche Jahr 1683 führte schließlich zur Abschaffung der Knabenlese. Wenn auch damit der stete Machtverlust des Korps einherging, sollte es noch bis 1826 dauern, bis die Truppen gewaltsam aufgelöst wurden.

    Bis zur Einführung des Turbans im 18. Jahrhundert kennzeichnete eine ausgefallene Kopfbedeckung die Janitscharen, von denen sich eine von drei noch existierenden Originalen in der Karlsruher Türkenbeute befindet: aus Filz gefertigte Hauben mit einem langen Nackenbehang und einem auffälligen Stirnschmuck, in die bei Paraden Reiher- oder Straußenfedern gesteckt wurden. Nach Ansicht mancher symbolisierte diese außergewöhnliche Kopfbedeckung den Ärmel des Ordensgründers Hacı Bektaş Veli und zeigte die Verbundenheit der Janitscharen zu dessen Lehren auf. Von einer kappenförmigen Kopfdecke aus mehreren miteinander verleimten Papierschichten steigt der in Form gewalkte Filz auf und fällt als Nackenbehang nach hinten über Schulter und Rücken herab. Mit Leim verstärkt und mit Holzwolle gefüllt, verdankt die an ihrem Ende halbkreisförmig ausgeschnittene Kopfbedeckung dem verwendeten Filzmaterial (keçe) ihren Namen. Zweifellos das auffälligste Schmuckelement ist die Federhülse, die gleichzeitig als Schutz diente. Noch im Nachlassinventar des Markgrafen Hermann war von einem „silbernen Busch“ die Rede, der vermutlich noch im Jahre 1691 in der Hülse gesteckt hatte, heute aber als verloren gilt. Die halbrund vorgewölbte Federhülse selbst besitzt einen Holzkern, der auf der Schauseite mit einem teilweise vergoldeten und am oberen Ende kielbogenförmig zugespitzten Silberblech beschlagen ist. Dem feingerillten Unterteil folgt das eigentliche Schmuckfeld, das von Zierstreifen in zwei Feldern unterteilt wird. Zarte Blattranken mit stilisiert wiedergegebenen Tulpen, Rosen und Blattwerk an einem geradlinig verlaufenden Stiel flankieren Sternornamente. Den großen achtstrahligen Stern im oberen Feld bekrönt ein Streifen mit der zweifachen Nennung von allāh in Spiegelschrift. Das untere Feld zitiert dagegen mit dem sechsstrahligen Stern das Salomonssiegel(mühr-i Süleyman), dem man unheilabwehrende Kräfte zuschrieb.

    Autorin: Schoole Mostafawy, Bildrechteinhaber: Badisches Landesmuseum

    The most loyal were once followers of the "false" religion

    Linen, felt (keçe), wool flannel, milled, silver plate, partly gilded, chased, engraved, hallmarked; h. 24 cm, w. (at the crest) 29.5 cm, head width 57 cm, neck drape: l. 74.5 cm, w. 35.5 cm, feather sleeve: l. 30.7 cm, w. 7.8 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. D 204 - Ottoman, 17th century (before 1691)

    When the battle cry āllāhu akbar and the martial sounds of the field music rang out, fear and terror spread among the European soldiers. The Janissaries were the elite troops of the Ottomans who had formed the core of the standing central army since the end of the 14th century. Time and again, the ranks of the corps were filled with men who seemed suitable for military service with the help of the boy selection (devşirme) - Christian-educated boys, of course, who had been torn from the arms of their families living in the Balkans or recruited from the ranks of Christian minorities in Anatolia. They were placed under the care of members of a Sufi mystical order named after the dervish Hacı Bektaş Veli and forcibly converted to Islam. As barracked military slaves (kul, ghulām), they were extremely loyal to the sultan, seeing their family in the corps and their father in the sultan. In their fanaticism, they resembled members of Christian orders of knights and Maltese. At least, that is how European reports have portrayed the Janissaries for centuries. But the Janissaries were not slaves in the European sense. They enjoyed privileges, were paid for their services and, depending on their talents, had various career opportunities in the Ottoman state. Because these children of former enemies of the faith often achieved fame and high standing, even Muslim parents tried to smuggle their children into the corps. But as early as around 1570, there were signs of a change, which received a legal basis at the latest with the beginning of the 17th century. The troops were no longer replenished through the institution of boy selection, but increasingly with voluntary mercenaries and recruits. With the appearance of the Janissary Code in 1606, most of them settled down, practised a trade, married and could bequeath their possessions as well as their position. The eventful year of 1683 finally led to the abolition of the boy harvest. Although this was accompanied by the steady loss of power of the corps, it was to take until 1826 before the troops were forcibly disbanded.

    Until the introduction of the turban in the 18th century, the Janissaries were characterised by a fancy headdress, one of three surviving originals of which can be found in the Karlsruhe Turk's Booty: bonnets made of felt with a long halter and a conspicuous forehead ornament, into which heron or ostrich feathers were tucked during parades. According to some, this unusual headgear symbolised the sleeve of the order's founder Hacı Bektaş Veli and showed the Janissaries' attachment to his teachings. From a cap-shaped head cover made of several layers of paper glued together, the felt rolled into shape rises up and falls down over the shoulders and back as a neck drape. Reinforced with glue and filled with wood wool, the head covering, cut out in a semicircle at its end, owes its name to the felt material (keçe) used. Undoubtedly the most striking decorative element is the feather sleeve, which also served as protection. In the inventory of Margrave Hermann's estate, there was still mention of a "silver bush" that was probably still in the sleeve in 1691, but is now considered lost. The semi-circular spring case itself has a wooden core, which is covered on the front side with a partially gilded silver plate that is pointed at the upper end in the shape of a keel arch. The finely grooved lower part is followed by the actual decorative field, which is divided into two fields by decorative stripes. Delicate leafy vines with stylised tulips, roses and foliage on a straight stem flank star ornaments. The large eight-pointed star in the upper field is crowned by a stripe with the double mention of allāh in mirror writing. The lower field, on the other hand, quotes the six-pointed star of Solomon's seal (mühr-i Süleyman), which was believed to have powers to ward off disaster.

    Author: Schoole Mostafawy, copyright holder: Badisches Landesmuseum

  • Säbel mit Scheide / Sabre with scabbard

    Säbel mit Scheide / Sabre with scabbard

    Osmanischer Säbel mit christlichen Motiven

    Klinge: Eisen, geschmiedet, goldtauschiert und mit Rubinen besetzt, Gefäß: Messing, gegossen, ziseliert und vergoldet, Griffwicklung: gedrehter, geflochtener und vergoldeter Messingdraht, Scheide: Holz, mit schwarzem Chagrinleder bezogen, Mundblech, Ortband und die schmalen Mittelbänder: Silber, graviert, nielliert und vergoldet, Trageband: rote, golddurchwirkte Seide

    L. (Säbel) 107,5 cm, L. (Klinge) 90,1 cm, L. (Scheide) 92,1 cm, Gew. 2033 g; 

    Klinge und Scheide dieses Säbels sind osmanische Erzeugnisse und zumindest die leicht gebogene, an der Spitze zweischneidige Rückenklinge mit ihrem erhaben in Gold tauschierten Dekor ist wohl die Arbeit eines in İstanbul tätigen Schmiedes. Verziert ist sie mit christlichen Motiven (Maria mit dem Jesuskind und der Heiliggeisttaube mit Ölzweig, drei Cherubim und der Heilige Georg mit dem Drachen) sowie der griechischen Inschrift „Allerheiligste Mutter Gottes hilf Deinem Knecht, im Jahr nach Christi Geburt“, eingerahmt von zwei Rosetten mit eingelegten Rubinen. Diese lassen keinen Platz für eine Jahreszahl, die offenbar bei Bedarf an die Inschrift angehängt werden sollte. Sehr ähnliche Klingen befinden sich in mehreren russischen Sammlungen (zum Beispiel in der Eremitage in St. Petersburg und im Moskauer Kreml).

    Bis ins frühe 19. Jahrhundert hatten die griechisch-orthodoxe Kirche und deren Patriarch eine geachtete Stellung innerhalb des Osmanischen Reiches. In Europa und auch bei diplomatischen Verhandlungen mit dem Sultan trat Russland seit der Regierungszeit Zar Peters I. als selbsternannte Schutzmacht aller Christen im Osmanischen Reich auf. Vermutlich gab es zwischen der griechisch-orthodoxen Kirchengemeinde in İstanbul, dem Auftreten Russlands und der Entstehung dieser Klingen eine Verbindung, deren genaue Hintergründe jedoch noch näher erforscht werden müssen. Möglicherweise kamen derartige osmanische Säbel mit christlichen Motiven und Inschriften als Geschenke des griechisch-orthodoxen Patriarchen von İstanbul an den Zarenhof. Ob auch die Dresdener Klinge zunächst nach Russland und von dort vielleicht als Geschenk Zar Peters I. an August den Starken nach Dresden gelangte, ist rein hypothetisch.

    Das exotisch gestaltete Gefäß wurde erst später hinzugefügt. Der Knauf ist als Mohrenkopf mit feinen Locken, einem Haarband und Perlen in den Ohren gestaltet. Die zum umwickelten Griff und zum Klingenrücken gebogene Parierstange stellt einen Drachen dar, dessen linker Flügel das ebenfalls zum Griff geneigte Stichblatt bildet. Eine in den Flügel beißende Schlange verbindet diesen mit dem Drachenkopf, von dessen Maul einst eine Kette zum Kinn des Mohren führte.

    Dieser Säbel befand sich früher in der Garderobe Augusts des Starken. Knapp zwei Monate nach dessen Tod am 1. Februar 1733 ließ sein Sohn und Nachfolger, Kurfürst Friedrich August II. von Sachsen und König August III. von Polen, die väterliche Garderobe im Dresdener Residenzschloss räumen. Auf diesem Weg gelangten mehrere Orientalia in die Türckische Cammer und dieser Säbel in die Kurkammer. Bis 1821 wurden Säbel und Scheide zusammen verwahrt und in den Inventaren beschrieben. Danach wurden beide Stücke voneinander getrennt und ihre Zusammengehörigkeit geriet in Vergessenheit. Lange Zeit galt die Scheide als verloren, und erst im Zuge der Einrichtung der Türckischen Cammer wurde das unter einer anderen Nummer inventarisierte Stück als zum Säbel gehörig wiederentdeckt.

    Autor: Holger Schuckelt, Bildrechteinhaber: Staatliche Kunstsammlung Dresden

    Ottoman Sabre with Christian Motifs

    Blade: iron, forged, inlaid with gold and set with rubies, hilt: brass, cast, chased and gilded, grip winding: twisted, braided and gilded brass wire, scabbard: wood, covered with black shagreen leather, mouth plate, place band and the narrow centre bands: silver, engraved, nielloed and gilded, suspension band: red silk interwoven with gold

    L. (sabre) 107.5 cm, l. (blade) 90.1 cm, l. (scabbard) 92.1 cm, weight 2033 g;

    The blade and scabbard of this sabre are Ottoman products and at least the slightly curved, double-edged back blade with its raised decoration inlaid in gold is probably the work of a blacksmith working in İstanbul. It is decorated with Christian motifs (Mary with the infant Jesus and the Holy Spirit dove with olive branch, three cherubim and St. George with the dragon) and the Greek inscription "Most Holy Mother of God help Thy servant, in the year after Christ's birth", framed by two rosettes with inlaid rubies. These leave no space for a year, which was apparently intended to be added to the inscription if necessary. Very similar blades can be found in several Russian collections (for example in the Hermitage in St. Petersburg and in the Moscow Kremlin).

    Until the early 19th century, the Greek Orthodox Church and its patriarch held a respected position within the Ottoman Empire. In Europe and also in diplomatic negotiations with the Sultan, Russia acted as the self-appointed protective power of all Christians in the Ottoman Empire from the reign of Tsar Peter I onwards. There was probably a connection between the Greek Orthodox church community in İstanbul, the appearance of Russia and the emergence of these blades, the exact background of which, however, still needs to be researched further. It is possible that such Ottoman sabres with Christian motifs and inscriptions came to the Tsar's court as gifts from the Greek Orthodox Patriarch of İstanbul. Whether the Dresden blade also first reached Russia and from there perhaps as a gift from Tsar Peter I to August the Strong in Dresden is purely hypothetical.

    The exotically designed hilt was added later. The pommel is designed as a moor's head with fine curls, a hair band and pearls in the ears. The quillons, bent towards the wrapped hilt and the back of the blade, depict a dragon whose left wing forms the thrusting blade, also bent towards the hilt. A snake biting into the wing connects it to the dragon's head, from whose mouth a chain once led to the Moor's chin.

    This sabre was once in the wardrobe of Augustus the Strong. Less than two months after his death on 1 February 1733, his son and successor, Elector Friedrich August II of Saxony and King August III of Poland, had his father's wardrobe in the Dresden Residence cleared. In this way, several Orientalia found their way into the Türckische Cammer and this sabre into the Kurkammer. Until 1821, the sabre and scabbard were kept together and described in the inventories. After that, the two pieces were separated from each other and their affiliation was forgotten. For a long time, the scabbard was considered lost, and it was not until the Türckische Cammer was established that the piece, inventoried under a different number, was rediscovered as belonging to the sabre.

    Author: Holger Schuckelt, Image copyright holder: Staatliche Kunstsammlung Dresden

  • Wechselvisier zum Huszarischen Turnier vom Hof Erzherzog Ferdinands II. / Changing sights for the Huszarian Tournament from the court of Archduke Ferdinand II.

    Wechselvisier zum Huszarischen Turnier vom Hof Erzherzog Ferdinands II. / Changing sights for the Huszarian Tournament from the court of Archduke Ferdinand II.

    Ein Visier zum Turnier

    Eisen, bemalt, Leder, Rosshaar; H. 19,5 cm, B. 21,5 cm, T. 27 cm; Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer Inv. B 94 – Prag, Hofplattnerei, um 1557

    Dieses Visier in der Form eines menschlichen Gesichtes war einst Teil der Kostümierung zum sog. Huszarischen (oder Ungarischen) Turnier. Es ist aus Eisen gefertigt und in Ölfarbe bemalt. Die ausgeschnittenen Augenbrauen dienten als Sehschlitze. An dem Lederband auf der Oberlippe war einst ein heute großteils verlorener Schnauzbart aus Rosshaar fixiert. Der obere, nicht bemalte Teil war während des Turniers durch eine Kopfbedeckung verdeckt.

    Huszarische Turniere waren eine Spezialität des Hofes Erzherzog Ferdinands II., des jüngeren Sohnes Kaiser Ferdinands I., während dessen Regierungszeit als Statthalter in Böhmen (1547–1567). Bei diesen Turnieren standen sich zwei Gruppen an Kämpfern gegenüber, die Reiter der einen Gruppe waren als Husaren (Reiter der leichten Kavallerie, vor allem aus Ungarn) verkleidet, jene der anderen als osmanische Krieger. In diesen inszenierten Wettkämpfen kamen die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem Habsburgischen und dem Osmanischen Reich in Südosteuropa zum Ausdruck. Erzherzog Ferdinand hatte 1556 und 1566 persönlich an Feldzügen in Ungarn teilgenommen.

    Die Ausstattung der Huszarischen Turniere ist durch mehrere Quellen gut dokumentiert. Ein Dokument des Tiroler Landesarchivs in Innsbruck (Ferdinandea Pos. 175, Turniersachen) hält die Verkleidung der Teilnehmer eines Huszarischen Turniers am 2. März 1557 am Hof Ferdinands II. in Prag fest. Dabei trug unter anderem Dietrich von Schwendi „uber seinem Harnisch ain lanngen Husarischen Rockh aus gelben Zedtl [Zendel, ein leichtes Seidengewebe]“, dazu Federn und Waffen. In eben dieser Kleidung ist Schwendi im Turnierbuch Ferdinands II. (Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer Inv. KK 5134, fol. 181r) festgehalten. Er trägt in dieser Miniatur den beschriebenen gelben Rock, in seiner Rechten hält er einen Streitkolben, mit der Linken führt er einen Säbel. Sein Gesicht ist durch ein Wechselvisier mit kräftigem Schnauzbart wie dem vorliegenden verdeckt, darüber gelegt ist eine rote Kopfbedeckung.

    Autor: Stefan Krause, Bildrechteinhaber: Badisches Landesmuseum, Foto: ARTIS - Uli Deck

    A visor for the tournament

    Iron, painted, leather, horsehair; h. 19.5 cm, w. 21.5 cm, d. 27 cm; Vienna, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer Inv. B 94 - Prague, Hofplattnerei, c. 1557

    This visor in the shape of a human face was once part of the costume for the so-called Huszarian (or Hungarian) Tournament. It is made of iron and painted in oil paint. The cut-out eyebrows served as slits for the eyes. A horsehair moustache, now largely lost, was once attached to the leather strap on the upper lip. The upper, unpainted part was covered by a headdress during the tournament.

    Huszarian tournaments were a speciality of the court of Archduke Ferdinand II, the younger son of Emperor Ferdinand I, during his reign as governor in Bohemia (1547-1567). In these tournaments, two groups of combatants faced each other, the riders of one group dressed as hussars (horsemen of the light cavalry, mainly from Hungary), those of the other as Ottoman warriors. These staged competitions reflected the warlike conflicts between the Habsburg and Ottoman Empires in south-eastern Europe. Archduke Ferdinand had personally taken part in campaigns in Hungary in 1556 and 1566.

    The decor of the Huszarian tournaments is well documented by several sources. A document from the Tyrolean Provincial Archives in Innsbruck (Ferdinandea Pos. 175, Tournament Matters) records the disguise of the participants in a Huszarian tournament on 2 March 1557 at the court of Ferdinand II in Prague. Dietrich von Schwendi, among others, wore "over his armour a long Husaric skirt of yellow zedtl [zendel, a light silk fabric]", along with feathers and weapons. Schwendi is recorded in this very outfit in Ferdinand II's tournament book (Vienna, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer Inv. KK 5134, fol. 181r). In this miniature he is wearing the yellow coat described above, holding a mace in his right hand and a sabre in his left. His face is covered by an interchangeable visor with a strong moustache like this one, over it is a red headdress.

    Author: Stefan Krause, Image copyright holder: Badisches Landesmuseum, Photo: ARTIS - Uli Deck

  • Illumination aus Anlass der Fastnacht von 1607 / Illumination on the occasion of the Fastnacht of 1607

    Illumination aus Anlass der Fastnacht von 1607 / Illumination on the occasion of the Fastnacht of 1607

    Inszenierungen von Feind und Vorbild

    Eigengliche abkondrafagttur des Rinckrennen Welches der Durchlauchtige fürst und herr, Herr Christian der Ander Hertzogk zu Sahssen, … auff den Nauen stal renbanen an itzo vorganen fastnacht Anno 1607. den 24. 25. vnd 26. Febrvarivs,

    20 Blätter mit Anklappungen; Deckfarben auf Papier, gepresster Pergamenteinband; H. 15,5 cm, B. 38,5 cm (Einband); Dresden, Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek Dresden Sign. Msc. Dresd. J 10 – sächsisch, vermutlich 1607

    Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts entwickelte sich das europaweit verbreitete Phänomen der „Türkenmode“, die ihren ersten Höhepunkt in der Zeit von Sultan Süleyman I. erlangte. Eine Mischung aus Furcht vor dem militärisch starken Gegner einerseits und Bewunderung der kulturell und wirtschaftlich hochentwickelten Orientalen andererseits bildete die Grundlage dafür. Im Vordergrund der Türkenmode stand zunächst die Darstellung realer oder fiktiver Siege über die Osmanen. Dabei symbolisierten die Ungarn oder die mit ihnen gleichgesetzten Husaren die heldenhaften Verteidiger des Christentums. Das in weiten Teilen Europas vorherrschende Thema der Türkeninventionen bestand darin, den barbarischen Feind zu überwinden und in Form von Triumphzügen, bei denen Trophäen und als türkische Gefangene verkleidete Personen mitgeführt wurden, zur Schau zu stellen. Auf der anderen Seite gab es aber auch Aufzüge, in denen man in kostbare Kaftanen gekleidet und mit orientalisch aufgezäumten Pferden zum Turnier erschien. Der Sultan avancierte zum Medium einer repräsentativen Selbstdarstellung des Hochadels. Er war nicht mehr vordergründig der Gegner, sondern wurde zum Vorbild und erfuhr somit eine öffentlich inszenierte Wertschätzung. Die mit Abstand meisten Beispiele für diese Form der Türkenverehrung stammen aus Sachsen, wo die Türkenmode im Vergleich zu anderen Höfen Europas eine Sonderrolle spielte.

    So veranstaltete Kurfürst Christian II. von Sachsen beispielsweise anlässlich der Fastnacht von 1607 ein Ringrennen, zu dem an drei aufeinander folgenden Tagen neun thematisch abgeschlossene Inventionen im Dresdener Stallhof zum Turnier aufzogen. Die „Türkische Invention“ wurde von einer auf Bombarden, Trommeln und Sackpfeifen spielenden Janitscharenkapelle sowie berittenen Lanzenträgern in verschiedenfarbigen Kaftanen angeführt. Den Höhepunkt bildete der als Sultan verkleidete Kurfürst, der einen reich mit Gold verzierten Kaftan, einen prachtvoll herausgeputzten Turban und in der Hand eine mächtige Streitaxt trug, gefolgt von gleichfalls orientalisch gekleideten Adligen des Dresdener Hofes. Gewänder, Reitzeuge und Waffen waren meist osmanische Originale, bei denen es sich um Geschenke, Beutestücke oder Ankäufe aus der Türckischen Cammer der Kurfürsten von Sachsen handelte. Es wurden für derartige Aufzüge aber auch nachgebildete Requisiten sächsischer Handwerker verwendet. Viele der Streithacken, -äxte und Pusikane stammten hingegen aus den Werkstätten siebenbürgischer Meister, die durch die gestalterische Verschmelzung von Einflüssen aus Orient und Okzident einen ganz eigenen Stil entwickelt hatten . Ihren absoluten Höhepunkt erlangte die Türkenmode in Sachsen zu Beginn des 18. Jahrhunderts unter August dem Starken, der sich immer wieder selbst als Sultan präsentierte.

    Autor: Holger Schuckelt, Bildrechteinhaber: Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek Dresden

    Staging of Enemy and Role Model

    Eigengliche abkondrafagttur des Rinckrennen Welches der Durchlauchtige fürst und herr, Herr Christian der Ander Hertzogk zu Sahssen, ... auff den Nauen stal renbanen an itzo vorganen fastnacht Anno 1607. den 24. 25. vnd 26. Febrvarivs,

    20 leaves with folding; opaque colours on paper, pressed vellum binding; h. 15,5 cm, w. 38,5 cm (binding); Dresden, Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek Dresden Sign. Msc. Dresd. J 10 - Saxon, probably 1607

    From the end of the 15th century onwards, the phenomenon of the "Turkish fashion" developed throughout Europe, reaching its first peak during the reign of Sultan Süleyman I. The "Turkish fashion" was the result of a combination of fear of the military and a desire to protect the people. A mixture of fear of the militarily strong opponent on the one hand and admiration of the culturally and economically highly developed Orientals on the other formed the basis for this. Initially, Turkish fashion focused on the depiction of real or fictitious victories over the Ottomans. The Hungarians or the hussars equated with them symbolised the heroic defenders of Christianity. The predominant theme of the Turkish invasions in large parts of Europe was to overcome the barbarian enemy and to display it in the form of triumphal processions carrying trophies and people dressed as Turkish prisoners. On the other hand, there were also processions in which people appeared for the tournament dressed in precious caftans and with orientally bridled horses. The sultan became the medium of representative self-portrayal for the high nobility. He was no longer ostensibly the opponent, but became a role model and thus experienced a publicly staged esteem. By far the most examples of this form of Turkish worship come from Saxony, where Turkish fashion played a special role compared to other courts in Europe.

    For example, on the occasion of Shrovetide in 1607, Elector Christian II of Saxony organised a ring race, for which nine thematically self-contained inventions were paraded in the Dresden Stallhof for the tournament on three consecutive days. The "Turkish Invention" was led by a Janissary band playing bombarde, drums and bagpipes as well as mounted lancers in caftans of various colours. The highlight was the Elector dressed as a sultan, wearing a richly gold-decorated caftan, a splendidly adorned turban and holding a mighty battle axe, followed by nobles of the Dresden court also dressed in oriental costume. The robes, riding implements and weapons were mostly Ottoman originals, which were gifts, loot or purchases from the Turkish Chamber of the Electors of Saxony. However, replicas of props made by Saxon craftsmen were also used for such parades. Many of the battleaxes, axes and pusikans, on the other hand, came from the workshops of Transylvanian masters who had developed a style all their own through the creative fusion of influences from the Orient and the Occident. Turkish fashion in Saxony reached its absolute peak at the beginning of the 18th century under Augustus the Strong, who repeatedly presented himself as a sultan.

    Author: Holger Schuckelt, Image copyright holder: Saxon State Library, Dresden State and University Library

  • Helm eines Peijks / Helmet of a Peijk

    Helm eines Peijks / Helmet of a Peijk

    Von der güldenen Kopfbedeckung eines Meldeläufers

    Helm: Kupfer getrieben, geätzt und feuervergoldet, Füllung der Federhülse: Holz geschnitzt und bemalt, Futter: Seide; H. 31,3 cm; München, Museum Fünf Kontinente Inv. 26-N-89 – wohl süddeutsch (Augsburg?), evtl. osmanisch überarbeitet, 2. Hälfte 16. Jahrhundert

    Helme dieser Form finden sich auf zahlreichen Darstellungen des 16. Jahrhunderts, wo sie als Kopfbedeckungen sogenannter Pejks zu sehen sind. Das Wort „Pejk“ stammt aus dem Persischen und bedeutet Eilbote, Kurier oder Briefträger. Bei den Osmanen bezeichnete man damit ursprünglich Meldeläufer. Später wurde daraus eine Eliteeinheit bzw. Garde, die bei Aufzügen neben oder hinter dem Pferd des Sultans lief. Als Angehörige der Janitscharen unterstanden sie dem Janitscharen-Aǧa. Ihr unmittelbarer Vorgesetzter war der pejk-başı. Bewaffnet waren sie mit Säbeln, Messern und Spießen, wurden häufig aber auch mit Beilen oder Doppeläxten dargestellt. Auf dem Kopf trugen sie hohe, vergoldete Helme mit Federhülsen.

    Das offenbar einzige erhaltene Exemplar einer solchen Kopfbedeckung befindet sich heute im Museum Fünf Kontinente in München. Der walzenförmige, sich leicht nach oben verjüngende Helm und die vorn angenietete Federhülse tragen auf glattem Goldgrund geätzten Dekor aus mit Rankenwerk gefüllten Spitzmedaillons und schmalen Inschriftenbändern. Während die Federhülse unter anderem das muslimische Glaubensbekenntnis „Es gibt keinen Gott außer Allah, Muhammed ist der Gesandte Allahs“ trägt, finden sich in den Streifenmedaillons auf der Helmglocke neben weiteren kurzen Inschriften die Namen fast aller Herrscher des Osmanischen Reiches vom Dynastiebegründer Osman bis hin zu Sultan Süleyman I. Der hölzerne Einsatz im Inneren der Federhülse ist vergoldet und mit Blattranken sowie tulpenartigen Blüten bemalt. Sowohl die teils fehlerhaften Inschriften als auch der Rankendekor in den Spitzmedaillons sowie die Mondsichel und der achtzackige Stern auf dem Helmscheitel sprechen dafür, dass es sich bei dem Ätzdekor um die Arbeit eines wohl süddeutschen Meisters handelt. Insbesondere das Rankenwerk erinnert an Augsburger Harnische aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Ob dieser Helm ursprünglich für die Sultansgarde oder aber im Rahmen der Türkenmode für einen europäischen Auftraggeber hergestellt wurde, lässt sich momentan nicht sagen.

    Unter den Ankäufen Johann Georg Spiegels, die dieser zwischen 1712 und 1714 für August den Starken in der Türkei tätigte, befand sich auch die komplette Kleidung samt Ausrüstung und Waffen für sechs „Beück“ (d.h. Pejk), wovon es heute allerdings nur noch sechs der ehemals zwölf Spieße gibt. Zu dieser Ausrüstung gehörten auch „6 Mützen von Kupffer vergoldt, auf die Köpf zu sezen“, bei denen es sich um Helme gehandelt haben dürfte, die dem Münchener Exemplar ähnelten. Offenbar wurden diese in Vorbereitung des 1730 inszenierten Zeithainer Lagers als Vorbilder für die Korporalshelme der sächsischen Janitscharengarde herangezogen. Während sich die sechs von Spiegel gekauften Helme im Bestand der Dresdener Rüstkammer nicht erhalten haben, befindet sich eine der 1729 gefertigten Nachahmungen in der aktuellen Dauerausstellung der Türckischen Cammer im Dresdener Residenzschloss.

    Autor: Holger Schuckelt, Bildrechteinhaber: Museum Fünf Kontinente, München

    Of the gilded headgear of a melding runner

    Helmet: chased copper, etched and fire-gilded, filling of the spring case: carved and painted wood, lining: silk; h. 31.3 cm; Munich, Museum Fünf Kontinente Inv. 26-N-89 - probably South German (Augsburg?), possibly Ottoman reworked, 2nd half of the 16th century.

    Helmets of this form can be found on numerous representations of the 16th century, where they can be seen as headgear of so-called pejks. The word "pejk" comes from Persian and means courier, messenger or postman. Among the Ottomans, it was originally used to describe messengers. Later it became an elite unit or guard that walked beside or behind the sultan's horse during processions. As members of the Janissaries, they were subordinate to the Janissary Aǧa. Their immediate superior was the pejk-başı. They were armed with sabres, knives and spears, but were often also depicted with axes or double axes. On their heads they wore high, gilded helmets with feather sleeves.

    The apparently only surviving example of such headgear is now in the Museum Fünf Kontinente in Munich. The cylindrical helmet, which tapers slightly upwards, and the feather sleeve riveted to the front bear etched decoration of pointed medallions filled with tendrils and narrow bands of inscriptions on a smooth gold background. While the feather sleeve bears, among other things, the Muslim creed "There is no god but Allah, Muhammad is the messenger of Allah", the striped medallions on the helmet bell bear the names of almost all the rulers of the Ottoman Empire from the founder of the dynasty, Osman, to Sultan Suleyman I, along with other short inscriptions. The wooden insert inside the feather sleeve is gilded and painted with leafy vines and tulip-like flowers. Both the partly faulty inscriptions and the vine decoration in the pointed medallions as well as the crescent moon and the eight-pointed star on the crest of the helmet indicate that the etched decoration is the work of a probably southern German master. The vine work in particular is reminiscent of Augsburg armour from the second half of the 16th century. Whether this helmet was originally made for the Sultan's Guard or for a European patron as part of the Turkish fashion cannot be said at present.

    Among the purchases Johann Georg Spiegel made for Augustus the Strong in Turkey between 1712 and 1714 was the complete clothing including equipment and weapons for six "Beück" (i.e. Pejk), of which only six of the former twelve spits still exist today. This equipment also included "6 caps of Kupffer vergoldt, auf die Köpf zu sezen", which may have been helmets similar to the Munich example. Apparently these were used as models for the corporal's helmets of the Saxon Janissary Guard in preparation for the Zeithain camp staged in 1730. While the six helmets purchased by Spiegel have not survived in the holdings of the Dresden Armoury, one of the imitations made in 1729 is in the current permanent exhibition of the Türckische Cammer in the Dresden Residenzschloss.

    Author: Holger Schuckelt, Image copyright holder: Museum Fünf Kontinente, Munich

  • Vier Gemälde / Four paintings

    Vier Gemälde / Four paintings

    Das Erbe der Zrínyis

    Europäische Geschichte im Spiegel eines kroatischen Adelshauses

    Nur wenige Jahrzehnte nach dem Entstehen eines zunächst kleinen und schwachen Emirats im Nordwesten Anatoliens, aus dem später mit dem Osmanischen Reich eine Weltmacht erwuchs, begann die osmanische Eroberung des Balkans. Orhan, der Sohn des Dynastiebegründers Osman I., schloss 1346 ein Bündnis mit dem byzantinischen Thronprätendenten Johannes (VI.) Kantakuzenos. Zu dessen Unterstützung entsandte Orhan drei Jahre später ein Truppenkontingent, wodurch erstmalig osmanische Krieger in größerer Zahl weit auf europäisches Territorium vorrückten. Rivalitäten zwischen Kaiser Johannes VI. Kantakuzenos und dem Gegenkaiser Johannes V. Palaiologos führten zwischen 1352 und 1357 zum Bürgerkrieg, in dessen Verlauf osmanische Söldner im Dienst von Johannes VI. weite Teile Thrakiens besetzten und dafür mit der unweit von Gallipoli gelegenen Festung Çimpe entlohnt wurden. Als im März 1354 die Einwohner das durch ein Erdbeben schwer zerstörte Gallipoli verließen, wurde die Stadt vom Sohn Orhans, Süleyman Paşa, in Besitz genommen, wiederaufgebaut und befestigt. Gallipoli etablierte sich zum wichtigen Brückenkopf für die osmanische Invasion Europas. Innerhalb weniger Jahre fiel nahezu ganz Thrakien in die Hände der Osmanen, die nun auch die Dardanellen kontrollierten. Unter Sultan Murad I. wurde Adrianopel eingenommen und 1365 verlegte dieser seine Hauptstadt vom anatolischen Bursa in die ostthrakische Stadt, die seitdem Edirne heißt. In den folgenden Jahrzehnten rückten die Osmanen immer weiter gen Norden und Westen vor. Bulgarien und Makedonien wurden dem osmanischen Staat fest einverleibt, während Serbien sowie die Walachei nach der Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo Polje) 1389 den Status von Vasallenstaaten erhielten. Um die osmanische Offensive zu stoppen, rückte der ungarische König Sigismund mit einem Kreuzfahrerheer gegen das nordbulgarische Nikopolis vor, wo es Ende September 1396 zur Schlacht kam, in der die Osmanen die christlichen Truppen vernichtend schlugen.

    Erst der Konflikt Sultan Bayezids I. mit Timur, die osmanische Niederlage bei Ankara, die Gefangennahme des Sultans und der anschließende elfjährige Bürgerkrieg im Osmanischen Reich verschafften den Völkern auf dem Balkan eine kurze Atempause. Vorübergehend gelang es, den Vormarsch der Osmanen zu stoppen. Einige fähige Feldherren, wie der aus Siebenbürgen stammende Johann Hunyadi oder der Albaner Georg Kastriota (genannt Skanderbeg), errangen beachtliche Erfolge. Schwere militärische Rückschläge bewegten Sultan Murad II. dazu, 1444 in Szeged einen zehnjährigen Waffenstillstand abzuschließen und seine Ansprüche auf Serbien aufzugeben. Doch auf Drängen des Papstes und in Fehleinschätzung der realen Kräfteverhältnisse brachen der polnisch-ungarische König Władysław III./Vladislav I. und Johann Hunyadi den gerade erst unterzeichneten Vertrag und griffen mit Unterstützung Venedigs und Burgunds die Osmanen erneut an. Am 10. November 1444 kam es bei Varna zur Schlacht, in der das Kreuzfahrerheer von Sultan Murad II. vernichtend geschlagen wurde. Noch ein letztes Mal organisierte Hunyadi, der mit Mühe vom Schlachtfeld geflohen war, den Widerstand gegen die Osmanen. Aber mit der Niederlage in der zweiten Schlacht auf dem Amselfeld 1448 ging die Initiative endgültig wieder an die Osmanen über. 1453 eroberte Sultan Mehmed II. Konstantinopel und innerhalb weniger Jahre fielen weite Teile des Balkans in osmanische Hand. Lediglich der Entsatz Belgrads und die Zerschlagung der osmanischen Belagerung 1456 sicherten für weitere 70 Jahre die vorläufige Unabhängigkeit Ungarns.

    In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts geriet auch Kroatien, dessen Adel bereits 1102 die Oberlehensherrschaft der ungarischen Könige anerkannt hatte, in die Auseinandersetzungen mit den Osmanen. Unter dem Eindruck der ständigen Einfälle osmanischer Reiterscharen wählte man 1458 den kampferprobten Sohn von Johann Hunyadi, Matthias Hunyadi alias Matthias Corvinus, zum König von Ungarn und Kroatien. Über 30 Jahre gelang es ihm, seinen Herrschaftsbereich erfolgreich zu verteidigen, bevor unter König Vladislav II. der Verfall einsetzte. Die nur drei Jahre nach dem Tod von Matthias Corvinus ausgefochtene Schlacht auf dem Krbava-Feld am 9. September 1493 hatte massive Auswirkungen auf die Geschichte Kroatiens. Durch den osmanischen Sieg wurde das kroatische Adelsaufgebot praktisch vollkommen aufgerieben, sodass man in der Folgezeit auf die militärische Hilfe Ungarns und Österreichs angewiesen war. Andererseits erweckte der Niedergang Ungarns das Interesse Kaiser Maximilians I. Er beabsichtigte, Erzherzog Ferdinand (I.) mit Anna, der Tochter von König Vladislav II., und Maria, die Schwester Ferdinands, mit Ludwig (II.), dem Sohn des Königs von Ungarn, zu verheiraten. Die ungarischen Magnaten bekämpften diese Hochzeitspläne unter Führung des slawonischen Adligen Johann Zapolya. 1521 wurden die von Maximilian angebahnten Vermählungen trotzdem vollzogen, worauf die Habsburger ihre späteren Ansprüche auf die Kronen von Ungarn und Böhmen gründeten.

    Nur ein Jahr zuvor war Sultan Süleyman I. an die Macht gekommen. Immer wieder streiften osmanische Truppen durch Ungarn und standen 1529 sogar vor den Toren Wiens. Angriffe bis in die Steiermark und Krain führten bereits 1522 dazu, dass österreichische Söldner nach Kroatien geschickt wurden, um zusammen mit Kolonisten aus den von den Osmanen besetzten Gebieten eine militärische Grenzzone zur Verteidigung aufzubauen. Nach dem Tod König Ludwigs II. in der Schlacht von Mohács am 29. August 1526 machte Erzherzog Ferdinand (I.) seinen Anspruch auf die ungarische Krone geltend. Als König von Böhmen wurde er schon bald anerkannt, während er um den ungarischen Thron mit Johann Zapolya erst noch kämpfen musste. In Folge dieser Kämpfe sowie der Besetzung Budas und Zentralungarns durch die Osmanen kam es 1541 zur endgültigen Dreiteilung des Landes. Die östlichen Randgebiete fielen an Siebenbürgen, das als Vasallenstaat unter osmanischer Oberhoheit stand. Nord- und Westungarn (größtenteils die heutige Slowakei, das Burgenland und Westkroatien) wurden als „Königliches Ungarn“ dem Reich der Habsburger einverleibt. Und die von Sultan Süleyman I. eroberten Gebiete der Ungarischen Tiefebene, des südöstlichen Transdanubiens und des Banats waren fortan integraler Teil des Osmanischen Reiches.

    Die kroatischen Stände machten nach der Schlacht von Mohács von ihrem Recht Gebrauch, unabhängig von Ungarn einen Herrscher zu bestimmen. Nachdem Erzherzog Ferdinand (I.) umfassende Zusicherungen zur Abwehr der Osmanen gegeben hatte, wählte man ihn am 1. Januar 1527 zum König von Kroatien. Mit österreichischer Unterstützung kämpfte das Land in den folgenden Jahrzehnten verzweifelt gegen die osmanische Übermacht. Zu den kroatischen Adelsfamilien, die sich in diesen Kämpfen besonders hervortaten, gehörten die Zrínyis, die als eine Nebenlinie aus dem alten Adelsgeschlecht der Šubić hervorgegangen waren. König Ludwig I. aus dem Hause Anjou hatte 1347 die Burg Zrin in Zentralkroatien an Georg III. Šubić von Bribir verliehen, der als Georg I. zum Stammvater der Zrínyis wurde. Knapp 150 Jahre danach fielen in der Schlacht auf dem Krbava-Feld sein Urenkel Peter II. Zrínyi und dessen Sohn Pavao III. Zrínyi. Peters jüngster Sohn aus zweiter Ehe, Nikolaus III. Zrínyi, setzte die Kämpfe seines Vaters gegen die Osmanen fort. Seine letzten Lebensjahre waren geprägt von der Abwehr der Bedrohung durch den jungen Sultan Süleyman I. Nikolaus III. gehörte zu den Unterzeichnern der Charta von Cetingrad, mit der Erzherzog Ferdinand (I.) als König von Kroatien bestätigt wurde. Bereits im Oktober 1524 hatte Nikolaus Erzherzog Ferdinand in Wien besucht. Dort kam man überein, die Festungen Novigrad und Dobra Njiva an Ferdinand abzutreten, der sich seinerseits dazu verpflichtete, diese mit habsburgischen Truppen zu besetzen und Nikolaus Zrínyi die Mittel zur Unterhaltung einer Kavallerieeinheit bereitzustellen.

    Nikolaus IV. Zrínyi, einer der Söhne von Nikolaus III., zählt zu den berühmtesten Helden in der kroatischen Geschichte. Schon als junger Mann zeichnete er sich in den Kämpfen gegen die Osmanen aus, so u.a. bei der ersten Belagerung Wiens 1529. Während der Belagerung Ofens im Herbst 1542 war er ein Kampfgefährte des späteren Kurfürsten Moritz von Sachsen. Moritz war den Truppen Ferdinands mit eintausend Mann zur Hilfe geeilt. Am 1. Oktober 1542 kam es vor Ofen zu heftigen Kämpfen, in deren Verlauf sich Herzog Moritz mutig auf die Feinde stürzte, als sein Pferd unter ihm getötet wurde. Auch von Nikolaus IV. Zrínyi ist überliefert, dass er mit seinem beherzten Eingreifen eine Niederlage der christlichen Truppen verhindert habe. Noch im selben Jahr wurde er zum Ban von Kroatien ernannt. Für seine Verdienste erhob ihn Ferdinand I. 1554 in den Grafenstand. Drei Jahre später wurde er Kommandant von Szigetvár, 1561 königlich-ungarischer Schatzmeister und 1563 Oberbefehlshaber der königlichen Truppen in Transdanubien. In dieser Funktion schlug er im darauffolgenden Jahr die Osmanen bei Schaas. Sultan Süleyman I. holte zum Gegenschlag aus. Anfang August 1566 begann die Belagerung von Szigetvár, deren siegreiches Ende er aber nicht mehr erlebte. Am 6. September 1566 starb Süleyman im Feldlager. Zwei Tage später unternahm Nikolaus IV. Zrínyi mit den wenigen ihm verbliebenen Soldaten einen letzten Ausfallsversuch. Schwer verwundet geriet er in Gefangenschaft und wurde enthauptet. Heute wird im Park der ungarisch-türkischen Freundschaft bei Szigetvár an Sultan Süleyman I. und Nikolaus IV. Zrínyi gemeinsam erinnert.

    Auch folgende Generationen der Zrínyis standen ihren Mann im Kampf gegen die Osmanen. Zu diesen zählte u.a. Georg IV. Zrínyi, Sohn des Helden von Szigetvár, der nicht nur ein erfolgreicher Feldherr, sondern Anfang der 1570er-Jahre auch Begründer einer der ersten Buchdruckereien in Kroatien war. Sein Sohn aus zweiter Ehe, Georg V. Zrínyi, wurde 1622 zum Ban von Kroatien ernannt. Im Verlauf seiner militärischen Karriere kämpfte er mehrfach gegen die Osmanen und kam im Dreißigjährigen Krieg als Kommandeur kroatischer Reiter zum Einsatz. Georg V. Zrínyi starb 1626 im Militärlager vor Pressburg. Berühmtheit erlangten seine Söhne Nikolaus VII. und Peter IV. Nikolaus wurde in Graz und Wien ausgebildet, sprach Deutsch, Kroatisch, Ungarisch, Türkisch sowie Latein. Als Offizier der Habsburger kämpfte er in Mähren gegen die Schweden. Zur gleichen Zeit schuf er das ungarische Epos Der Fall von Sziget, in dem er die Heldentaten seines 1566 gefallenen Urgroßvaters verherrlichte. Er selbst kämpfte ebenfalls immer wieder gegen die Osmanen, wurde zum General und 1647 zum Ban von Kroatien ernannt. Zusammen mit seinem Bruder Peter zählte Nikolaus Zrínyi zu den herausragenden Persönlichkeiten des Türkenkrieges von 1663/64. Besondere Erwähnung verdient der Winterfeldzug im Januar 1664, in dessen Verlauf Nikolaus die strategisch wichtige Brücke von Osijek und das Grabmal mit dem Herzen von Sultan Süleyman I. bei Szigetvár zerstören ließ.

    Bis zu jener Zeit waren die Zrínyis verlässliche Verbündete des Kaiserhauses gewesen. Dies änderte sich nach der Krönung des späteren Kaisers Leopold I. zum König von Ungarn, der ab 1655 eine Politik der Gegenreformation sowie der Stärkung absolutistischer Macht in Ungarn betrieb. Nikolaus VII. Zrínyi stellte sich an die Spitze der nationalistischen Kräfte Kroatiens, die die Bestrebungen Kaiser Leopolds I. ablehnten. Wie viele andere ungarische und kroatische Adlige waren auch die Zrínyis erbitterte Gegner des Friedens von Eisenburg. Da Nikolaus Zrínyi nur drei Monate danach an den Folgen eines Jagdunfalls starb, blieb ihm keine Zeit, etwas dagegen zu tun. Anders verhielt es sich mit seinem jüngeren Bruder Peter IV. Zrínyi. Dieser war von 1665 bis 1671 Ban von Kroatien und einer der Anführer der antihabsburgischen Magnatenverschwörung, deren Auslöser die zunehmende Entmachtung der führenden ungarischen und kroatischen Adelsfamilien sowie die inakzeptablen Friedensbedingungen von 1664 waren. Nach sechsjähriger Vorbereitung brach die bewaffnete Rebellion aus, über die die Habsburger aber bereits umfassend informiert waren. Schnell wurde der Aufstand niedergeschlagen. Mit falschen Versprechungen wurde Peter IV. Zrínyi nach Wien gelockt, verhaftet und am 30. April 1671 als einer der Rädelsführer der Magnatenverschwörung hingerichtet. Selbst vor seiner Frau machte die Justiz der Habsburger nicht Halt. Ana Katarina Frankopan-Zrínyi wurde ebenfalls festgenommen und bis zu ihrem Tod in verschiedenen Klöstern interniert.

    Peter IV. Zrínyi stand spätestens seit 1659 im engen Kontakt mit Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen, der während des Dreißigjährigen Krieges die Schlagkraft und Verlässlichkeit kroatischer Reiter persönlich kennengelernt hatte. Nachdem die schlimmsten Folgen des Krieges behoben waren, reifte am Dresdener Hof der Wunsch, eine berittene Leibgarde aus erfahrenen kroatischen Kämpfern aufzustellen. Daher entwickelte sich ein intensiver Briefwechsel zwischen dem Kurfürsten bzw. seinen Vertretern und Peter Zrínyi, in dem alle nur denkbaren Details, wie beispielsweise die Person des Kommandeurs, der Aufgabenkatalog der Garde, die Höhe des Solds und eine dreimonatige Kündigungsfrist ausgehandelt wurden. Anfang Februar 1660 war die Werbung der Gardisten schließlich abgeschlossen, und die Truppe begab sich auf den Weg von Kroatien nach Pirna, wo Kurfürst Johann Georg II. seine neue berittene Leibgarde am 15. März 1660 erstmalig musterte. Bis zu ihrer Auflösung 1680 wurden immer wieder Musterungen abgehalten. Anhand der in diesem Zusammenhang verfassten Listen lassen sich Größe, Zusammensetzung und personelle Veränderungen der Garde nachvollziehen. Zum überwiegenden Teil bestand diese aus gebürtigen Kroaten, von denen in einigen Musterungslisten neben dem Namen auch Angaben über ihre genaue Herkunft, ihren gesellschaftlichen Rang und ihre früheren Anstellungen enthalten sind. Viele der Leibgardisten hatten demnach zuvor im Dienst der Grafen Zrínyi gestanden. Neben der reinen Wachfunktion gehörte auch der militärische Einsatz zu ihren Aufgaben, was beispielsweise im Fall von mehreren Angehörigen der kursächsischen Kroatenleibgarde belegt ist, die sich während des Türkenkrieges von 1663/64 im Gebiet der kroatischen Militärgrenze bei Karlovac und in der Nähe der nordkroatischen Stadt Varaždin unweit von Novi Zrin aufhielten. Als Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen 1664 anlässlich des Immerwährenden Reichstages nach Regensburg reiste, befand er sich nicht nur in Begleitung seiner Kroatenleibgarde, sondern auch von Peter Zrínyi, der mit ihm zusammen in der Kutsche saß.

    Nach dem Tod von Nikolaus VII. und Peter IV. sowie deren Frauen lebten aus dem alten kroatischen Adelsgeschlecht der Zrínyi nur noch fünf ihrer Kinder, von denen drei an dieser Stelle erwähnenswert sind. Adam Zrínyi, der jüngste Sohn von Nikolaus VII., wuchs in Wien auf und studierte dort sowie in Löwen Rechtswissenschaften und Festungsbaukunst. Er kam 1681 nach Čakovec zurück und kämpfte in der Folgezeit mehrfach gegen die Osmanen, u.a. war er 1683 am Entsatz Wiens beteiligt. Später ernannte man ihn zum Hauptmann des Legrader Kapitanats an der kroatisch-ungarischen Grenze. Adam Zrínyi fiel als Kavallerie-Oberstleutnant am 19. August 1691 in der für die Karlsruher Türkenbeute so wichtigen Schlacht von Slankamen.

    Ein tragisches Schicksal erlitten auch zwei der Kinder von Peter IV. Zrínyi. Seine Tochter Helena/Ilona heiratete 1666 Franz I. Rákóczi, der sich ebenfalls den absolutistischen Bestrebungen der Habsburger widersetzte und der Magnatenverschwörung anschloss. Früh verwitwet, heiratete sie 1682 mit Emmerich Thököly einen der Anführer der Kuruzenaufstände, die nach der Zerschlagung der Magnatenverschwörung ausbrachen und mit osmanischer Unterstützung das Königreich Ungarn von 1671 bis 1711 in Atem hielten. In Abwesenheit ihres Mannes leitete Helena Zrínyi von 1685 bis 1688 die Verteidigung der Burg von Munkács (heute Burg Palanok in der westlichen Ukraine) gegen eine kaiserliche Belagerungsarmee. Am Ende fiel die Burg in die Hände der Habsburger und Helena Zrínyi wurde verhaftet. Jahre später kam sie im Rahmen eines Gefangenenaustausches wieder frei, musste aber 1699 in Folge des Friedens von Karlowitz ins osmanische Exil nach Nikomedia gehen. Dort starb sie am 18. Februar 1703.

    Ihr jüngerer Bruder Johann IV. Anton Zrínyi wurde in Prag ausgebildet und sprach sieben Sprachen. Obwohl er den Habsburgern gegenüber loyal war, betrachtete ihn der Kaiser als eine Bedrohung. 1683 wurde er des Hochverrats beschuldigt und verhaftet. Die folgenden zwanzig Jahre verbrachte er in verschiedenen Gefängnissen, u.a. in der Rattenburg in Tirol und in den Kasematten des Grazer Schlossbergs. Johann IV. Anton Zrínyi, der letzte männliche Angehörige des alten kroatischen Adelsgeschlechts der Zrínyi, starb an einer Lungenentzündung am 11. November 1703 in Graz.

    Autor: Holger Schuckelt, Bildrechteinhaber: Badisches Landesmuseum, Foto: ARTIS - Uli Deck

    The Legacy of the Zrínyis

    European History in the Mirror of a Croatian Noble House

    The Ottoman conquest of the Balkans began only a few decades after the emergence of an initially small and weak emirate in northwestern Anatolia, which later became a world power in the form of the Ottoman Empire. Orhan, the son of the founder of the dynasty, Osman I, formed an alliance with the Byzantine pretender to the throne, John (VI) Kantakuzenos, in 1346. To support him, Orhan sent a contingent of troops three years later, whereby for the first time Ottoman warriors advanced far into European territory in larger numbers. Rivalries between Emperor John VI Kantakuzenos and the opposing Emperor John V Palaiologos led to civil war between 1352 and 1357, during which Ottoman mercenaries in the service of John VI occupied large parts of Thrace and were rewarded for this with the fortress of Çimpe, not far from Gallipoli. When in March 1354 the inhabitants abandoned Gallipoli, which had been badly destroyed by an earthquake, the city was taken possession of, rebuilt and fortified by Orhan's son, Süleyman Paşa. Gallipoli established itself as an important bridgehead for the Ottoman invasion of Europe. Within a few years, almost all of Thrace fell into the hands of the Ottomans, who now also controlled the Dardanelles. Under Sultan Murad I, Adrianople was taken and in 1365 he moved his capital from Bursa in Anatolia to the eastern Thracian city, which has since been called Edirne. In the following decades, the Ottomans advanced further and further north and west. Bulgaria and Macedonia were firmly incorporated into the Ottoman state, while Serbia and Wallachia were given the status of vassal states after the Battle of Kosovo Polje in 1389. In order to stop the Ottoman offensive, the Hungarian King Sigismund advanced with a crusader army against the northern Bulgarian city of Nicopolis, where the battle took place at the end of September 1396, in which the Ottomans devastatingly defeated the Christian troops.

    Only the conflict between Sultan Bayezid I and Timur, the Ottoman defeat at Ankara, the capture of the sultan and the subsequent eleven-year civil war in the Ottoman Empire gave the peoples of the Balkans a brief respite. Temporarily, they succeeded in stopping the Ottomans' advance. Some capable commanders, such as the Transylvanian Johann Hunyadi or the Albanian Georg Kastriota (called Skanderbeg), achieved considerable successes. Serious military setbacks moved Sultan Murad II to conclude a ten-year truce in Szeged in 1444 and to give up his claims to Serbia. However, at the insistence of the Pope and misjudging the real balance of power, the Polish-Hungarian King Władysław III/Vladislav I and John Hunyadi broke the just-signed treaty and, with the support of Venice and Burgundy, attacked the Ottomans again. On 10 November 1444, the battle took place at Varna, in which the crusader army of Sultan Murad II was devastatingly defeated. Hunyadi, who had fled the battlefield with difficulty, organised resistance against the Ottomans one last time. But with the defeat in the second battle on the Field of Blackbirds in 1448, the initiative finally passed back to the Ottomans. In 1453, Sultan Mehmed II conquered Constantinople. In 1453, Sultan Mehmed II conquered Constantinople and within a few years large parts of the Balkans fell into Ottoman hands. Only the relief of Belgrade and the crushing of the Ottoman siege in 1456 secured Hungary's temporary independence for another 70 years.

    In the first half of the 15th century, Croatia, whose nobility had recognised the suzerainty of the Hungarian kings as early as 1102, also became embroiled in conflicts with the Ottomans. Under the impression of the constant invasions of Ottoman horsemen, the battle-hardened son of Johann Hunyadi, Matthias Hunyadi alias Matthias Corvinus, was elected King of Hungary and Croatia in 1458. He managed to successfully defend his domain for over 30 years before decline set in under King Vladislav II. The Battle of Krbava Field on 9 September 1493, fought only three years after the death of Matthias Corvinus, had a massive impact on Croatia's history. The Ottoman victory virtually wiped out the Croatian nobility, leaving them dependent on military aid from Hungary and Austria. On the other hand, the decline of Hungary aroused the interest of Emperor Maximilian I. He intended to marry Archduke Ferdinand (I) to Anna, the daughter of King Vladislav II, and Maria, Ferdinand's sister, to Louis (II), the son of the King of Hungary. The Hungarian magnates fought these wedding plans under the leadership of the Slavonian nobleman Johann Zapolya. In 1521 the marriages initiated by Maximilian were nevertheless consummated, on which the Habsburgs based their later claims to the crowns of Hungary and Bohemia.

    Sultan Süleyman I had come to power only a year earlier. Ottoman troops roamed Hungary again and again and in 1529 were even at the gates of Vienna. Attacks as far as Styria and Carniola led as early as 1522 to Austrian mercenaries being sent to Croatia to build up a military border zone for defence together with colonists from the territories occupied by the Ottomans. After the death of King Louis II at the Battle of Mohács on 29 August 1526, Archduke Ferdinand (I) asserted his claim to the Hungarian crown. He was soon recognised as King of Bohemia, while he still had to fight for the Hungarian throne with John Zapolya. As a result of these battles and the occupation of Buda and central Hungary by the Ottomans, the country was finally divided into three parts in 1541. The eastern peripheral areas fell to Transylvania, which was a vassal state under Ottoman sovereignty. Northern and western Hungary (for the most part today's Slovakia, Burgenland and western Croatia) were incorporated into the Habsburg Empire as "Royal Hungary". And the areas of the Hungarian Plain, south-eastern Transdanubia and Banat conquered by Sultan Suleiman I were henceforth an integral part of the Ottoman Empire.

    After the Battle of Mohács, the Croatian estates exercised their right to appoint a ruler independently of Hungary. After Archduke Ferdinand (I) had given comprehensive assurances to repel the Ottomans, they elected him King of Croatia on 1 January 1527. With Austrian support, the country fought desperately against Ottoman superiority in the following decades. Among the Croatian noble families who distinguished themselves in these battles were the Zrínyis, who had emerged as a collateral line from the old Šubić noble family. In 1347, King Louis I of the House of Anjou had granted the castle of Zrin in central Croatia to George III. Šubić of Bribir, who as George I became the progenitor of the Zrínyis. Barely 150 years later, his great-grandson Peter II Zrínyi and his son Pavao III Zrínyi fell in the battle on the Krbava field. Peter's youngest son from his second marriage, Nicholas III Zrínyi, continued his father's battles against the Ottomans. The last years of his life were marked by the defence against the threat of the young Sultan Suleyman I. Nicholas III was one of the signatories of the Charter of Cetingrad, which confirmed Archduke Ferdinand (I) as King of Croatia. Nicholas had already visited Archduke Ferdinand in Vienna in October 1524. There they agreed to cede the fortresses of Novigrad and Dobra Njiva to Ferdinand, who in turn undertook to garrison them with Habsburg troops and to provide Nicholas Zrínyi with the means to maintain a cavalry unit.

    Nicholas IV Zrínyi, one of the sons of Nicholas III, is one of the most famous heroes in Croatian history. Even as a young man he distinguished himself in the battles against the Ottomans, including the first siege of Vienna in 1529. During the siege of Ofen in autumn 1542 he was a comrade-in-arms of the later Elector Moritz of Saxony. Moritz had rushed to the aid of Ferdinand's troops with one thousand men. On 1 October 1542, fierce fighting broke out before Ofen, in the course of which Duke Moritz courageously threw himself on the enemy when his horse was killed under him. It is also said of Nicholas IV Zrínyi that he prevented a defeat of the Christian troops with his courageous intervention. In the same year, he was appointed Ban of Croatia. For his services, Ferdinand I raised him to the rank of count in 1554. Three years later he became commander of Szigetvár, in 1561 royal Hungarian treasurer and in 1563 commander-in-chief of the royal troops in Transdanubia. In this capacity he defeated the Ottomans at Schaas the following year. Sultan Süleyman I counterattacked. At the beginning of August 1566, the siege of Szigetvár began, but he did not live to see its victorious end. Suleyman died in the camp on 6 September 1566. Two days later, Nicholas IV Zrínyi made a last attempt to break out with the few soldiers he had left. Badly wounded, he fell into captivity and was beheaded. Today, Sultan Süleyman I and Nicholas IV Zrínyi are commemorated together in the Park of Hungarian-Turkish Friendship near Szigetvár.

    The following generations of Zrínyis also stood their ground in the fight against the Ottomans. Among them was George IV Zrínyi, son of the hero of Szigetvár, who was not only a successful general but also the founder of one of the first book printing houses in Croatia in the early 1570s. His son from his second marriage, George V. Zrínyi, was appointed Ban of Croatia in 1622. In the course of his military career, he fought against the Ottomans several times and was used as a commander of Croatian horsemen in the Thirty Years' War. George V Zrínyi died in 1626 in the military camp outside Pressburg. His sons Nicholas VII and Peter IV became famous. Nicholas was educated in Graz and Vienna, spoke German, Croatian, Hungarian, Turkish and Latin. As an officer of the Habsburgs he fought against the Swedes in Moravia. At the same time he wrote the Hungarian epic The Fall of Sziget, in which he glorified the heroic deeds of his great-grandfather, who fell in 1566. He himself also fought repeatedly against the Ottomans, was appointed general and in 1647 Ban of Croatia. Together with his brother Peter, Nicholas Zrínyi was one of the outstanding figures of the Turkish War of 1663/64. The winter campaign in January 1664 deserves special mention, in the course of which Nicholas had the strategically important bridge of Osijek and the tomb with the heart of Sultan Süleyman I destroyed near Szigetvár.

    Until that time, the Zrínyis had been reliable allies of the imperial house. This changed after the coronation of the future Emperor Leopold I as King of Hungary, who from 1655 pursued a policy of counter-reformation and the strengthening of absolutist power in Hungary. Nicholas VII Zrínyi placed himself at the head of the Croatian nationalist forces, which rejected the aspirations of Emperor Leopold I. Like many other Hungarian and Croatian nobles, the Zrínyis were bitter opponents of the Peace of Eisenburg. Since Nicholas Zrínyi died only three months later as the result of a hunting accident, he had no time to do anything about it. The situation was different with his younger brother Peter IV. Zrínyi. He was Ban of Croatia from 1665 to 1671 and one of the leaders of the anti-Habsburg magnate conspiracy, which was triggered by the increasing disempowerment of the leading Hungarian and Croatian noble families and the unacceptable peace terms of 1664. After six years of preparation, the armed rebellion broke out, but the Habsburgs were already fully informed about it. The rebellion was quickly put down. With false promises, Peter IV. Zrínyi was lured to Vienna with false promises, arrested and executed on 30 April 1671 as one of the ringleaders of the magnate conspiracy. The Habsburgs' justice did not even stop at his wife. Ana Katarina Frankopan-Zrínyi was also arrested and interned in various convents until her death.

    Peter IV. Zrínyi had been in close contact with Elector Johann Georg II of Saxony since 1659 at the latest, who had become personally acquainted with the effectiveness and reliability of Croatian horsemen during the Thirty Years' War. After the worst consequences of the war had been remedied, the desire to raise a mounted bodyguard of experienced Croatian fighters matured at the Dresden court. Therefore, an intensive correspondence developed between the Elector or his representatives and Peter Zrínyi, in which all conceivable details were negotiated, such as the person of the commander, the catalogue of duties of the Guard, the amount of the pay and a three-month notice period. At the beginning of February 1660, the recruitment of the guardsmen was finally completed and the troop set off from Croatia to Pirna, where Elector Johann Georg II inspected his new mounted bodyguard for the first time on 15 March 1660. Musterings were held again and again until their disbandment in 1680. The lists drawn up in this connection make it possible to reconstruct the size, composition and changes in personnel of the Guard. For the most part, the Guard consisted of native Croats, some of whose muster lists contain their names as well as details of their exact origins, their social rank and their previous employment. Many of the bodyguards had therefore previously been in the service of the Counts Zrínyi. In addition to the pure guard function, military deployment was also part of their duties, which is documented, for example, in the case of several members of the Electoral Saxon Croatian Life Guards who were in the area of the Croatian military border near Karlovac and near the northern Croatian town of Varaždin not far from Novi Zrin during the Turkish War of 1663/64. When Elector John George II of Saxony travelled to Regensburg in 1664 on the occasion of the Perpetual Diet, he was accompanied not only by his Croatian bodyguard, but also by Peter Zrínyi, who sat with him in the carriage.

    After the death of Nicholas VII and Peter IV and their wives, only five of their children were still alive from the old Croatian noble family of the Zrínyi, three of whom are worth mentioning here. Adam Zrínyi, the youngest son of Nicholas VII, grew up in Vienna and studied law and fortification engineering there and in Leuven. He returned to Čakovec in 1681 and subsequently fought against the Ottomans several times, including participating in the relief of Vienna in 1683. Later, he was appointed captain of the Legrad Capitanate on the Croatian-Hungarian border. Adam Zrínyi fell as a cavalry lieutenant colonel on 19 August 1691 in the Battle of Slankamen, which was so important for the Karlsruhe Turkish booty.

    A tragic fate was also suffered by two of Peter IV's children. Zrínyi. His daughter Helena/Ilona married Franz I Rákóczi in 1666, who also opposed the absolutist aspirations of the Habsburgs and joined the magnate conspiracy. Widowed at an early age, she married Emmerich Thököly in 1682, one of the leaders of the Kuruc uprisings that broke out after the crushing of the Magnate Conspiracy and, with Ottoman support, kept the Kingdom of Hungary in suspense from 1671 to 1711. In the absence of her husband, Helena Zrínyi led the defence of Munkács Castle (now Palanok Castle in western Ukraine) against an imperial siege army from 1685 to 1688. In the end, the castle fell into Habsburg hands and Helena Zrínyi was arrested. Years later she was released in a prisoner exchange, but as a result of the Peace of Karlowitz she had to go into Ottoman exile in Nicomedia in 1699. She died there on 18 February 1703.

    Her younger brother Johann IV. Anton Zrínyi was educated in Prague and spoke seven languages. Although loyal to the Habsburgs, the emperor considered him a threat. In 1683 he was accused of high treason and arrested. He spent the next twenty years in various prisons, including the Rattenburg in Tyrol and the casemates of the Schlossberg in Graz. Johann IV. Anton Zrínyi, the last male member of the old Croatian noble family of the Zrínyi, died of pneumonia on 11 November 1703 in Graz.

    Author: Holger Schuckelt, Image copyright holder: Badisches Landesmuseum, Photo: ARTIS - Uli Deck

  • Portrait des Markgrafen Leopold Wilhelm von Baden-Baden / Portrait of Margrave Leopold Wilhelm of Baden-Baden

    Portrait des Markgrafen Leopold Wilhelm von Baden-Baden / Portrait of Margrave Leopold Wilhelm of Baden-Baden

    Markgraf Leopold Wilhelm von Baden-Baden in ungewohnter Kleidung

    Öl auf Leinwand; H. 165 cm, B. 130 cm, T. 3 cm; Salem, Haus Baden, SKH Markgraf von Baden – deutsch, 2. Hälfte 17. Jahrhundert

    In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nahmen mehrere badische Markgrafen an den „Türkenkriegen“ in Ostmittel- und Südosteuropa teil, erreichten hohe militärische Ränge und waren weit über die Grenzen ihres Territoriums hinaus bekannt. Der prominenteste unter diesen Männern wurde im Verlauf der Geschichte der Türkenlouis, wie Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden in Anspielung auf seine militärischen Erfolge gegen die Osmanen bis heute genannt wird. Sein Onkel, Markgraf Hermann von Baden-Baden, war Gouverneur von Raab, koordinierte als Präsident des Hofkriegsrates die militärischen Angelegenheiten der Habsburgermonarchie und sammelte osmanische Beutestücke, die er seinem Neffen später vermachte. Heute zählen diese Stücke zu einem wesentlichen Bestandteil der Karlsruher Türkenbeute.

    Weniger bekannt als diese beiden Männer ist der auf dem Portrait dargestellte Markgraf Leopold Wilhelm von Baden-Baden. Ob er ebenso wie sein Bruder Hermann und sein Neffe Ludwig Wilhelm osmanische Trophäen besaß, ist nicht bekannt. Leopold Wilhelm durchquerte bereits in den frühen 1660er-Jahren Ostmitteleuropa, als er mit einem Heer unter Raimondo Montecuccoli nach Siebenbürgen aufbrach, um dort gegen die Osmanen zu kämpfen. Zur entscheidenden Schlacht kam es erst im August 1664 bei Mogersdorf/St. Gotthard an der Raab, wo der mittlerweile zum Reichsgeneralfeldmarschall ernannte Leopold Wilhelm das Reichskontingent befehligte. Ob der Markgraf das Portrait wohl nach der Schlacht in Auftrag gab, um damit seinen persönlichen Beitrag am Sieg der Kaiserlichen zu feiern und in Erinnerung zu behalten?

    Die rechte Hand locker auf die Hüfte gestützt, tätschelt er mit der linken den Kopf eines Jagdhundes. Leopold Wilhelms voluminöser Körper ist in einen dunkelblauen langen Mantel gehüllt, dessen Ärmel sich knapp über den Ellbogen weiten und ab dort transparent sind. Um die Taille trägt der Markgraf eine rot-weiße Schärpe mit goldenen Fransen. Rechts neben ihm ist ein Turban zu sehen. Den Hintergrund bilden eine Säule sowie von Gras überwachsene Ruinen. Noch weiter in der Ferne ist eine Landschaft angedeutet, in deren Mitte ein Kirchturm steht. Ob es sich dabei wohl um jenen des Klosters von St. Gotthard an der Raab handelt?

    Das erstmals einer breiten Öffentlichkeit im Rahmen einer Ausstellung präsentierte Gemälde folgt in seiner Ikonographie den gängigen Herrscherbildnissen des 17. Jahrhunderts. So öffnet sich hinter dem Dargestellten ein Landschaftsprospekt in der Tradition der italienischen Renaissance. Auffallend ist darüber hinaus die Bekleidung des Markgrafen, die ein weiteres in dieser Zeit häufig auftretendes ikonographisches Sujet aufgreift. Europäische Fürsten, Feldherren und Diplomaten ließen sich nämlich in osmanischer bzw. osmanisch anmutender Tracht portraitieren, um damit ihrer Faszination für eine fremde Kultur Ausdruck zu verleihen. Gleichzeitig unterstrichen sie damit auch ihren Sieg über die Osmanen, präsentierten sie sich doch als Sieger im Gewand des Besiegten.

    Dieser Modetrend erreichte auch die Markgrafschaft Baden-Baden, denn nicht nur Leopold Wilhelm, sondern auch der Türkenlouis und dessen Frau Sibylla Augusta gaben Bildnisse in Auftrag, die sie in entsprechender Kleidung zeigen.

    Autorin: Angelika Hausegger, Bildrechteinhaber: Salem, Haus Baden, SKH Markgraf von Baden

    Margrave Leopold Wilhelm of Baden-Baden in Unaccustomed Clothing

    Oil on canvas; h. 165 cm, w. 130 cm, d. 3 cm; Salem, House of Baden, SKH Margrave of Baden - German, 2nd half of 17th century

    In the second half of the 17th century, several margraves of Baden took part in the "Turkish Wars" in East-Central and South-Eastern Europe, attained high military ranks and were known far beyond the borders of their territory. The most prominent among these men in the course of history became the Turkish Louis, as Margrave Ludwig Wilhelm of Baden-Baden is still called today in allusion to his military successes against the Ottomans. His uncle, Margrave Hermann of Baden-Baden, was Governor of Raab, coordinated the military affairs of the Habsburg Monarchy as President of the Court War Council and collected Ottoman loot, which he later bequeathed to his nephew. Today, these pieces are an essential part of the Karlsruhe Turkish Loot.

    Less well known than these two men is Margrave Leopold Wilhelm of Baden-Baden, who is depicted in the portrait. It is not known whether he, like his brother Hermann and his nephew Ludwig Wilhelm, possessed Ottoman trophies. Leopold Wilhelm had already crossed east-central Europe in the early 1660s, when he set out with an army under Raimondo Montecuccoli to fight the Ottomans in Transylvania. The decisive battle did not take place until August 1664 at Mogersdorf/St. Gotthard an der Raab, where Leopold Wilhelm, who had meanwhile been appointed Imperial Field Marshal, commanded the Imperial contingent. I wonder if the Margrave commissioned the portrait after the battle to celebrate and remember his personal contribution to the Imperial victory.

    His right hand resting loosely on his hip, he pats the head of a hunting dog with his left. Leopold Wilhelm's voluminous body is wrapped in a dark blue long coat whose sleeves widen just above the elbow and are transparent from there on. Around his waist the margrave wears a red and white sash with golden fringes. A turban can be seen to his right. The background is formed by a column and ruins overgrown with grass. Even further in the distance a landscape is indicated, in the middle of which stands a church tower. I wonder if this is that of the monastery of St. Gotthard an der Raab.

    Presented to the public for the first time in an exhibition, the painting's iconography follows the standard 17th-century portraits of rulers. Thus, a landscape prospect in the tradition of the Italian Renaissance opens up behind the sitter. The margrave's clothing is also striking, picking up on another iconographic subject frequently encountered in this period. European princes, commanders and diplomats had themselves portrayed in Ottoman or Ottoman-like costume in order to express their fascination for a foreign culture. At the same time, they underlined their victory over the Ottomans by presenting themselves as victors in the garb of the vanquished.

    This fashion trend also reached the Margraviate of Baden-Baden, for not only Leopold Wilhelm, but also the Turkish Louis and his wife Sibylla Augusta commissioned portraits showing them in appropriate clothing.

    Author: Angelika Hausegger, Image copyright holder: Salem, House of Baden, SKH Margrave of Baden

  • Figurenuhr-Elefant / Figure clock elephant

    Figurenuhr-Elefant / Figure clock elephant

    Im Fürstlichen Panoptikum der Tiere

    Kupfer, vergoldet, getrieben, ziseliert, Bronze/Messing, gegossen, vergoldet, Silber, Eisen, Eisen, gebläut, Silberbronze, Email auf Kupfer; H. 55 cm, B. 38 cm, T. 31 cm; Eisenstadt, Sammlung Privatstiftung Esterházy Inv. K 374 – Meister: Erasmus Biernbrunner, Augsburg, um 1580

    Mit Paul I. Esterházy manifestierte sich in Ungarn eine Sammlerpersönlichkeit, die mit Leidenschaft und Willen zur Ebenbürtigkeit mit den führenden Häusern Europas ihre Sammlerleidenschaft betrieb. Paul Esterházy erreichte 1687 mit der Verleihung des Fürstentitels durch Kaiser Leopold I. seinen politischen Zenit und begann nun vermehrt seiner Position und Macht repräsentativen Ausdruck zu verleihen. Hierzu gehörte natürlich auch eine Sammlung wertvoller Naturalia, Artificialia, Scientifica, Exotica, Memorabilia, Mirabilia etc., wie man sie etwa zu dieser Zeit in den Kunstkammern der Habsburger fand. 1654 verwahrte er seine noch nicht signifikant gewachsene Sammlung in Truhen. Im Jahr 1685 werden dann bereits unzählige Kostbarkeiten und Raritäten genannt, die auf eine unglaublich rege und leidenschaftliche Sammeltätigkeit sowie einen finanzkräftigen Magnaten schließen lassen. Über Jahre hinweg hatte Paul seine Schätze ausgewählt, zusammengetragen und sorgsam verwahrt, aber auch erlesene Geschenke in den Bestand eingereiht. Als Burg Forchtenstein in den 1690er-Jahren einen bemerkenswerten Ausbau erfuhr, wurden im neu geschaffenen untersten Stockwerk des Nordflügels des barocken Hochschlosses die bis heute bestehenden Räumlichkeiten der Schatzkammer erweitert und mit Sammlungsschränken ausgestattet.

    Paul I. Esterházy war unbestritten ein stolzer Sammler, der wohl auch gerne seine Gäste persönlich in seine Kunstkammer führte und dabei das eine oder andere Glanzstück aus einem Futteral, Schrank oder seinem Kästchen holte. Oft fanden solcherart Kunstwerke ihren Weg auch in die Wohn- und Repräsentationsbereiche, wo so manches Objekt, wie eine Uhr, ein Automat oder ein exquisites Einrichtungsstück, kurzzeitig für Erstaunen oder aber Erheiterung sorgte. So mit Sicherheit auch der Uhrenautomat in Form eines Elefanten, der in einem spannenden kontextuellen Zusammenhang innerhalb der Esterházy-Schatzkammer zu stehen scheint: Vermutlich war der Uhrenautomat ursprünglich als diplomatisches Ehrengeschenk an die Pforte gedacht gewesen – das bezeugen die rudimentären Spuren von osmanischen Kardinalziffern eines älteren, darunter liegenden Uhrenblattes, das im Rahmen einer Restaurierung 2014 entdeckt wurde –, hatte aber letztlich Eingang in die Bestände der Schatzkammer auf Burg Forchtenstein gefunden.

    Das Kunstkammerstück rollte einst mit einem im Sockel verborgenen Fahrwerk, die Augen des Elefanten bewegten sich hierbei ebenfalls, und bei jedem Stundenschlag begannen sich die osmanischen Soldaten im Türmchen zu drehen. Außer diesem Automaten mit einem Tier aus exotischen Landen besaß der Fürst u.a. auch einen Bacchus- und einen heute verschollenen Löwenautomaten. Die Figurenuhr des Elefanten wird im Schatzkammerinventar von 1685 in der Rubrik „Anzahl allerlei Uhren“ genannt und als „eine sehr schöne Tischuhr mit einem Elefanten“ beschrieben. Elf Jahre später, im Inventar von 1696, wird das Kunstobjekt schon etwas eindrücklicher als „horologium deauratum cum Elephante Turrim bajulante“ beschrieben.

    Der Phantasie waren in der Gestaltung von beweglichen Tierautomaten kaum Grenzen gesetzt, und so kreierte man neben Elefanten und Löwen beispielsweise auch Bären, Hirsche, Affen, Federvieh oder Spinnen, um dem erlesenen fürstlichen Geschmack Genüge zu tun. Automaten in Form von Tieren in Kombination mit Uhrwerken waren begehrte Stücke in den Kunstkammern des Hochadels, die bei Vorführungen den erlauchten Gästekreis verzückten. Ein Blick in das Schatzkammer-Inventar von 1685 verstärkt diesen Eindruck, denn neben den bereits erwähnten Automaten finden sich weitere Stücke u.a. in Form einer Schildkröte, eines schwarzen Adlers, eines Hirschen und zuletzt eine Uhr, auf der, wie es heißt, „Orpheus musiziert und die Wilden (vermutlich: Tiere) tanzen“.

    Autor: Florian T. Bayer, Bildrechteinhaber: Forchtenstein, Privatstiftung Esterházy

    In the Princely Panopticon of Animals

    Copper, gilt, chased, chased, bronze/brass, cast, gilt, silver, iron, iron, blued, silver bronze, enamel on copper; h. 55 cm, w. 38 cm, d. 31 cm; Eisenstadt, Privatstiftung Esterházy Collection Inv. K 374 - Master: Erasmus Biernbrunner, Augsburg, c. 1580

    With Paul I Esterházy a collector's personality manifested itself in Hungary, who pursued his passion for collecting with passion and the will to be on a par with the leading houses of Europe. Paul Esterházy reached his political zenith in 1687 with the conferral of the title of prince by Emperor Leopold I and now began increasingly to give representative expression to his position and power. This naturally included a collection of valuable naturalia, artificialia, scientifica, exotica, memorabilia, mirabilia, etc., such as were found in the Habsburgs' art chambers around this time. In 1654 he stored his collection, which had not yet grown significantly, in chests. In 1685, countless treasures and rarities were already mentioned, indicating an incredibly active and passionate collector and a financially strong magnate. For years, Paul had selected, collected and carefully stored his treasures, but also added exquisite gifts to the inventory. When Forchtenstein Castle underwent a remarkable expansion in the 1690s, the newly created lowest floor of the north wing of the Baroque High Castle was extended and equipped with collection cabinets.

    Paul I Esterházy was undoubtedly a proud collector who liked to show his guests around his art chamber in person, taking one or other of his gems out of a case, cabinet or box. Such works of art often found their way into the living and representation areas, where many an object, such as a clock, an automaton or an exquisite piece of furniture, caused astonishment or amusement for a short time. This is certainly the case with the clock automaton in the shape of an elephant, which seems to have an exciting contextual connection within the Esterházy treasury: presumably the clock automaton had originally been intended as a diplomatic gift of honour to the gate - as evidenced by the rudimentary traces of Ottoman cardinal numerals on an older clock face underneath, which was discovered during a restoration in 2014 - but had ultimately found its way into the holdings of the treasury at Forchtenstein Castle.

    The Kunstkammer piece once rolled with a carriage hidden in the base, the elephant's eyes also moved in the process, and with each stroke of the hour the Ottoman soldiers in the turret began to turn. In addition to this automaton with an animal from exotic lands, the prince also owned, among others, a Bacchus automaton and a lion automaton, now lost. The figural clock of the elephant is mentioned in the treasury inventory of 1685 under the heading "Number of all kinds of clocks" and described as "a very beautiful table clock with an elephant". Eleven years later, in the inventory of 1696, the art object is already described somewhat more impressively as a "horologium deauratum cum Elephante Turrim bajulante".

    There were hardly any limits to the imagination in the design of movable animal automata, and so, in addition to elephants and lions, bears, deer, monkeys, feathered creatures or spiders were also created to satisfy the exquisite taste of princes. Automata in the form of animals in combination with clockworks were sought-after pieces in the art chambers of the high nobility, which enchanted the illustrious circle of guests during demonstrations. A glance at the treasury inventory of 1685 reinforces this impression, for in addition to the automata already mentioned, there are other pieces in the form of a turtle, a black eagle, a stag and finally a clock on which, as it says, "Orpheus makes music and the savages (presumably: animals) dance".

    Author: Florian T. Bayer, Image copyright holder: Forchtenstein, Privatstiftung Esterházy

  • Automatenuhr - Osmanischer Reiter / Vending Machine Clock - Ottoman Horseman

    Automatenuhr - Osmanischer Reiter / Vending Machine Clock - Ottoman Horseman

    Eine Türkenverehrung besonderer Art

    Bronze, feuervergoldet mit Kaltemail (Figur) und Kupfer, feuervergoldet (Gehäuse); H. 46 cm, B. 31,7 cm, T. 26,5 cm; Basel, Historisches Museum Basel, Legat Carl und Lini Nathan-Rupp Inv. 1982.1162 – Augsburg um 1580

    In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gelangte das Uhrmacherhandwerk zu einer außerordentlichen Blüte. Besonders Stücke aus den Werkstätten von Augsburg wurden an den Höfen Europas und des Osmanischen Reiches sehr geschätzt. Deshalb wurden Augsburger Uhren mit besonderem Automatenantrieb und andere kostbare Kunstkammerstücke neben hohen Geldbeträgen zu einem integralen Bestandteil der Tributzahlungen, welche die Habsburger an den Paşa von Ofen, dem heutigen Budapest, sowie an den Sultan und dessen Würdenträger in İstanbul leisten mussten. „Türkenverehrung“ nannten die Wiener spöttisch diese Gaben, welche zur Erhaltung des Friedens zwischen 1548 und 1590 an Süleyman II. und dessen Nachfolger entrichtet wurden. Dabei sollten die Geschenke nicht nur die vertraglich geregelten Zahlungen visuell aufwerten, sondern auch einen Eindruck der technischen Überlegenheit und des Wohlstandes im christlichen Europa vermitteln.

    Aus diesem Grund wurden schon früh zusammen mit den Automatenuhren regelmäßig auch Uhrmacher in den diplomatischen Gesandtschaften an den Bosporus geschickt, um dort die kostbaren Geschenke zu warten und zu reparieren. Verschiedene Quellen berichten, dass am Hof von Murad III. Darstellungen von Menschen und Tieren trotz des bei den Sunniten praktizierten Bilderverbotes sehr beliebt waren. So bestellte etwa der Paşa von Ofen 1581 bei Kaiser Rudolf II. explizit „neueste mechanische Werke in Gestalt von Menschen und Tieren, die sich von selbst bewegen“, um sie dann seinerseits dem Sultan zur Beschneidung von dessen Sohn Mehmed, dem späteren Mehmed III., zu schenken.

     

    Unter diesen Stücken befanden sich vielleicht auch Automatenuhren mit reitendem Sultan, von denen sich heute sechs verschiedene Exemplare erhalten haben. Baron Wenceslas Wratislaw von Mitrowitz nannte jedenfalls in seinen Reisebeschreibungen aus dem Osmanischen Reich eine Augsburger Uhr mit reitendem Sultan am Hofe Murads III.

    Das Gehäuse des Basler Exemplars besteht aus getriebenem und feuervergoldetem Kupfer. Es erhebt sich über einem ovalen Grundriss auf vier gedrückten, bronzenen Kugelfüßen und bildet einen gestuften Sockel. Dieser ist in der gewölbten unteren Partie mit getriebenen Früchten und vier Jagdszenen in Rollwerkkartuschen verziert. Auf der Standfläche sind das Zifferblatt mit römischen Zahlen und eine Weckerscheibe mit arabischen Ziffern eingelassen, die von gravierten Schlangen, Eidechsen und Schnecken umgeben sind. Darüber erhebt sich das feuervergoldete Pferd mit Reiter, der von einem Hund begleitet wird. Gesicht und Hände des Würdenträgers sind mit Kaltemail bunt bemalt. In der linken Hand führt er die Zügel, in der rechten hält er ein Zepter, das sich zusammen mit dem Kopf zu jeder Stunde bewegt, während die Augen des Pferdes zum Gehwerk rollen.

    Die Figur des reitenden Sultans lässt sich auf Darstellungen von Süleyman dem Prächtigen zurückführen, die Sebald Beham und Pieter Coecke van Aelst als Holzschnitte publiziert hatten und die als Vorbilder für Illustrationen in verschiedenen Kostümsammlungen dienten. So wurde zum Beispiel Murad III. von Abraham de Bruyn in seinem Diversarum gentium armaturam equestris (Reiterdarstellungen verschiedener Länder) von 1577 gleich wie Behams Süleyman dargestellt. In der Folge wurde der reitende Sultan auf der Uhr zur ultimativen Herrscherfigur, welche die traditionell mit dem Reiterbildnis verbundene Vorstellung von Lenkkraft und Willensstärke mit einem mechanischen Meisterwerk vereinte. Deshalb ist auch die Augsburger Uhr ein exzellentes Beispiel dafür, wie Bilder, Ideen und Waren in einer Epoche migrierten, in der sich der direkte militärische Konflikt zum diplomatischen Austausch wandelte. Die Uhr spiegelt nicht nur die zunehmende Faszination der Europäer für Prunk, Macht und Andersartigkeit der Osmanen, sondern auch eine allgemeine Neugier am Unbekannten, Fremden und Exotischen.

    Autor: Marc Fehlmann, Bildrechteinhaber: Historisches Museum Basel

    A special kind of Turkish worship

    Bronze, fire-gilt with cold enamel (figure) and copper, fire-gilt (case); h. 46 cm, w. 31.7 cm, d. 26.5 cm; Basel, Historisches Museum Basel, bequest Carl and Lini Nathan-Rupp Inv. 1982.1162 - Augsburg c. 1580

    In the second half of the 16th century, the clockmaker's craft flourished to an extraordinary degree. Especially pieces from the workshops of Augsburg were highly valued at the courts of Europe and the Ottoman Empire. For this reason, Augsburg clocks with a special automaton drive and other precious Kunstkammer pieces became an integral part of the tribute payments that the Habsburgs had to make to the Paşa of Ofen, today's Budapest, as well as to the Sultan and his dignitaries in İstanbul, in addition to large sums of money. The Viennese derisively called these gifts, which were paid to Süleyman II and his successors between 1548 and 1590 to maintain peace, "Turk worship". The gifts were not only intended to visually enhance the payments regulated by the treaty, but also to convey an impression of the technical superiority and prosperity of Christian Europe.

    For this reason, watchmakers were regularly sent to the Bosphorus along with the automatic clocks in the diplomatic legations to maintain and repair the precious gifts. Various sources report that at the court of Murad III, depictions of people and animals were very popular despite the ban on images practised by the Sunnis. In 1581, for example, the Paşa of Ofen explicitly ordered from Emperor Rudolf II "the latest mechanical works in the shape of people and animals that move by themselves", in order to then in turn present them to the Sultan for the circumcision of his son Mehmed, later Mehmed III.


    Among these pieces were perhaps automaton clocks with the Sultan on horseback, of which six different examples have survived today. In any case, Baron Wenceslas Wratislaw von Mitrowitz mentioned in his travelogues from the Ottoman Empire an Augsburg clock with a riding sultan at the court of Murad III.

    The case of the Basel example is made of chased and fire-gilded copper. It rises above an oval ground plan on four pressed bronze ball feet and forms a stepped base. The curved lower part is decorated with chased fruits and four hunting scenes in scrollwork cartouches. On the base are the dial with Roman numerals and an alarm disc with Arabic numerals surrounded by engraved snakes, lizards and snails. Above this rises the fire-gilt horse with rider accompanied by a dog. The dignitary's face and hands are colourfully painted with cold enamel. In his left hand he holds the reins, in his right he holds a sceptre, which moves together with his head at every hour, while the horse's eyes roll to the walk.

    The figure of the Sultan on horseback can be traced back to depictions of Suleyman the Magnificent published as woodcuts by Sebald Beham and Pieter Coecke van Aelst, which served as models for illustrations in various costume collections. For example, Murad III was depicted in the same way as Beham's Suleyman in his Diversarum gentium armaturam equestris (Equestrian Depictions of Various Countries) of 1577 by Abraham de Bruyn. Subsequently, the riding sultan on the clock became the ultimate ruler figure, uniting the idea of steering power and strength of will traditionally associated with the equestrian portrait with a mechanical masterpiece. For this reason, the Augsburg clock is also an excellent example of how images, ideas and goods migrated in an era in which direct military conflict was transformed into diplomatic exchange. The clock reflects not only the Europeans' increasing fascination with the splendour, power and otherness of the Ottomans, but also a general curiosity about the unknown, the foreign and the exotic.

    Author: Marc Fehlmann, Image copyright holder: Historisches Museum Basel

  • Prunkköchergarnitur / State quiver set

    Prunkköchergarnitur / State quiver set

    Des Truchsessen güldener Köcher

    Silberblech, teilweise vergoldet, durchbrochen, graviert, Leder; Bogenköcher: H. 76 cm, B. 35 cm, Pfeilköcher: H. 42,5 cm, B. 24 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. D 91 und D 92 – Meistermarke LN, siebenbürgisch, 1627

    Unter den Köchergarnituren, die bereits 1771 im Inventar der „Türckischen Kammer“ in Rastatt verzeichnet wurden, verdient ein Paar aus Bogen- und Pfeilköcher besondere Beachtung. Die Garnitur legt Zeugnis ab von den im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts weit reichenden politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Siebenbürgen und dem Osmanischen Reich. Inmitten des Dreißigjährigen Krieges, an dem nahezu sämtliche europäischen Reiche mit unterschiedlichen dynastischen Interessenskonflikten beteiligt waren, entstanden auf siebenbürgischem Boden edle Goldschmiedearbeiten. Charakteristisch für diese Arbeiten war ein auffälliger Mischstil, der sich zu gleichen Teilen aus Elementen der morgenländischen und abendländischen Ornamentik bediente.

    Auf mattgrüner Lederunterlage zeigen die Schauseiten einen mit kugelförmigen Silbernägeln aufgenieteten Zierbeschlag aus reich durchbrochenem und vergoldetem Silberblech. Zwischen Randleisten ranken sich gravierte Arabesken, die durch ein komplexes System aus Überschneidungen den Eindruck von Dreidimensionalität erzeugen. In der Reihung von gefiederten Lanzettblättern zitiert die Arabeske das zu den beliebtesten Dekorelementen der Osmanen zählende, ursprünglich aus dem persischen Kulturkreis übernommene und mit dem byzantinischen Akanthusblatt verschmolzene sāz-Blatt. Ein Rundmedaillon an der breitesten Stelle des Bogenköchers lässt die Blattranke um eine höchst naturalistisch anmutende Rosette kreisen. Gefasst wird das Medaillon von einem Kreisband, auf dem eine lateinische Umschrift von dem einstigen Besitzer kündet. Es ist die im Jahr 1627 für Georg Ujlaki de Sárköz-Ujlak geschaffene Arbeit eines siebenbürgischen Goldschmieds, dessen Meistermarke unter dem Kürzel LN an den oberen Ecken der äußeren Randleisten prangt. Bis heute konnte das Kürzel des Goldschmiedes nicht entschlüsselt werden, zumal die Meistermarke weder in der Goldschmiedeliste noch in den Rechnungen der Stadt Klausenburg oder gar des fürstlichen Auftraggebers vermerkt wurde. Zusätzlich erschwert die nicht vorhandene Kontrollmarke auf Erzeugnissen aus Klausenburg die Zuordnung. Auch über Georg Ujlaki de Sárköz-Ujlak ist wenig Biographisches überliefert. Bekannt ist lediglich, dass es sich bei ihm um den Truchsess des berühmten Fürsten von Siebenbürgen, Gabriel Bethlen, handelte. Im Jahre 1613 mit Unterstützung des osmanischen Heeres an die Macht gekommen, war Gabriel Bethlen nicht nur einer der glühenden Verfechter des Protestantismus und eine wichtige Figur im Generalstab des politischen Calvinismus, sondern auch ein erklärter Gegner der katholischen Habsburger. Während seiner Regierungszeit bis 1629 wurde er zum Anführer eines antihabsburgischen Aufstandes im Königlichen Ungarn auf dem Gebiet der heutigen Slowakei, musste sich aber mit dem Frieden von Pressburg 1626 von seinen ambitionierten Vorhaben verabschieden und widmete sich bis zu seinem Tod der Förderung der Künste.

    Seit 1541 unterstand Siebenbürgen der osmanischen Oberhoheit. Das Fürstentum konnte sich eine gewisse Selbstständigkeit bewahren und blieb christlich. In den Jahren der künstlerischen und wirtschaftlichen Blüte siedelten sich Waffen- und Goldschmiede aus den osmanisch besetzten Gebieten Ungarns in Siebenbürgen an. Deren wichtigste Städte lagen an den Handelsknotenpunkten zwischen den Reichen, weshalb hier ansässige Goldschmiede Prunkwaffen für den osmanischen wie für den habsburgischen Geschmack herstellten. Mag diese Köchergarnitur auch insgesamt eher orientalisch anmuten und vielleicht sogar nach einem osmanischen Vorbild gefertigt worden sein – Details wie die Rosette, die Einfassung der Arabesken durch Randleisten oder die Gravur verraten zweifellos den abendländischen Kunstsinn.

    Autorin: Schoole Mostafawy, Bildrechteinhaber: Badisches Landesmuseum

    The Truchsess's golden quiver

    silver plate, partly gilt, openwork, engraved, leather; bow quiver: h. 76 cm, w. 35 cm, arrow quiver: h. 42.5 cm, w. 24 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. D 91 and D 92 - Master's mark LN, Transylvanian, 1627

    Among the quiver sets listed in the inventory of the "Türckische Kammer" in Rastatt as early as 1771, a pair of bow and arrow quivers deserves special attention. The set bears witness to the far-reaching political, economic and cultural relations between Transylvania and the Ottoman Empire in the first third of the 17th century. In the midst of the Thirty Years' War, in which almost all European empires with different dynastic conflicts of interest were involved, noble goldsmith's work was produced on Transylvanian soil. Characteristic of these works was a striking mixed style that drew in equal parts on elements of Oriental and Occidental ornamentation.

    On a matt green leather base, the display sides show a decorative fitting of richly openworked and gilded silver plate riveted on with spherical silver nails. Engraved arabesques entwine between rims, creating the impression of three-dimensionality through a complex system of intersections. In the row of feathered lancet leaves, the arabesque quotes the sāz leaf, one of the most popular decorative elements of the Ottomans, originally adopted from Persian culture and fused with the Byzantine acanthus leaf. A round medallion at the widest point of the bow quiver lets the leaf tendril circle around a highly naturalistic rosette. The medallion is framed by a circular band on which a Latin inscription tells of the former owner. It is the work of a Transylvanian goldsmith created in 1627 for Georg Ujlaki de Sárköz-Ujlak, whose master's mark is emblazoned under the abbreviation LN on the upper corners of the outer rims. To this day, it has not been possible to decipher the goldsmith's abbreviation, especially since the master's mark was not noted either in the goldsmith's list or in the invoices of the city of Cluj-Napoca or even of the princely client. In addition, the non-existent control mark on products from Cluj-Napoca complicates the assignment. There is also little biographical information about Georg Ujlaki de Sárköz-Ujlak. The only thing that is known is that he was the truchsess of the famous Prince of Transylvania, Gabriel Bethlen. Coming to power in 1613 with the support of the Ottoman army, Gabriel Bethlen was not only one of the most ardent advocates of Protestantism and an important figure in the general staff of political Calvinism, but also an avowed opponent of the Catholic Habsburgs. During his reign until 1629, he became the leader of an anti-Habsburg uprising in Royal Hungary in what is now Slovakia, but was forced to abandon his ambitious plans with the Peace of Pressburg in 1626 and devoted himself to promoting the arts until his death.

    Transylvania had been under Ottoman sovereignty since 1541. The principality was able to retain a certain independence and remained Christian. During the years of artistic and economic prosperity, armourers and goldsmiths from the Ottoman-occupied areas of Hungary settled in Transylvania. Their most important towns were located at the trade junctions between the empires, which is why goldsmiths based here produced magnificent weapons for both Ottoman and Habsburg tastes. Even if this quiver set has a more oriental appearance overall and may even have been made according to an Ottoman model, details such as the rosette, the edging of the arabesques by border mouldings or the engraving undoubtedly betray an occidental sense of art.

    Author: Schoole Mostafawy, Image copyright holder: Badisches Landesmuseum

  • Sockelbecher mit Tulpendekor / Pedestal cup with tulip decoration

    Sockelbecher mit Tulpendekor / Pedestal cup with tulip decoration

    Begehrtes Silber aus Siebenbürgen

    Silber, teilvergoldet, getrieben, ziseliert, punziert; H. 17 cm, Dm. (Boden) 7 cm, Dm. (Rand) 8,5 cm; Gundelsheim, Siebenbürgisches Museum Inv. 14434, Dauerleihgabe der Bundesrepublik Deutschland – unbekannter Meister, siebenbürgisch, 2. Hälfte 17. Jahrhundert

    Diese schlanke zylindrische Gefäßform mit ausladendem Lippenrand ist bereits um 1580 neben nicht nur in Siebenbürgen, sondern auch in Straßburg und Dithmarschen nachgewiesen und ab dem zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts in vielen weiteren Regionen Mittel- und Nordeuropas zu finden. Die meisten erhaltenen Stücke stammen jedoch aus Siebenbürgen.

    Charakteristisches Merkmal des Gefäßes ist der hohle sockelartige Fuß mit angelötetem Standring. An der Verbindung zwischen dem Sockel und dem eigentlichen Becher befindet sich ein umlaufender Profilring mit gewelltem Reliefdekor, an den sich oben und unten kleine Blattfriese anschließen. Der Sockelbereich ist mit einem schlichten Akanthusfries geschmückt. Der Lippenrand des Bechers ist durch einen größeren gelappten Blattfries von der Wandung abgesetzt, auf der drei unterschiedlich gestaltete Tulpen dargestellt sind. Die Umrisslinien der Ornamente sind ziseliert, ihre Formen getrieben; Binnenkonturen wurden mittels Punzierung hinzugefügt. Die erhabenen Stellen des Dekors sind vergoldet.

    Oft wird für siebenbürgische Becher dieser Art noch die aus dem Norddeutschen stammende Bezeichnung „Kluftbecher“ gebraucht. Diese bezieht sich auf die Verwendung der Gefäße im Kontext der Dithmarscher Geschlechterverbände und deren Untergliederungen, den sogenannten Kluften. Vergleichbare Familienverbände gab es jedoch in Siebenbürgen nicht, weshalb die Bezeichnung in diesem Zusammenhang irreführend ist. Vielmehr wurden diese Becher insbesondere von den Zünften sowie im Bereich des siebenbürgischen Nachbarschaftswesens bei feierlichen Anlässen und als Ehrengaben verwendet. Darüber hinaus ist zudem eine Nutzung von Bechern als Ehrengeschenke an hohe Würdenträger oder Teil von Tributleistungen belegt.

    Das großblumige Dekor ist in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bei Silberschmiedearbeiten in ganz Mitteleuropa verbreitet. Die Tulpen sind zudem Ausdruck jener „Tulpenmode“, die im 17. Jahrhundert auch in die europäische Silberschmiedekunst Einzug gehalten hielt und in den prächtigen Tulpenpokalen ihren Höhepunkt gefunden hat fand.

    Es existieren in manchem vergleichbare Sockelbecher von Goldschmieden aus Kronstadt, Hermannstadt oder Bistritz, die in manchen Aspekten vergleichbar sind. Ähnlich ist auch ein Becher aus der Werkstatt des Klausenburger Meisters Michael Werner (ab 1664 Meister) im Ungarischen Nationalmuseum (Inv. 53.79). Keines der Vergleichsobjekte weist jedoch so viele stilistische oder motivische Übereinstimmungen auf, dass eine Zuschreibung möglich wäre.

    Autor: Markus Lörz, Bildrechteinhaber: Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg/Leihgabe Bayerisches Nationalmuseum

    Coveted silver from Transylvania

    silver, partly gilt, chased, chased, hallmarked; h. 17 cm, diam. (base) 7 cm, diam. (rim) 8.5 cm; Gundelsheim, Transylvanian Museum Inv. 14434, on permanent loan from the Federal Republic of Germany - unknown master, Transylvanian, 2nd half 17th century

    This slender cylindrical vessel form with a protruding lip rim is documented as early as around 1580, not only in Transylvania but also in Strasbourg and Dithmarschen, and from the second quarter of the 17th century it can be found in many other regions of Central and Northern Europe. Most of the surviving pieces, however, come from Transylvania.

    The characteristic feature of the vessel is the hollow base-like foot with a soldered standing ring. At the junction between the base and the actual cup is a circumferential profile ring with wavy relief decoration, adjoined by small leaf friezes at the top and bottom. The base area is decorated with a simple acanthus frieze. The lip rim of the cup is set off from the wall by a larger lobed foliate frieze depicting three differently shaped tulips. The outlines of the ornaments are chiselled, their forms chased; internal contours were added by means of hallmarking. The raised parts of the decoration are gilded.

    The term "Kluftbecher", which comes from North German, is often used for Transylvanian cups of this type. This refers to the use of the vessels in the context of the Dithmarsch family associations and their subdivisions, the so-called Kluften. However, comparable family associations did not exist in Transylvania, which is why the designation is misleading in this context. Rather, these cups were used in particular by the guilds as well as in the Transylvanian neighbourhood on ceremonial occasions and as gifts of honour. There is also evidence of the cups being used as gifts of honour to high dignitaries or as part of tribute payments.

    The large-flowered decoration is common in silversmiths' work throughout Central Europe in the second half of the 17th century. The tulips are also an expression of the "tulip fashion" that found its way into European silversmithing in the 17th century and culminated in the magnificent tulip goblets.

    There are similar pedestal cups made by goldsmiths from Kronstadt, Hermannstadt or Bistritz, which are comparable in some aspects. There is also a similar cup from the workshop of the Klausenburg master Michael Werner (master from 1664) in the Hungarian National Museum (Inv. 53.79). However, none of the objects for comparison shows so many stylistic or motivic similarities that an attribution would be possible.

    Author: Markus Lörz, Image copyright holder: Germanisches Nationalmuseum, Nuremberg/Loan Bavarian National Museum

  • Reitsattel / Riding saddle

    Reitsattel / Riding saddle

    „Das Paradies der Erde ...“

    Gold, Silber, vergoldet, Smaragd, Rubin, Email, Holz, Leder, Samt, Metallfaden; L. 44 cm, H. 48,3 cm; Budapest, Ungarisches Nationalmuseum Inv. 59.7789 ‒ siebenbürgisch, 2. Hälfte 17. Jahrhundert

    Der Sattel ist auf einem hölzernen Sattelbaum konstruiert, der auf der Unterseite mit Leder gefüttert ist. Knauf, Pauschen und Rahmen des Sattels sind mit vergoldeten Silberplatten dekoriert, die Blumen in siebenbürgischer Emailarbeit zeigen. Diese Platten besitzen am Rand eine Reihe kleiner Kreise, die mit blauem Email akzentuiert sind, sowie eine Reihe alternierender Smaragde und Rubine. Rosetten in hohen Fassungen verschiedener Größe, ebenfalls mit Smaragden und Rubinen besetzt, schmücken Sattelknopf und Hinterpauschen. Die ganze Oberfläche des Sattels ist mit 597 Smaragden und Rubinen dekoriert! Der kissenförmige Sitz und die beiden Sattelblätter sind mit purpurner Seide bezogen, auf die mit metallischem, wahrscheinlich silbrigem Draht stilisierte Tulpen gestickt sind.

    Für das 17. Jahrhundert lassen sich in Ungarn unter den erhalten gebliebenen Exemplaren sowie den in Schriftquellen genannten Sätteln drei übergeordnete Kategorien ausmachen: ungarische Sättel, „türkische” Sättel (die sogenannten „Kármán”-Sättel) und die von den Ungarn in osmanischer Art hergestellten Sättel. Es gab auch Krimtartarensättel, die mit Knochenplatten geschmückt sind, und deutsche Exemplare, auch wenn diese nicht so oft vorkommen.

    1926 erwarb das Ungarische Nationalmuseum den Sattel von der Familie Teleki mit der Angabe, dass er im 17. Jahrhundert im Besitz des Grafen Michael Teleki gewesen sein soll.

    Autor: Tibor Kovács, Bildrechteinhaber: Ungarisches Nationalmuseum, Budapest

    "The Paradise of the Earth ..."

    Gold, silver, gilt, emerald, ruby, enamel, wood, leather, velvet, metal thread; l. 44 cm, h. 48.3 cm; Budapest, Hungarian National Museum Inv. 59.7789 - Transylvanian, 2nd half 17th century.

    The saddle is constructed on a wooden saddle tree lined with leather on the underside. The pommel, pommels and frame of the saddle are decorated with gilded silver plates showing flowers in Transylvanian enamel work. These plates have a row of small circles accentuated with blue enamel around the edge, as well as a row of alternating emeralds and rubies. Rosettes in tall settings of various sizes, also set with emeralds and rubies, decorate the saddle button and back thimbles. The entire surface of the saddle is decorated with 597 emeralds and rubies! The cushion-shaped seat and the two saddle leaves are covered with purple silk, on which stylised tulips are embroidered with metallic, probably silver wire.

    For the 17th century in Hungary, among the surviving examples as well as the saddles mentioned in written sources, three overarching categories can be identified: Hungarian saddles, "Turkish" saddles (the so-called "Kármán" saddles) and the saddles made by the Hungarians in the Ottoman style. There were also Crimean tartar saddles, decorated with bone plates, and German examples, although these are not so common.

    In 1926, the Hungarian National Museum acquired the saddle from the Teleki family, stating that it is said to have been in the possession of Count Michael Teleki in the 17th century.

    Author: Tibor Kovács, Image copyright holder: Hungarian National Museum, Budapest

  • Gebetsteppich / Prayer rug

    Gebetsteppich / Prayer rug

    Auf allāh‘s Spuren in lutherischen Kirchen?

    Wolltuch (englisch?), Tuchmosaik; L. 188 cm, B. 126 cm, L. (Fransen) ca. 14 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. D 192 – osmanisch, 17. Jahrhundert

    Der Anblick der großen Zahlan anatolisch-osmanischen Teppichen in der Schwarzen Kirche der rumänischen Stadt Brașov überrascht noch heute. Als der in Folge der Belagerung und brutalen Einnahme der Stadt seitens des Generals Antonio Caraffa entfachte Brand 1689 das damalige Kronstadt verwüstete, wurde den Bürgern das Bemühen um die rasche Wiederherstellung und Ausstattung der schwarz verbrannten Stadtkirche zur Herzensangelegenheit. Unter verschärften politischen Vorzeichen versuchten die Habsburger, die Privilegien der Kronstädter zu untergraben und durch gegenreformatorische Bemühungen das Luthertum in Frage zu stellen. Doch die Ausbildung und Durchsetzung des lutherischen Bekenntnisses im Laufe des 16. Jahrhunderts sowie die nach dem Brand zum Ausdruck gebrachte Standes- und Konfessionsidentität riefen bei den Siebenbürgern oppositionelle Kräfte gegen die Habsburger auf den Plan, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts von großer politischer Symbolkraft werden sollten.

    Um ihrer antihabsburgischen, spezifisch siebenbürgischen Haltung Ausdruck zu verleihen, diente ihnen ein Kuriosum als Zeichen ihrer Identifikation: Ausgerechnet der Teppich, auf dem sich der Muslim im täglichen Ritual zum fünfmaligen Gebet niederkniet, wurde zum Merkmal einer spezifisch siebenbürgisch-konfessionellen wie ständischen Identität im lutherischen Kirchenraum.

    In über 300 Jahrhunderten waren unter friedlichen Vorboten Orientbezüge in die Repräsentationskultur Siebenbürgens eingegangen. Bis 1688 stand Siebenbürgen als autonomes Fürstentum unter osmanischer Oberhoheit. Seine günstigen geographischen und historischen Bedingungen ließen osmanische Waren über den Handelsverkehr den Westen erreichen. Als einer der wichtigsten Warenumschlagplätze galt neben mehr als 50 weiteren Städten Kronstadt. Strategisch günstig am Fuße mehrerer Karpatenpässe gelegen, war diese Stadt seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert mit zahlreichen Handelsprivilegien bedacht worden. Vor allem osmanische Teppiche wurden hier als kostbare Luxusgüter von hohem Prestigewert gehandelt. Die nach renaissancezeitlichen Malern in die Kunstgeschichte eingegangenen Bezeichnungen wie „Lotto“- oder „Holbein“-Teppich legen nahe, dass es sich bei dem Handel mit diesen Knüpfteppichen um ein Phänomen von gesamteuropäischer Verbreitung handelte. Im Unterschied zu den Herrschaftsgebieten Westeuropas, wo der Besitz von Teppichen jedoch das Vorrecht des Adels und des wohlhabenden Klerus blieb, besaßen in Siebenbürgen sowohl die Oberschicht als auch der Mittelstand und die Zünfte osmanische Teppiche. Im Totenkult spielten sie eine besondere Rolle, so bei Bestattungen oder Totenaufbahrungen. Bereits kurz nach der Reformation, als ein Großteil der Bildwerke aus den Kirchen entfernt worden war, fanden anatolische Gebetsteppiche ihren Weg in die lutherischen Kirchen. Hier wurden sie als Schmuck für Emporen, Wände und das Chorgestühl, für die Brüstungen und Bänke genutzt. Einer Zweitverwendung unterzogen wurden auch Schabracken – Pferdedecken, die zu Kanzelbehängen umgearbeitet wurden. Im Sinne der Wittenberger Reformation holten Kirchenbedienstete immer dann die textilen Schätze aus der Sakristei hervor, wenn der Kirchenraum zur Zeit des Gottesdienstes sakralisiert wurde.

    Die ursprünglich aus Westanatolien stammenden Teppiche wurden erst im 19. Jahrhundert unter der Bezeichnung „Siebenbürger Teppiche“ bekannt. Zu ihnen zählen Knüpfteppiche von der Gattung der Doppelnischenteppiche bis zu den Zwei-Säulen- oder Sechs-Säulen-Teppichen. Der Teppich aus der Karlsruher Türkenbeute folgt als Doppelnischenteppich mit einer großflächigen Formgebung diesem Typus, unterscheidet sich aber deutlich in der Technik. Es handelt sich um ein aus verschiedenfarbigen Einzelteilen von Wolltuch mosaikartig zusammengesetztes Werk, das an den Konturen der einzelnen Muster aufgelegte Seidenschnüre aufweist. Die Technik entspricht den „Rasht-Teppichen“ – Tuchmosaikarbeiten aus dem Nordwesten Persiens, die als Vorläufer der geknüpften Siebenbürger Teppiche gelten. Als Doppelnischenteppich mit Moscheeampel und breiten Randstreifen angelegt, folgt das Karlsruher Beispiel mit in Kartuschen eingeschriebenen Tulpen, Nelken und Rosen dem klassischen Dekor osmanischer Kunst.

    Autorin: Schoole Mostafawy, Bildrechteinhaber: Badisches Landesmuseum

    On allāh's tracks in Lutheran churches?

    Woolen cloth (English?), cloth mosaic; l. 188 cm, w. 126 cm, l. (fringes) approx. 14 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. D 192 - Ottoman, 17th century.

    The sight of the large number of Anatolian-Ottoman carpets in the Black Church of the Romanian town of Brașov still surprises us today. In 1689, when the fire sparked by General Antonio Caraffa's siege and brutal capture of the city devastated what was then Brasov, the citizens' efforts to quickly restore and furnish the black-burned city church became a matter of the heart. Under intensified political conditions, the Habsburgs attempted to undermine the privileges of the people of Kronstadt and to challenge Lutheranism through counter-reformation efforts. However, the formation and enforcement of the Lutheran confession in the course of the 16th century, as well as the class and confessional identity expressed after the fire, called up oppositional forces against the Habsburgs among the Transylvanians, which were to become of great political symbolic power at the beginning of the 18th century.

    In order to express their anti-Habsburg, specifically Transylvanian attitude, a curiosity served them as a sign of their identification: of all things, the carpet on which the Muslim kneels down in the daily ritual to pray five times became the mark of a specifically Transylvanian confessional as well as class identity in the Lutheran church room.

    For more than 300 centuries, Oriental references had entered the culture of representation in Transylvania under peaceful auspices. Until 1688, Transylvania was an autonomous principality under Ottoman sovereignty. Its favourable geographical and historical conditions allowed Ottoman goods to reach the West through trade. Along with more than 50 other towns, Kronstadt was considered one of the most important transhipment centres. Strategically located at the foot of several Carpathian passes, this city had been granted numerous trading privileges since the end of the 14th century. Ottoman carpets in particular were traded here as precious luxury goods of high prestige value. The names that have entered art history after Renaissance painters, such as "Lotto" or "Holbein" carpet, suggest that the trade in these knotted carpets was a phenomenon of pan-European distribution. Unlike the dominions of Western Europe, however, where the possession of carpets remained the prerogative of the nobility and the wealthy clergy, in Transylvania both the upper class and the middle class and guilds owned Ottoman carpets. They played a special role in the cult of the dead, for example at funerals or the laying out of the dead. Shortly after the Reformation, when a large part of the images had been removed from the churches, Anatolian prayer rugs found their way into the Lutheran churches. Here they were used to decorate the galleries, walls and choir stalls, as well as the parapets and pews. Saddlecloths - horse blankets that were reworked into pulpit hangings - were also put to a second use. In the spirit of the Wittenberg Reformation, church servants took the textile treasures out of the sacristy whenever the church room was sacralised at the time of the service.

    The carpets, which originally came from Western Anatolia, only became known as "Transylvanian carpets" in the 19th century. They include knotted carpets from the genre of double niche carpets to two-pillar or six-pillar carpets. The carpet from the Karlsruhe Turk's Loot follows this type as a double niche carpet with a large-scale design, but differs markedly in technique. It is a work composed of mosaic-like individual pieces of woollen cloth in different colours, with silk cords laid along the contours of the individual designs. The technique corresponds to the "Rasht carpets" - cloth mosaic works from north-western Persia, which are considered the forerunners of the knotted Transylvanian carpets. Designed as a double niche carpet with a mosque lamp and wide border strips, the Karlsruhe example follows the classical décor of Ottoman art with tulips, carnations and roses inscribed in cartouches.

    Author: Schoole Mostafawy, Image copyright holder: Badisches Landesmuseum

  • Teppich / Carpet

    Teppich / Carpet

    Ein osmanischer Teppich im Dienst kirchlicher Repräsentation

    Wolle, handgeknüpft; B. 127, L. 178 cm; Budapest, Ungarisches Nationalmuseum Inv. T.1915.69.10 – kleinasiatisch (wahrscheinlich aus Uşak), erste Hälfte 17. Jahrhundert, früher in Szepeshely, Zipser Kapitel

    In der Mitte des kleinformatigen Teppichs kann man ein betontes rotes Feld sehen, das eigentlich zwei gegeneinander gesetzte Gebetsnischen (Mihrab) symbolisiert. Teppiche mit einer einzigen Nische wurden von Muslimen vorwiegend als Gebetsteppiche verwendet. Im symmetrischen Zackenbogen sind zwei gelbe Moscheelampen aufgehängt, die mit gegensätzlich gefärbten wellenförmigen Ornamenten verziert wurden. In der Mitte kann man noch stark stilisierte Blumen, Blätter und Ranken finden. Bei der Farbgebung der einzelnen Elemente war Symmetrie nicht wichtig. Die nach Vorlagen verfertigten Motive wurden wahrscheinlich mit der Erfindungsgabe der Weber belebt. Vier blaue Felder ergänzen die Nischen zu einem Rechteck. Bunt gefärbte Rosetten und mit kleinen Blumen verzierte Akanthusblätter machen diese Felder sehr dekorativ. Die Hauptbordüre wurde mit länglichen, eckigen Kartuschen verziert. Den Innenraum der rot- und weißfarbigen wechselnden Kartuschen verzierte der Weber mit stilisierten pflanzlichen Elementen und geometrischen Ziermotiven. Die abgeschnittenen Kartuschen verweisen darauf, dass der Weber keiner kompletten Vorlage folgte. Der Rand ist mit kleinen floralen Ornamenten dekoriert.

    Bei der Herstellung des Teppichs wurden symmetrische Knoten, auch türkische oder Ghiordes-Knoten genannt, verwendet. Bei dieser Technik wird das Garn in einer Schlaufe um jeden der beiden Kettfäden gesetzt. Es wurde auch ein Schussfaden verwendet, der zwischen den Knotenreihen gelegt wird.

    Teppiche dieser Art wurden als „Siebenbürger Teppiche“ bezeichnet. Der Begriff wurde von ungarischen Fachleuten allein für die Doppelnischen-Teppiche verwendet. Heute bezeichnet er auch andere in Siebenbürgen vertretene Gruppen zu. Die Benennung verweist dabei nicht auf das Fertigungsgebiet der Teppiche, sondern auf ihr häufiges Auftreten in Siebenbürgen, hauptsächlich in Kronstadt und Schäßburg. Mit Hilfe von Zollaufzeichnungen kann man beweisen, dass die Teppiche aus Anatolien kamen, vor allem im Rahmen von kontrollierter Handelstätigkeit.

    Osmanische Textilwaren, vor allem die Teppiche, waren im 17. Jahrhundert sehr gefragt. Ungarische Adelige waren fast ständig im Kampf gegen die Osmanen und begeisterten sich trotzdem sehr für deren Teppiche. In adeligen Residenzen wurden meistens Wände und Tische mit diesen teuren Orientwaren verziert. Gemälde bezeugen außerdem, dass der Katafalk von reichen Aristokraten oft mit osmanischen Teppichen bedeckt wurde. Eine große Nachfrage herrschte auch in anderen Ländern Europas, leider blieben hier weniger Exemplare erhalten. Auf die große Beliebtheit verweisen heute vor allem niederländische Gemälde.

    Nicht nur in Häusern von Adeligen und reichen Bürgern waren osmanische Teppiche auffindbar. Diese Luxuswaren dienten als beliebte Elemente auch der kirchlichen Repräsentation. Eine große Sammlung befindet sich in der Schwarzen Kirche von Kronstadt. Die Teppiche fungierten hier als Wandschmuck anstelle der aus dem Innenraum verbannten Heiligenbilder und Altäre. Auch in katholischen Kirchen wurden Teppiche verwendet. Sie wurden in der Nähe der Kanzel aufgehängt oder an die Treppe des Altars gelegt.

    Am Anfang des 20. Jahrhunderts schätzte man die orientalischen Teppiche wieder sehr hoch. Das Ungarische Nationalmuseum hat diesen Teppich von dem Bistum von Zipser Kapitel (Slowakei) im Jahre 1915 gekauft.

    Autorin: Csilla Kollár, Bildrechteinhaber: Kunsthistorisches Museum Wien, Hofjagd- und Rüstkammer

    An Ottoman carpet in the service of ecclesiastical representation

    Wool, hand-knotted; w. 127, l. 178 cm; Budapest, Hungarian National Museum Inv. T.1915.69.10 - Asia Minor (probably from Uşak), first half of the 17th century, formerly in Szepeshely, Spiš chapter.

    In the centre of the small-format carpet, one can see an accentuated red field that actually symbolises two prayer niches (mihrab) set against each other. Carpets with a single niche were mainly used by Muslims as prayer rugs. Two yellow mosque lamps are suspended in the symmetrical serrated arch, decorated with oppositely coloured wave-shaped ornaments. In the centre, one can still find highly stylised flowers, leaves and vines. Symmetry was not important in the colouring of the individual elements. The motifs, which were made according to patterns, were probably enlivened by the weavers' inventiveness. Four blue fields complete the niches to form a rectangle. Colourful rosettes and acanthus leaves decorated with small flowers make these fields very decorative. The main border was decorated with elongated, angular cartouches. The weaver decorated the interior of the red and white alternating cartouches with stylised plant elements and geometric ornamental motifs. The cut cartouches indicate that the weaver did not follow a complete pattern. The border is decorated with small floral ornaments.

    Symmetrical knots, also called Turkish or Ghiordes knots, were used to make the carpet. In this technique, the yarn is placed in a loop around each of the two warp threads. A weft thread was also used, which is placed between the rows of knots.

    Carpets of this type were called "Transylvanian carpets". The term was used by Hungarian experts for the double niche carpets alone. Today it also refers to other groups represented in Transylvania. The name does not refer to the production area of the carpets, but to their frequent occurrence in Transylvania, mainly in Kronstadt and Schäßburg. Customs records can be used to prove that the carpets came from Anatolia, mainly as part of controlled trade activities.

    Ottoman textile goods, especially the carpets, were in great demand in the 17th century. Hungarian nobles were almost constantly fighting the Ottomans, yet they were very enthusiastic about their carpets. In aristocratic residences, walls and tables were usually decorated with these expensive oriental goods. Paintings also testify that the catafalque was often covered with Ottoman carpets by rich aristocrats. There was also great demand in other European countries, but unfortunately fewer examples have survived here. Today, Dutch paintings in particular point to its great popularity.

    Ottoman carpets were not only to be found in the homes of aristocrats and wealthy citizens. These luxury goods also served as popular elements of ecclesiastical representation. A large collection can be found in the Black Church of Kronstadt. The carpets here functioned as wall decorations in place of the holy images and altars that had been banned from the interior. Carpets were also used in Catholic churches. They were hung near the pulpit or placed by the stairs of the altar.

    At the beginning of the 20th century, oriental carpets were again highly valued. The Hungarian National Museum bought this carpet from the bishopric of Spiš Chapter (Slovakia) in 1915.

    Author: Csilla Kollár, copyright holder: Kunsthistorisches Museum Wien, Hofjagd- und Rüstkammer

  • Zischägge und Krummsäbel von Nikolaus IV. Zrínyi, Ban von Kroatien / Siskin and scimitar of Nicholas IV Zrínyi, Ban of Croatia

    Zischägge und Krummsäbel von Nikolaus IV. Zrínyi, Ban von Kroatien / Siskin and scimitar of Nicholas IV Zrínyi, Ban of Croatia

    Bewaffnung eines Nationalhelden

    Zischägge: Eisen gebläut, feuervergoldet, Messing (Nietköpfe), Leinen, Baumwolle (Bänder); H. 44,5 cm, B. 23,5 cm, T. 33 cm, Säbel: Eisen, Silber, feuervergoldet, Leder, Haut, Textil, Holz; L. 95 cm, B. 23,5 cm; Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer Inv. A 421 und A 421b ‒ ungarisch, 1562

    Die melonenartig gerippte Zischägge (ein spezieller Typ der Sturmhaube) entspricht der Form türkischer Helme des 16. Jahrhunderts. Nach oben hin spitz zulaufend wird sie in diesem Fall mit einem Eichelknauf abgeschlossen. Sie weist zudem einen angenieteten Schirm mit beweglichem Naseneisen auf. Die Wangenklappen mit Erhebungen für die Ohren wurden durch Kinnbänder zusammengehalten, um so einen festen Sitz zu gewährleisten. Zum Schutz von Hinterkopf und Nacken ist ein Nackenschirm an Kettenscharnieren angehängt. Die vollständig gebläute Sturmhaube ist in Goldschmelz abwechselnd mit Mauresken und einem Bandmuster zwischen Punkten verziert. Zusätzlich ist auf der linken Stirnseite eine Federhülse angenietet.

    Der Säbel ist typisch in der Form, wie sie zur Mitte des 16. Jahrhunderts nach türkischem Vorbild in Mitteleuropa produziert wurden. Hier fällt die große vergoldete, kreuzförmige Parierstange auf. Auch der Griff ist charakteristisch für diese Zeit, während die Griffkappe aus vergoldetem Silber personalisiert ist und die Namensinschrift NCHZ sowie das Wappen der Zrínyi und das Datum 1562 trägt. Die Klinge ist zur oberen Hälfte hin stark gebogen und zur Spitze hin mit einer rückseitig geschliffenen Jelmán-Sektion abgeschlossen, die durch ihre besondere Breite eine größere Hiebwirkung erreicht. Das Grunddesign des Säbels blieb in Mitteleuropa, vor allem in Polen, Ungarn und dem Balkan, bis ins 19. Jahrhundert erhalten.

    Der ungarisch-kroatische Adlige Nikolaus Zrínyi hatte sich nach der Schlacht von Mohács zu Ferdinand I. als König von Ungarn bekannt und sich an der Verteidigung Wiens während der ersten osmanischen Belagerung 1529 beteiligt. Er zeichnete sich beim (wenn auch erfolglosen) Ofener Feldzug von 1542 aus und wurde für seine Leistungen zum Ban (Statthalter) von Kroatien und Slawonien ernannt. 1566 verteidigte er heroisch die von den Osmanen belagerte Festung Sziget (oder Szigetvár). Im Laufe der Belagerung starb zwar Sultan Süleyman I., doch wurde die Lage letztendlich aussichtslos, sodass Zrínyi einen finalen Ausfall mit seiner gesamten Besatzung unternahm, die dabei bewusst den Heldentod suchte. Zrínyi selbst wurde erst schwer verwundet und dann enthauptet. Der Legende nach sprengte seine ebenfalls in der Festung befindliche Frau den Pulverturm mit sich selbst und den einfallenden Osmanen in die Luft. Zrínyi galt schon kurz nach seinem Ableben als heldenhafte Figur. So fanden auch die Zischägge und der Säbel Eingang in die Heldenrüstkammer Erzherzogs Ferdinand II. von Tirol, in welcher dieser Waffen und Rüstungen großer Feldherren seiner Zeit sammelte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gewann seine Geschichte besonders in Österreich, Ungarn und Kroatien erneute Prominenz durch ein Drama Theodor Körners. In der Folge begann auch der Aufstieg Zrínyis sowie seines gleichnamigen Urenkels Nikolaus VII. Zrínyi zu einem Symbol für die erstarkenden ungarischen und kroatischen Nationalbewegungen.

    Autor: Tobias Roeder, Bildrechteinhaber: Kunsthistorisches Museum Wien, Hofjagd- und Rüstkammer

    Armament of a national hero

    Zischägge: iron blued, fire-gilded, brass (rivet heads), linen, cotton (bands); h. 44.5 cm, w. 23.5 cm, d. 33 cm, sabre: iron, silver, fire-gilded, leather, skin, textile, wood; l. 95 cm, w. 23.5 cm; Vienna, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer Inv. A 421 and A 421b - Hungarian, 1562

    The melon-ribbed Zischägge (a special type of balaclava) corresponds to the shape of Turkish helmets of the 16th century. Tapered towards the top, it is finished in this case with an acorn knob. It also has a riveted visor with a movable nose iron. The cheek flaps with elevations for the ears were held together by chin straps to ensure a firm fit. A neck shield is attached to chain hinges to protect the back of the head and neck. The fully blued balaclava is decorated in gold enamel with alternating Mauresques and a ribbon pattern between dots. In addition, a spring sleeve is riveted to the left front.

    The sabre is typical in the form as they were produced in Central Europe in the middle of the 16th century after the Turkish model. Here the large gilded cross-shaped quillons stand out. The grip is also characteristic of this period, while the grip cap of gilt silver is personalised and bears the name inscription NCHZ as well as the Zrínyi coat of arms and the date 1562. The blade is strongly curved towards the upper half and finished towards the tip with a back-ground jelmán section, which achieves a greater cutting effect due to its particular width. The basic design of the sabre remained in Central Europe, especially in Poland, Hungary and the Balkans, until the 19th century.

    The Hungarian-Croatian nobleman Nikolaus Zrínyi had declared his allegiance to Ferdinand I as King of Hungary after the Battle of Mohács and took part in the defence of Vienna during the first Ottoman siege in 1529. He distinguished himself in the (albeit unsuccessful) Ofen campaign of 1542 and was appointed Ban (governor) of Croatia and Slavonia for his achievements. In 1566 he heroically defended the fortress of Sziget (or Szigetvár), which was besieged by the Ottomans. In the course of the siege, Sultan Süleyman I died, but the situation eventually became hopeless, so Zrínyi undertook a final assault with his entire garrison, who deliberately sought heroic death. Zrínyi himself was first seriously wounded and then beheaded. According to legend, his wife, who was also in the fortress, blew up the powder tower with herself and the invading Ottomans. Zrínyi was considered a heroic figure shortly after his demise. Thus the Zischägge and the sabre also found their way into the heroic armoury of Archduke Ferdinand II of Tyrol, in which he collected weapons and armour of great commanders of his time. At the beginning of the 19th century, his story gained renewed prominence, especially in Austria, Hungary and Croatia, through a drama by Theodor Körner. Subsequently, Zrínyi and his eponymous great-grandson Nicholas VII Zrínyi also began to rise as a symbol of the strengthening Hungarian and Croatian national movements.

    Author: Tobias Roeder, Image copyright holder: Kunsthistorisches Museum Wien, Hofjagd- und Rüstkammer

  • Szenen aus dem Prozess der Wesselényi-Magnatenverschwörung / Scenes from the Trial of the Wesselényi Magnate Conspiracy

    Szenen aus dem Prozess der Wesselényi-Magnatenverschwörung / Scenes from the Trial of the Wesselényi Magnate Conspiracy

    Hochverrat oder Freiheitskampf? Die Wesselényi-Verschwörung

    1. Die Verbringung von Franz Nádasdy aus dem Provinzversammlungsgebäude in Wiener Neustadt
    2. Hinrichtung von Franz Graf Nádasdy im alten Rathaus zu Wien

    Öl auf Leinwand; H. 33 cm, B. 45 cm; Budapest, Magyar Nemzeti Múzeum, Történelmi Képcsarnok (Ungarisches Nationalmuseum, Historische Bildergalerie) Inv. 1580 und 1582 ‒ unbekannter ungarischer Maler, nach Kupferstichen von Cornelis Meyssens (vor 1640–tätig bis 1673), Ende 17. Jahrhundert

    Die Wesselényi-Verschwörung wurde in den 1660er-Jahren von ungarischen Fürsten gegen Kaiser Leopold I. von Habsburg ins Werk gesetzt. Ihre Teilnehmer waren hauptsächlich katholische ungarische Adelige, die dem Hof zunächst loyal gegenüberstanden, jedoch zunehmend durch die Zentralisierungsbestrebungen der Habsburgerherrschaft und der als schwach empfundenen Politik gegen das Osmanische Reich enttäuscht wurden. Auslöser für das Komplott war der Frieden von Eisenburg, der am 10. August 1664 mit den Osmanen vereinbart worden war. Dieser Vertrag überließ die eroberten Gebiete dem Osmanischen Reich und vernichtete damit alle Hoffnungen, die die Ungarn noch neun Tage zuvor nach ihrem Sieg bei Mogersdorf/St. Gotthard gehegt hatten. Anführer der aufständischen Fürsten war der Ban von Kroatien, Nikolaus VII. Zrínyi, der jedoch bei einem Jagdunfall im Herbst desselben Jahrs von einem Wildschwein getötet wurde. Seine Rolle übernahm Palatin Franz Wesselényi, von dem sich der Name der Verschwörung ableitete. Er begann sondierende Verhandlungen mit dem französischen König Ludwig XIV., dem Siebenbürger Fürstentum und der Hohen Pforte. Eine zunehmende Anzahl ungarischer Adeliger schloss sich dem Komplott an, aber nachdem der Frieden von Aachen im Jahr 1668 den Spanisch-Französischen Devolutionskrieg beendet hatte, entzog der französische König den ungarischen Insurgenten seine Unterstützung. Seneschall Franz Nádasdy, der die zweitbedeutendste Position im Lande innehatte, übernahm nach dem Tod des Palatins Wesselényi die Führungsrolle. Um 1668/69 wurde die Verschwörung instabil und letzlich von ihren Mitgliedern selbst aufgedeckt, die sich der Gnade der Habsburger ergaben. Sie belasteten sich gegenseitig und legten sogar die inkriminierenden Dokumente offen. Im Spätsommer 1670 jedoch ließ die Regierung die zugesagte Vergebung fallen, und es folgten Verhaftungen und später Prozesse. Die drei Hauptangeklagten Franz Nádasdy, Peter Zrínyi und Franz Frankopan wurden in der Festung in Wiener Neustadt gefangengesetzt und nach dem Urteil, das sie Kopf und Besitz kosten sollte, wurden alle drei am 30. April 1671 hingerichet. Die Magnatenverschwörung bot Leopold I. mit der Exekution der Adligen eine gute Gelegenheit, das Exempel eines unumschränkten Absolutismus zu statuieren. In späteren Prozessen wurden die Ländereien von etwa 300 ungarischen Adeligen konfisziert. Wegen der großen internationalen Anteilnahme verbreitete der Wiener Hof gezielt Propaganda, um sich in dieser Angelegenheit möglichst vorteilhaft darzustellen, in der Hoffnung, die wachsende Empörung über die Exekution des in ganz Europa wohlbekannten Nádasdy zu besänftigen. Dies war keine einfache Aufgabe, da der außerordentlich aufgeschlossene ungarische Adelige und Reichsritter Nádasdy ein exzellentes europäisches Beziehungsnetzwerk gepflegt hatte. Papst Clemens X. hatte den tiefkatholischen Leopold I. persönlich um eine Begnadigung gebeten und verschiedene Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches sympathisierten ebenfalls mit Nádasdy. Nach der Vollstreckung der Urteile wurde das imperiale Privileg zur Veröffentlichung der Prozessbeschreibung zusammen mit den wichtigsten Dokumenten dazu an die Cosmerovius-Druckerei in Wien und die Endter-Druckerei in Nürnberg vergeben. Im Verlauf des Jahres erschienen die vom Wiener Hof genehmigten und mit Kupferstichen versehenen Publikationen. Ihr feindseliger Ton gegen die Verurteilten sollte die Rechtmäßigkeit ihrer Hinrichtung wegen Hochverrats belegen. Der offizielle Bericht, der von Cosmerovius gedruckt wurde (Ausführliche und Warhafftige Beschreibung Wie es mit denen Criminal-Processen, und darauff erfolgten Executionen Wider die drey Graffen Frantzen Nadasdy, Peter von Zrin, und Frantz Christoph Frangepan eigentlich hergangen. Wien 1671), besaß zur Illustration zwölf ganzseitige Kupferstiche mit erklärenden Bildlegenden von der Hand des Niederländers Cornelis Meyssens.

    Die beiden hier vorliegenden Szenen stellen genaue Kopien seiner Illustrationen dar. Der ziemlich mediokre Maler hielt sich eng an die Vorlagen, ersetzte aber die deutschsprachigen erläuternden Beischriften durch lateinische. Dies und die repräsentative Art der Ausführung des Gemäldezyklus lässt einen ungarischen Auftraggeber vermuten, dem – im Gegensatz zur negativen Schilderung im ursprünglichen Werk – an einer ruhmvollen Erinnerung an die Verurteilten gelegen war. Das erste Gemälde zeigt Franz Nádasdys Verbringung aus dem Provinzialversammlungsgebäude in das Rathaus in Wiener Neustadt, beaufsichtigt vom Generalmajor Graf Christian von Thaun, auf dem zweiten schlägt der Henker Michael Langmann mit seinem Breitschwert Graf Nádasdy im Unterhaus des Wiener Rathauses den Kopf ab. Vor ihm steht der Augustinerpater Raphael, sein Beichtvater, hinter ihm ist sein Page Franz Győrfi zu erkennen.

    Die Erläuterungen für die Buchstaben im Bild finden sich unter den Szenen:

    1. A. Cubile Domus Provincialis, in cuo Comes Franciscus de Nadasd captus intertenebatur. B. Gradus descensionales per quos Nadasdi abducebat[ur]. C. Atrium domus Provincialis. D. Portus, perquem in Curru ad curiam civilem devehebat[ur]. E. Supremus Vigiliarum Præfectus, Comes de Thaun.
    2. A. Altare. B. Pater Raphael Confessarius. C. Dmnus Meninskÿ. D. Turcicus Chians Ablegatus. E. Comes Nadasdÿ. F. Tortor. seu Carnifex Michael Langmann. G. Ephæb[us] Comitis Nadasdÿ Franciscus Gőrffÿ. H. Fornax in cubi[cu]li. I. Janua ad Cubile. K. Dmnus Iudex civilis cum suis assistentibus.

    Autor: Mátyás Gödölle, Bildrechteinhaber: Ungarisches Nationalmuseum, Budapest

    High treason or fight for freedom? The Wesselényi Conspiracy

    1. The removal of Franz Nádasdy from the provincial assembly building in Wiener Neustadt
    2. Execution of Franz Count Nádasdy in the old Vienna City Hall

    Oil on canvas; h. 33 cm, w. 45 cm; Budapest, Magyar Nemzeti Múzeum, Történelmi Képcsarnok (Hungarian National Museum, Historical Picture Gallery) Inv. 1580 and 1582 - unknown Hungarian painter, after engravings by Cornelis Meyssens (before 1640-active until 1673), late 17th century

    The Wesselényi Conspiracy was set in motion in the 1660s by Hungarian princes against Emperor Leopold I of Habsburg. Its participants were mainly Catholic Hungarian nobles who were initially loyal to the court but became increasingly disillusioned with the centralising efforts of Habsburg rule and its perceived weak policy against the Ottoman Empire. The plot was triggered by the Peace of Eisenburg, which had been agreed with the Ottomans on 10 August 1664. This treaty left the conquered territories to the Ottoman Empire and thus destroyed all hopes that the Hungarians had cherished just nine days earlier after their victory at Mogersdorf/St. Gotthard. The leader of the rebellious princes was the Ban of Croatia, Nicholas VII Zrínyi, who was, however, killed by a wild boar in a hunting accident in the autumn of the same year. His role was taken over by Palatine Francis Wesselényi, from whom the name of the conspiracy was derived. He began exploratory negotiations with the French King Louis XIV, the Transylvanian principality and the High Porte. An increasing number of Hungarian nobles joined the plot, but after the Peace of Aachen in 1668 ended the Spanish-French War of Devolution, the French king withdrew his support from the Hungarian insurgents. Seneschall Franz Nádasdy, who held the second most important position in the country, took over the leadership role after the death of Palatin Wesselényi. Around 1668/69 the conspiracy became unstable and was eventually exposed by its members themselves, who threw themselves on the mercy of the Habsburgs. They incriminated each other and even disclosed the incriminating documents. In the late summer of 1670, however, the government dropped the promised pardon, and arrests and later trials followed. The three main defendants, Franz Nádasdy, Peter Zrínyi and Franz Frankopan, were imprisoned in the fortress in Wiener Neustadt and, after the sentence that was to cost them heads and property, all three were executed on 30 April 1671. With the execution of the nobles, the magnate conspiracy offered Leopold I a good opportunity to make an example of unrestrained absolutism. In later trials, the estates of about 300 Hungarian nobles were confiscated. Because of the great international sympathy, the Viennese court deliberately spread propaganda to present itself as favourably as possible in this matter, hoping to appease the growing indignation over the execution of Nádasdy, who was well known throughout Europe. This was no easy task, as the extraordinarily open-minded Hungarian nobleman and imperial knight Nádasdy had cultivated an excellent European network of contacts. Pope Clement X had personally asked the deeply Catholic Leopold I for a pardon and various electors of the Holy Roman Empire also sympathised with Nádasdy. After the sentences had been carried out, the imperial privilege to publish the account of the trial, together with the most important documents relating to it, was granted to the Cosmerovius printing office in Vienna and the Endter printing office in Nuremberg. In the course of the year, the publications, approved by the Viennese court and provided with copper engravings, appeared. Their hostile tone against the condemned was intended to prove the legitimacy of their execution for high treason. The official report printed by Cosmerovius (Ausführliche und Warhafftige Beschreibung Wie es mit denen Criminal-Processen, und darauff erfolgten Executionsen Wider die drey Graffen Frantzen Nadasdy, Peter von Zrin, und Frantz Christoph Frangepan eigentlich hergangen. Vienna 1671), had twelve full-page copper engravings with explanatory captions by the Dutchman Cornelis Meyssens.

    The two scenes presented here are exact copies of his illustrations. The rather mediocre painter adhered closely to the originals, but replaced the explanatory German inscriptions with Latin ones. This and the representative manner in which the cycle of paintings was executed suggest a Hungarian patron who - in contrast to the negative portrayal in the original work - was interested in a glorious remembrance of the condemned. The first painting shows Franz Nádasdy's removal from the provincial assembly building to the town hall in Wiener Neustadt, supervised by Major General Count Christian von Thaun; in the second, the executioner Michael Langmann cuts off Count Nádasdy's head with his broadsword in the lower chamber of the Vienna town hall. In front of him is the Augustinian priest Raphael, his confessor, and behind him is his page Franz Győrfi.

    The explanations for the letters in the picture can be found under the scenes:

       1. A. Cubile Domus Provincialis, in cuo Comes Franciscus de Nadasd captus intertenebatur. B. Gradus descensionales per quos Nadasdi abducebat[ur]. C. Atrium domus Provincialis. D. Portus, perquem in Curru ad curiam civilem devehebat[ur]. E. Supremus Vigiliarum Præfectus, Comes de Thaun.
        2. A. Altare. B. Father Raphael Confessarius. C. Dmnus Meninskÿ. D. Turcicus Chians Ablegatus. E. Comes Nadasdÿ. F. Tortor. seu Carnifex Michael Langmann. G. Ephæb[us] Comitis Nadasdÿ Franciscus Gőrffÿ. H. Fornax in cubi[cu]li. I. Janua ad Cubile. K. Dmnus Iudex civilis cum suis assistentibus.

    Author: Mátyás Gödölle, Image copyright holder: Hungarian National Museum, Budapest

  • Handschrift und Ernennungsurkunde / Handwriting and certificate of appointment

    Handschrift und Ernennungsurkunde / Handwriting and certificate of appointment

    „König“ von des Sultans Gnaden

    Papier, Tusche, Goldblatt; L. 20,1 cm, B. 53 cm; Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Türkische Urkunden und Staatsschreiben Inv. HHStA UR TUK 1682 VIII 5–14 – osmanisch, İstanbul, 5.–14. August 1682

    Während der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts besaßen die Kerngebiete des Osmanischen Reiches eine einheitliche Verwaltung. Die Eingliederung der Grenzregionen hingegen erforderte Flexibilität und sah sich hinsichtlich der Befriedung dieser Zonen vor besondere Herausforderungen gestellt. So wurden einige Landstriche im Lauf der Zeit vollständig bezwungen, andere einer eher losen Herrschaft unterworfen. Kurdische Stammesfürsten vererbten ihr „Land“ vom Vater auf den Sohn. Vasallenstaaten oder abhängige Fürstentümer gab es sowohl an den östlichen als auch den westlichen Reichsgrenzen. Im Osten erkannten einige georgische Adelige die osmanische Oberherrschaft an, während die Krimkhane sich eines besonderen, nahezu freien Status erfreuten. Im Westen waren die Woiwoden der Walachei und Moldawiens recht eng an den Sultan gebunden, wohingegen die Republik von Ragusa und das Fürstentum Siebenbürgen Teile ihrer Unabhängigkeit bewahren konnten.

    Gewöhnlich erhielten die abhängigen europäischen Herrscher ein ahdnāme (schriftliche Bürgschaft bzw. Vertrag) und ein berāt (Ernennungsdekret) als Zeichen der Anerkennung durch den „Großen Bruder“. Dieses Diplom trug dieselbe Bezeichnung wie das Dokument für jeden beliebigen Untertanen des Reiches, der offiziell angestellt wurde. Folgerichtig waren die fraglichen Gebiete aus osmanischer Perspektive dem padişāh untertan.

    In Bezug auf Ungarn verfielen die Entscheidungsträger des Reiches gelegentlich auf die Idee, einen Pufferstaat zwischen den osmanischen und habsburgischen Regionen einzurichten. Neben anderen wurde so Stephan Bocskai, wiewohl er der Fürst Siebenbürgens blieb, im Jahr 1605 vom Sultan zum „König“ ernannt und mit einer Krone ausgestattet, die er aus den Händen des Großwesirs empfing. Dieses erlesene Stück osmanischer Goldschmiedekunst wird nun in Wien aufbewahrt. Ähnliche fehlgeschlagene Absichten lassen sich im Fall Michaels I. Apafi feststellen.

    Das letzte Beispiel solcher Bestrebungen stammt aus dem Jahr 1682 und führt uns zum vorliegenden Manuskript. Hier wird der oberungarische Adelige Emmerich Thököly, Anführer einer anhaltenden Revolte gegen den habsburgischen Kaiser, als König von Zentralungarn (osman. orta macar) anerkannt. Das Dokument, das ihm und seinen Anhängern verliehen wurde, enthält verschiedene Bestimmungen, von denen viele die Forderungen der Aufständischen aufgreifen. So sollte die Religion des neuen Staatsgebildes protestantisch sein und nach Thökölys Tod der neue Herrscher durch freie Wahlen bestimmt werden – vorausgesetzt, er wäre nicht katholisch. Die Jesuiten sollten ausgewiesen und der hohe Klerus durch calvinistische oder lutherische Pastoren ausgetauscht werden. Im Text werden die Grenzen des Staates allerdings nicht präzisiert, sondern lediglich ein symbolisches Stück Land bestimmt und die Erlaubnis erteilt, dieses um eroberte Burgen und Städte zu erweitern. Im Gegenzug mussten jährlich 40 000 Goldstücke – ein Betrag, der nicht erhöht werden durfte – an die osmanische Staatskasse bezahlt werden. Die ganze Unternehmung scheiterte jedoch bereits nach einer kurzen Expansionsphase infolge der zweiten misslungenen Belagerung Wiens durch die Osmanen.

    Thököly befand sich nun in einer verzwickten Situation und musste sich entscheiden, ob er sich den Habsburgern ergeben oder seine pro-osmanische Politik fortführen wollte. Er blieb auf der Seite des Sultans und starb schließlich isoliert in Nikomedia (İzmit) im Jahr 1705. Seine Aktivitäten erregten hitzige Debatten unter den ungarischen Historikern. Marxisten und Protestanten machten aus ihm einen Vorkämpfer der Freiheit. Andere – auch wenn sie seine Ziele bis zu einem gewissen Grad begrüßten – betrachteten ihn vom Jahr 1683 an als Verräter.

    Ebenso wie vergleichbare Schriftstücke wurde das feierliche Dokument des Sultans reichhaltig verziert. Verschiedenfarbige Tinten fanden Verwendung (eine davon gar mit Goldstaub gemischt), und einige Buchstaben, Silben und Wörter wurden übereinander geschrieben. In der ersten Zeile, unter der tuǧra (dem siegelartigen Namenszug) des padişāh, wurden die n-Zeichen etwas tiefer gesetzt und leicht vergrößert, um ein lineares Muster zu erzeugen. Die Enden der im divanî-Duktus geschriebenen Textzeilen wurden zur Verhinderung unbefugter Einfügungen jeweils nach oben gebogen. Keine funktionale Bedeutung hat die große Zahl an Punkten. Der mit arabischen und persischen Worten durchtränkte Text strotzt an manchen Stellen förmlich vor orientalischen Redefloskeln.

    Autor: Géza Dávid, Bildrechteinhaber: Österreichisches Staatsarchiv, Wien

    "King" by the Sultan's Grace

    Paper, ink, gold leaf; l. 20.1 cm, w. 53 cm; Vienna, Austrian State Archives, Dept. of House, Court and State Archives, Turkish Documents and Letters of State Inv. HHStA UR TUK 1682 VIII 5-14 - Ottoman, İstanbul, 5-14 August 1682.

    During the second half of the 17th century, the core areas of the Ottoman Empire had a unified administration. The incorporation of the border regions, on the other hand, required flexibility and faced particular challenges with regard to the pacification of these zones. Thus, some areas were completely conquered over time, while others were subjected to a more loose rule. Kurdish tribal princes inherited their "land" from father to son. Vassal states or dependent principalities existed on both the eastern and western borders of the empire. In the east, some Georgian nobles recognised Ottoman suzerainty, while the Crimean khans enjoyed a special, almost free status. In the west, the voivodes of Wallachia and Moldavia were quite closely tied to the Sultan, whereas the Republic of Ragusa and the Principality of Transylvania were able to retain parts of their independence.

    Usually, the dependent European rulers received an ahdnāme (written guarantee or treaty) and a berāt (appointment decree) as a sign of recognition by the 'big brother'. This diploma bore the same designation as the document for any subject of the empire who was officially employed. Consequently, from the Ottoman perspective, the territories in question were subject to the padişāh.

    With regard to Hungary, the Empire's decision-makers occasionally fell for the idea of establishing a buffer state between the Ottoman and Habsburg regions. Thus, among others, Stephen Bocskai, although remaining the prince of Transylvania, was appointed "king" by the Sultan in 1605 and endowed with a crown, which he received from the hands of the Grand Vizier. This exquisite piece of Ottoman goldsmith's art is now kept in Vienna. Similar failed intentions can be seen in the case of Michael I Apafi.

    The last example of such efforts dates from 1682 and leads us to the manuscript at hand. Here, the Upper Hungarian nobleman Emmerich Thököly, leader of an ongoing revolt against the Habsburg Emperor, is recognised as King of Central Hungary (Ottoman. orta macar). The document awarded to him and his followers contains various provisions, many of which take up the demands of the rebels. For example, the religion of the new state structure was to be Protestant and, after Thököly's death, the new ruler was to be determined by free elections - provided he was not Catholic. The Jesuits were to be expelled and the high clergy replaced by Calvinist or Lutheran pastors. The text, however, does not specify the borders of the state, but merely designates a symbolic piece of land and grants permission to expand it to include conquered castles and towns. In return, 40,000 gold pieces - an amount that could not be increased - had to be paid annually to the Ottoman treasury. However, the whole enterprise failed after only a short period of expansion as a result of the second failed siege of Vienna by the Ottomans.

    Thököly now found himself in a tricky situation and had to decide whether to surrender to the Habsburgs or continue his pro-Ottoman policy. He remained on the Sultan's side and eventually died isolated in Nicomedia (İzmit) in 1705. His activities aroused heated debates among Hungarian historians. Marxists and Protestants made him a champion of freedom. Others - even if they welcomed his aims to a certain extent - considered him a traitor from the year 1683 onwards.

    Like similar documents, the Sultan's solemn document was richly decorated. Different coloured inks were used (one of them even mixed with gold dust), and some letters, syllables and words were written on top of each other. In the first line, below the tuǧra (the seal-like signature) of the padişāh, the n-characters were set a little lower and slightly enlarged to create a linear pattern. The ends of the lines of text written in the divanî dialect were each bent upwards to prevent unauthorised insertions. The large number of dots has no functional significance. The text, which is saturated with Arabic and Persian words, literally bristles with Oriental phrases in some places.

    Author: Géza Dávid, Image copyright holder: Austrian State Archives, Vienna

  • Portrait von Ilona Zrínyi / Portrait of Ilona Zrínyi

    Portrait von Ilona Zrínyi / Portrait of Ilona Zrínyi

    Portrait einer mutigen Frau

    Öl auf Leinwand; H. 95 cm, B. 79 cm; Budapest, Magyar Nemzeti Múzeum, Történelmi Képcsarnok (Ungarisches Nationalmuseum, Historische Bildergalerie) Inv. 48 – unbekannter Maler, 1. Hälfte 18. Jahrhundert

    In der historischen Überlieferung Ungarns erscheint die Figur der Ilona Zrínyi als exemplarisches Modell für eheliche Treue und mutiges Auftreten. Ihr gelang es, ihre Verwandten und den Familienbesitz zu beschützen, trotz einer besonders schwierigen Ausgangssituation – schließlich war sie die Tochter von Peter Zrínyi, der 1671 für seine Beteiligung an der Wesselényi-Verschwörung hingerichtet wurde, und die Frau von Franz Rákóczi, einem der Rädelsführer des antihabsburgischen Komplotts. Nach der Niederschlagung des Aufstands konnte ihr erster Ehemann einer härteren Bestrafung nur durch Zahlung eines gewaltigen Lösegeldes entgehen. 1676, einige Monate nach der Geburt ihres zweiten Sohnes Franz II. Rákóczi (der später ebenfalls eine Rebellion gegen die Habsburger anführte), starb ihr Mann. Die Witwe erwirkte beim Reichsgericht, dass das Sorgerecht über ihre Kinder bei ihr verblieb, obgleich sie diese vor dem Tod von Franz I. Rákóczi der Gunst Kaiser Leopolds I. anempfohlen hatte. Durch diese Entscheidung konnte Ilona weiterhin die gewaltigen Rákóczi-Ländereien mit all ihren wichtigen Burgen verwalten. Sechs Jahre später, 1682, heiratete sie den 14 Jahre jüngeren oberungarischen Fürsten Emmerich Thököly. An seiner Seite spielte sie eine aktive Rolle im Kuruzenaufstand gegen den Wiener Hof. Nach einer erfolglosen Belagerung Wiens im Jahr 1683 geriet diese osmanisch gestützte Rebellion mehr und mehr in die Defensive. Nachdem Emmerich Thököly 1685 bei Nagyvárad gefangen genommen wurde, war es Ilona Zrínyi, die den Schutz der Burg Munkács in der heutigen Ukraine organisieren musste, wohin sie sich zurückgezogen hatte. Eine erste Belagerung im Winter 1685 unter Reichsgeneral Aeneas Silvius Caprara hatte keinen Erfolg. Danach widerstand Ilona über zwei Jahre lang der Blockade durch General Antonio Caraffa. Während dieser Zeit verbreitete sich die Kunde von der Beharrlichkeit der tapferen Gräfin durch Handzettel, Flugschriften und verschiedene andere Veröffentlichungen in ganz Europa. Ein spanisches Drama brachte ihre Figur auf die Bühne, während das ihrem Ehemann zugeschriebene lateinische Gebet, mit dem er Abschied von seiner Frau nahm, in Prag publiziert wurde. Letztendlich war sie gezwungen, die Burg im Januar 1688 an die Kaiserlichen zu übergeben, aber immerhin gelang es ihr, beim Kaiser eine Amnestie für die Verteidiger der Burg zu erwirken. Die Güter der Rákóczi blieben ihren Kindern zudem erhalten. Danach wurde sie dazu genötigt, sich nach Wien zu verfügen, wo sie von ihren Kindern getrennt wurde. 1692 löste Thököly seine Frau im Austausch gegen einen hochrangigen Gefangenen, den Generalleutnant Donat Johann Heißler, aus. Nach dem Friedensvertrag von Karlowitz im Jahr 1699 begleitete sie ihren exilierten Mann nach İzmit in der heutigen Türkei, wo sie 1703 verstarb.

    Auf dem Gemälde ist die Adelige bis zur Hüfte in einem ovalen Ausschnitt in reich geschmückter ungarischer Kleidung dargestellt. Ihre Garderobe und Frisur, reich mit Edelsteinen versehen, weisen auf den mit ihrem gehobenen Stand einhergehenden Wohlstand hin. Wahrscheinlich wurde das Gemälde von einem zweitklassigen ungarischen Maler nach dem Tod von Ilona Zrínyi auf der Grundlage eines älteren Portraits von ihr geschaffen. Hinweise darauf sind die leicht starren Züge und die unbeholfene Komposition, die die Portraitierte mit abgeschnittenen Händen zeigt. Das wahrscheinliche Vorbild – ein qualitätvolles, dreiviertellanges Bildnis Ilona Zrínyis aus dem späten 17. Jahrhundert – wird heute in der Sammlung Esterházy in Forchtenstein (Burg Forchtenstein, Fürstliche Esterházysche Sammlungen Inv. II/9/3.1007) aufbewahrt. Auf diesem hält Ilona ein herrscherliches Zepter in Händen, und eine Fürstenkrone ist auf dem Tisch neben ihr platziert. Die Esterházy-Sammlung besitzt ein weiteres Portrait von Ilona Zrínyi, das die Gräfin in einer exakten Kopie des erstgenannten Gemäldes in voller Länge zeigt.

    Autor: Mátyás Gödölle, Bildrechteinhaber: Ungarisches Nationalmuseum Budapest, Historische Bildergalerie

    Portrait of a Courageous Woman

    Oil on canvas; h. 95 cm, w. 79 cm; Budapest, Magyar Nemzeti Múzeum, Történelmi Képcsarnok (Hungarian National Museum, Historical Picture Gallery) Inv. 48 - unknown painter, 1st half 18th century

    In the historical tradition of Hungary, the figure of Ilona Zrínyi appears as an exemplary model of marital fidelity and courageous behaviour. She managed to protect her relatives and the family estate despite a particularly difficult initial situation - after all, she was the daughter of Peter Zrínyi, who was executed in 1671 for his involvement in the Wesselényi conspiracy, and the wife of Franz Rákóczi, one of the ringleaders of the anti-Habsburg plot. After the suppression of the uprising, her first husband was only able to escape harsher punishment by paying a huge ransom. In 1676, a few months after the birth of her second son Francis II Rákóczi (who later also led a rebellion against the Habsburgs), her husband died. The widow obtained from the Imperial Court that custody of her children remained with her, although she had recommended them to the favour of Emperor Leopold I before Franz I Rákóczi's death. This decision enabled Ilona to continue to administer the vast Rákóczi estates with all their important castles. Six years later, in 1682, she married the Upper Hungarian prince Emmerich Thököly, 14 years her junior. At his side she played an active role in the Kuruc uprising against the Viennese court. After an unsuccessful siege of Vienna in 1683, this Ottoman-backed rebellion became more and more defensive. After Emmerich Thököly was captured at Nagyvárad in 1685, it was Ilona Zrínyi who had to organise the protection of Munkács Castle in present-day Ukraine, where she had retreated. A first siege in the winter of 1685 under Imperial General Aeneas Silvius Caprara was unsuccessful. Afterwards, Ilona resisted the blockade by General Antonio Caraffa for over two years. During this time, word of the brave countess's perseverance spread throughout Europe by handbills, pamphlets and various other publications. A Spanish drama brought her character to the stage, while the Latin prayer attributed to her husband, with which he bade farewell to his wife, was published in Prague. In the end, she was forced to surrender the castle to the imperial forces in January 1688, but at least she managed to obtain an amnesty from the emperor for the castle's defenders. Moreover, the Rákóczi estates were preserved for her children. Afterwards she was forced to go to Vienna, where she was separated from her children. In 1692 Thököly ransomed his wife in exchange for a high-ranking prisoner, Lieutenant General Donat Johann Heißler. After the peace treaty of Karlowitz in 1699, she accompanied her exiled husband to İzmit in present-day Turkey, where she died in 1703.

    In the painting, the noblewoman is depicted up to the waist in an oval neckline in richly decorated Hungarian dress. Her wardrobe and hairstyle, richly adorned with precious stones, indicate the wealth that accompanied her elevated status. The painting was probably created by a second-rate Hungarian painter after Ilona Zrínyi's death, based on an older portrait of her. Clues to this are the slightly rigid features and the awkward composition showing the sitter with her hands cut off. The probable model - a high-quality, three-quarter-length portrait of Ilona Zrínyi from the late 17th century - is now kept in the Esterházy Collection in Forchtenstein (Forchtenstein Castle, Princely Esterházy Collections Inv. II/9/3.1007). On this one Ilona holds a ruler's sceptre in her hands and a princely crown is placed on the table next to her. The Esterházy Collection possesses another portrait of Ilona Zrínyi, which shows the countess in an exact copy of the first-mentioned painting in full length.

    Author: Mátyás Gödölle, Image copyright holder: Hungarian National Museum Budapest, Historical Picture Gallery

  • Zypriotin, die osmanische Flotte in Brand setzend / Cypriot setting fire to the Ottoman fleet

    Zypriotin, die osmanische Flotte in Brand setzend / Cypriot setting fire to the Ottoman fleet

    Eine »siegreiche Gefangene«

    Öl auf Leinwand, 186 x 149 cm, aus Schloss Vurberk/Wurmberg, Regionalmuseum Ptuj-Ormož

    Zypriotin mit einer Fackel in der rechten und zerbrochenen Ketten am linker Hand ist in einer Landschaft dargestellt, im Hintergrund sieht man die bereits brennende türkische Flotte und die erstaunten Zuschauer. Das Gemälde ist Teil der Serie, von der nur noch eine Darstellung der Lucretia erhalten ist. Der Maler ist unbekannt, die Gesichtszüge der Zypriotin und die Textur der gemalten Stoffe deuten aber darauf hin, dass das Gemälde von dem in Graz tätigen Franz Steinpichler gemalt werden konnte. Für die Datierung gibt es keinen Anhaltspunkt, die Serie ist wahrscheinlich im späten 17. Jahrhundert gemalt worden. Als Vorlage benutzte der Maler ein Kupferstich von Abraham Bosse und Gilles Rousselet nach einer Zeichnung von Claude Vignon. Die Stiche von Bosse und Rousselet sind 1647 als Illustrationen im Pierre Le Moyne’s Buch La galerie des femmes fortes erschienen. Der Jesuit Pierre Le Moyne beschrieb die Taten der jeweils fünf Heldinnen der vier Religionen, jüdischen, barbarischen, römischen und christlichen, und widmete das Buch der damaligen französischen Regentin Anna von Österreich. Le Moyne widmete sich der Diskussion der weiblichen Macht und Schwäche, der Grenzen des weiblichen Handelns und stellt bei jeder Heldin eine Moralfrage. Unter den christlichen Heldinnen ist die captive victorievse bzw. die Zypriotin, die während der Eroberung von Nicosia 1570 mit zahlreichen anderen jungen Menschen versklavt und auf die Schiffe beladen wurde, um sie nach Konstantinopel zu fahren. Vor der Abfahrt zündete sie den Pulverlager auf ihrem Schiff, von dessen Explosion auch andere Schiffe in Brand gesteckt wurden. Le Moyne rühmte die Zypriotin als Befreierin, die sich selbst und andere 400 christliche Seelen von der Sklaverei rettete. Nach Le Moyne wurde sie von einem Engel begleitet und von Gott inspiriert, der eifersüchtig die Ehre der Jungfrauen hütet. Die dargestellten Zuschauer sind Eltern der Versklavten, die den Tod ihrer Kinder beklagen, zugleich aber Freudetränen vergießen, weil ihre Kinder befreit werden, ihre Erinnerung unverdorben sein wird und ihre Seelen rein und ruhmvoll bleiben. Auf der Küste steht auch der wütende türkische Befehlshaber Mustafa, der die Sklaven und die wertwolle Beute zu Sultan Selim und seinen Frauen schicken wollte, als Zeichen seines Sieges und seines Wertes. In der Geschichte der Zypriotin behandelte Pierre Le Moyne die Moralfrage, ob heldenhaftes Verhalten notwendig ist für die Perfektion der weiblichen Keuschheit, und verglich die Zypriotin mit legendärer Tochter des Venezianers Paolo Erizzo, die lieber starb, als eine Sklavin und Geliebte Sultan Mehmeds II. zu werden. Anna Erizzo triumphierte über Mahomet & du Serail nach dem Fall von Negroponte, genauso wie die Zypriotin Mustafa & de la Porte nach dem Fall von Nicosia besiegte. Le Moyne fand die Geschichte über die Zypriotin in Historia sui temporis von Jacques Auguste de Thou, erweiterte jedoch die kurze Schilderung zu einer lebhaften Erzählung, mit zahlreichen Metaphern und Vergleichen aus der antiken Geschichte und Heiligenlegenden bereichert. Die bewegte Pose der Zypriotin und die flatternden Ärmel ihrer Kleidung erinnern an die antiken Siegesgöttinnen, die dem Inventor der Darstellung bekannt gewesen dürften. Die Pose wie auch die Attribute der Befreierin, die Fackel und zerbrochene Ketten, kommen auch in berühmten Darstellungen der Freiheit des 19. Jahrhunderts vor, zum Beispiel in Delacroix Gemälde Die Freiheit führt das Volk oder Bartholdis Freiheitsstatue. Die Illustrationen der femmes fortes dienten als Vorlage für einige Gemälde in französischen Schlössern und in Kunstgewerbe. In Mitteleuropa sind außer zwei Gemälde aus Vurberk eine aus elf kleinformatigen Gemälden bestehende Serie der Heldinnen im Schloss Český Krumlov in Tschechien bekannt, wahrscheinlich um 1673 von Heinrich de Veerle gemalt, sowie ein Fresko der barbarischen Heldin Zenobia im Schloss Červený Kameň in der Slowakei von Carpoforo Tencalla.      

    Autorin: Polonia Vidmar, Bildrechteinhaber: Pokrajinski muzej Ptuj – Ormož

    A "victorious prisoner"

    Oil on canvas, 186 x 149 cm, from Vurberk/Wurmberg Castle, Regional Museum Ptuj-Ormož

    Cypriot woman with a torch in her right hand and broken chains on her left is depicted in a landscape, in the background one can see the already burning Turkish fleet and the astonished spectators. The painting is part of the series of which only one depiction of Lucretia survives. The painter is unknown, but the facial features of the Cypriot woman and the texture of the painted fabrics suggest that the painting could have been done by Franz Steinpichler, who worked in Graz. There is no clue as to the dating, the series was probably painted in the late 17th century. As a model, the painter used an engraving by Abraham Bosse and Gilles Rousselet after a drawing by Claude Vignon. The engravings by Bosse and Rousselet appeared as illustrations in Pierre Le Moyne's book La galerie des femmes fortes in 1647. The Jesuit Pierre Le Moyne described the deeds of the five heroines of each of the four religions, Jewish, barbarian, Roman and Christian, and dedicated the book to the then French regent Anne of Austria. Le Moyne devoted herself to discussing female power and weakness, the limits of female agency, and poses a moral question with each heroine. Among the Christian heroines is the captive victorievse or Cypriot woman who, during the conquest of Nicosia in 1570, was enslaved with numerous other young people and loaded onto the ships to take them to Constantinople. Before departure, she ignited the powder magazine on her ship, the explosion of which also set fire to other ships. Le Moyne praised the Cypriot woman as a liberator who saved herself and other 400 Christian souls from slavery. According to Le Moyne, she was accompanied by an angel and inspired by God, who jealously guards the honour of virgins. The spectators depicted are parents of the enslaved, who lament the death of their children, but at the same time shed tears of joy because their children will be freed, their memory will be uncorrupted and their souls will remain pure and glorious. On the coast there is also the furious Turkish commander Mustafa, who wanted to send the slaves and the precious booty to Sultan Selim and his wives as a sign of his victory and worth. In the story of the Cypriot woman, Pierre Le Moyne dealt with the moral question of whether heroic behaviour is necessary for the perfection of female chastity, comparing the Cypriot woman to legendary daughter of the Venetian Paolo Erizzo, who died rather than become a slave and mistress of Sultan Mehmed II. Anna Erizzo triumphed over Mahomet & du Serail after the fall of Negroponte, just as the Cypriot defeated Mustafa & de la Porte after the fall of Nicosia. Le Moyne found the story about the Cyprian in Historia sui temporis by Jacques Auguste de Thou, but expanded the brief account into a vivid narrative, enriched with numerous metaphors and comparisons from ancient history and saints' legends. The moving pose of the Cypriot woman and the fluttering sleeves of her clothing are reminiscent of the ancient goddesses of victory, who must have been familiar to the inventor of the depiction. The pose as well as the attributes of the liberator, the torch and broken chains, also appear in famous 19th century depictions of freedom, for example in Delacroix's painting Liberty Leads the People or Bartholdi's Statue of Liberty. The illustrations of the femmes fortes served as models for several paintings in French châteaux and decorative arts. In Central Europe, apart from two paintings from Vurberk, a series of eleven small-format paintings of the heroines in Český Krumlov Castle in the Czech Republic, probably painted around 1673 by Heinrich de Veerle, and a fresco of the barbarian heroine Zenobia in Červený Kameň Castle in Slovakia by Carpoforo Tencalla are known.      

    Author: Polonia Vidmar, Image copyright holder: Pokrajinski muzej Ptuj - Ormož

  • Zweimastzelt / Two-mast tent

    Zweimastzelt / Two-mast tent

    Das „Blaue Zelt“ in Krakau

    Leinen, Baumwolle, Applikationen in Leder, Seide, Satin, versilbert, vergoldet; Satteldach: H. 340 cm, Umfang 2753 cm, Seitenverkleidung: H. 328 cm, B. (oben) 1439 cm, B. (unten) 1805 cm; Krakau, Königsschloss auf dem Wawel, Staatliche Kunstsammlungen Inv. 896/1 und 896/3 – osmanisch, 1. Hälfte 17. Jahrhundert

    Unter den orientalischen Kunstgegenständen, die in der Königsburg auf dem Wawel in Krakau verwahrt werden, ziehen die Zelte seit jeher das größte Interesse auf sich. Im Bestand des Museums befinden sich 13, von denen 7 vollständig erhalten sind. Damit ist dies die umfangreichste Sammlung in Polen und eine der größten der Welt. Das „Blaue Zelt“ mit zwei Masten wurde höchstwahrscheinlich im Verlauf der Schlacht um Wien am 12. September 1683 erbeutet.

    König Johann III. Sobieski, der Befehlshaber der polnischen Armee und einer der Hauptakteure des Dramas von Wien, war ein scharfer Beobachter und erfahrener Politiker. Die Briefe an seine Frau Marie Casimire legen davon beredt Zeugnis ab. Sobieski schrieb am 13. September 1683, nur einen Tag nach dem Sieg: „Der Wesir ergriff so überstürzt die Flucht, dass er lediglich Zeit hatte, auf einem Pferd und mit den Kleidern, die er am Leib trug, zu entkommen. Ich verfolgte ihn und der größte Teil seiner Reichtümer fiel an mich, da das Schicksal es wollte, dass ich der Erste im Lager war, und, als wir dicht auf den Fersen des Wesirs waren, verriet einer seiner Diener seine Gehorsamspflicht und zeigte uns seine Zelte, so ausgedehnt wie die Städte Warschau und Lwów in ihren Mauern. Welchen Luxus sein Zelt umgab, ist unmöglich sich vorzustellen. Er hatte Bäder, er hatte einen Garten und Springbrunnen, Kaninchen, Katzen, es gab sogar einen Papagei, den wir aber, da er umherflog, nicht fangen konnten.“.

    Das Zelt aus blauem Tuch besitzt ein ovales Dach, auf das 26 verschieden breite Bögen aus Satin und Leinwand aufgenäht sind. Das rote Firstband weist ein Muster aus regelmäßig verwobenem Rankenwerk auf. Darunter tragen schlanke gelbe Säulen mit wellenartigen Plinthen tulpenförmige Kapitelle. Der Bogengang ist mit breiten Wasserbehältern ausgestattet, aus denen jeweils ein kleines Medaillon entspringt, bekrönt von einem größeren, darüber je eine Kartusche und wieder ein kleines Medaillon. Die Innenwand ist überreich mit Pflanzenornamenten ausgefüllt – Nelken, Tulpen, Hyazinthen und blühenden sowie früchtetragenden Granatapfelbäumen – und großen, verzierten Medaillons aus goldenem und grünem Satin. Büsche in voller Blüte dekorieren die goldfarbene Zierleiste. Zwölf vollständige und ein angeschnittener Bogen am Eingang schmücken die trapezförmige Wand des Zweimastzeltes. Die Arkaden sind ganz ähnlich denen des Daches gestaltet, zusätzlich gibt es jedoch noch Kartuschen mit guten Wünschen (im Sinne von „Möge Glück/Glückseligkeit beschert sein“). Die großen Medaillons der Zeltwand unterscheiden sich in Farbe und Verzierung. Abwechselnd erscheinen grüne, gelbe und rote, alternierend mit den Farben der anderen Medaillons und Vasen. An verschiedenen Stellen sind Vorzeichnungen erkennbar. Lederne Masthalterungen, Einfassungen der Ösen und hölzerne Zeltpflöcke zum Aufbau des Zeltes sind teilweise erhalten geblieben. Die kräftig grüne äußere Haut wurde nach vorhandenen Fragmenten rekonstruiert.

    Sobieskis Beute, die aus einigen hundert Objekten bestand, wurde nach seinem Tod zerstreut. Teile davon kamen nach Warschau und wurden durch den Nachfolger von Johann III. Sobieski, Friedrich August Kurfürst von Sachsen, in Familienbesitz überführt. Die Zelte verblieben bis in die 1920er-Jahre beim Haus Wettin. Einige davon wurden von dem Wiener Antiquar Szymon Szwarc erworben und der Burg auf dem Wawel gestiftet. Zu den Objekten, die er in mehreren Schenkungen übergab, gehörten fünf komplette Zelte und Teile von sechs weiteren, nicht vollständig erhaltenen. Wenngleich nicht alle aus dem Besitz der Familie Sobieski stammten, so wie auch nicht alle von ihnen Kriegsbeute waren, stellen sie nun das Fundament einer eindrucksvollen Sammlung in der Königsburg auf dem Wawel dar.

    Autorin: Magdalena Ozga, Bildrechteinhaber: Badisches Landesmuseum, Foto: ARTIS - Uli Deck

    The "Blue Tent" in Krakow

    Linen, cotton, appliqués in leather, silk, satin, silver-plated, gilded; gable roof: h. 340 cm, circumference 2753 cm, side paneling: H. 328 cm, W. (top) 1439 cm, W. (bottom) 1805 cm; Krakow, Royal Castle on the Wawel, State Art Collections Inv. 896/1 and 896/3 - Ottoman, 1st half 17th century.

    Among the Oriental art objects kept in the Royal Castle on Wawel in Krakow, the tents have always attracted the greatest interest. There are 13 in the museum's collection, 7 of which are completely preserved. This makes it the most extensive collection in Poland and one of the largest in the world. The "Blue Tent" with two masts was most likely captured during the Battle of Vienna on 12 September 1683.

    King John III Sobieski, the commander of the Polish army and one of the main actors in the drama of Vienna, was a keen observer and experienced politician. The letters to his wife Marie Casimire bear eloquent witness to this. Sobieski wrote on 13 September 1683, only one day after the victory: "The vizier made such a hasty escape that he only had time to escape on a horse and with the clothes he was wearing. I pursued him, and the greater part of his wealth fell to me, as fate would have it that I was the first in the camp, and, when we were close on the Vizier's heels, one of his servants betrayed his duty of obedience and showed us his tents, as extensive as the cities of Warsaw and Lwów within their walls. What luxury surrounded his tent is impossible to imagine. He had baths, he had a garden and fountains, rabbits, cats, there was even a parrot, but since it flew around we couldn't catch it."

    The blue cloth tent has an oval roof with 26 satin and canvas bows of different widths sewn onto it. The red ridge band has a pattern of regularly interwoven vines. Below, slender yellow columns with undulating plinths support tulip-shaped capitals. The archway is equipped with wide water containers, from each of which a small medallion emerges, crowned by a larger one, above each a cartouche and again a small medallion. The inner wall is richly filled with plant ornaments - carnations, tulips, hyacinths and flowering and fruit-bearing pomegranate trees - and large, ornate medallions of gold and green satin. Bushes in full bloom decorate the gold-coloured trim. Twelve complete and one truncated arch at the entrance decorate the trapezoidal wall of the two-mast tent. The arcades are designed very similarly to those of the roof, but in addition there are cartouches with good wishes (in the sense of "May good luck/bliss be bestowed"). The large medallions of the marquee wall differ in colour and decoration. Green, yellow and red appear alternately with the colours of the other medallions and vases. Preliminary drawings are visible in various places. Leather pole supports, edgings of the eyelets and wooden tent pegs for erecting the tent have been partially preserved. The strong green outer skin was reconstructed from existing fragments.

    Sobieski's loot, which consisted of several hundred objects, was dispersed after his death. Parts of it came to Warsaw and were transferred to family ownership by Johann III Sobieski's successor, Friedrich August Elector of Saxony. The tents remained with the House of Wettin until the 1920s. Some of them were acquired by the Viennese antiquarian Szymon Szwarc and donated to the castle on the Wawel. Among the objects he gave in several donations were five complete tents and parts of six others that were not completely preserved. Although not all of them came from the Sobieski family, just as not all of them were war booty, they now form the foundation of an impressive collection in the royal castle on Wawel.

    Author: Magdalena Ozga, Image copyright holder: Badisches Landesmuseum, Photo: ARTIS - Uli Deck

  • Faltbecher / Folding mug

    Faltbecher / Folding mug

    „Coffee to go“

    Leder und Chagrinleder, Seidenfaden, Silberdraht, Silberdraht vergoldet, Silber vergoldet; H. 11,5 cm, B. 10 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. D 236 – osmanisch, Ende 17. Jahrhundert

    Die Möglichkeit, sein Getränk unterwegs zu genießen, ohne zerbrechliches Porzellan und Glas oder kostbare, schwere Metallgefäße mit sich führen zu müssen, ist uns heute kein fremder Gedanke mehr. Dank der Massenproduktion an verschließbaren PET-Flaschen oder gar Plastik- und Pappbechern mit der erfolgreichen Verkaufsidee für Coffee to go greifen wir wie selbstverständlich, jederzeit auf das Angebot zurück. Allerdings sind diese Becher meist für den einmaligen Gebrauch seitens des Konsumierenden gedacht und werden anschließend entsorgt. In einer Zeit, als es noch keine industriellen Erzeugnisse gab, begegnen uns die moderne Idee der Nachhaltigkeit im Umgang mit Materialien und der Gedanke eines Bechers, der leicht, platzsparend und wiederverwendbar ist, hier am Beispiel eines Faltbechers aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.

    Das Nomadendasein, der Kriegsalltag und die Zeltkultur der Osmanen mögen ausschlaggebende Gründe für die Anfertigung und den Gebrauch eines solchen Bechers gewesen sein, der am Gürtel getragen und mitgeführt werden konnte.

    Der braune Lederbecher, der eine raue Außenseite und eine glatte Innenseite aufweist, ist aus einem Stück Leder geschnitten, flach gepresst und endet in einer spitz zulaufenden Cuppa von quadratischem Querschnitt. Die Randleisten und Schnittkanten sind mit weißer, seidener Doppelnaht vernäht, wobei die Schnittkanten ein auf dem Kopf stehendes Ypsilon formen und so ein eigenes Dekorelement schaffen. Der Lippenrand des Bechers ist mit Chagrinleder in Schwarz eingefasst und mit Drahtstickerei in Anlegetechnik geschmückt. Zu sehen sind Silberdrahtstickereien im Zickzack-Fries sowie eine Reihung vergoldeter Silberdrahtstickereien, die sich decken. Die beiden angenieteten und durchbrochenen Zierösen aus vergoldetem Silber wurden vermutlich erst im 18. Jahrhundert angebracht. Auf ihnen sind Gesichter von Frauen mit Lorbeerkränzen zu erkennen. An den Zierösen sind zudem zwei Ringe montiert.

    Was wurde aber aus diesem und anderen Bechern getrunken? War es wirklich nur Wasser und Tee oder auch Kaffee und Wein? Aus zahlreichen lyrischen Werken und kalligraphischen Verzierungen auf Objekten geht hervor, dass der Konsum von Wein, dessen Genuss aus religiöser Sicht ein Tabu darstellte, in der islamischen Welt durchaus üblich war. Unabhängig von der Glaubensgemeinschaft der Sufis, bei denen der Wein zu rituellen Handlungen gehörte, könnte ein weiterer Grund für den Umgang mit Wein der folgenden zweideutige Ausspruchs des Propheten Mohammed darstellen:

    „Sie werden dich nach dem Weine und dem Glücksspiel fragen; dann sprich: In beiden liegt eine große Sünde und zugleich ein Nutzen für die Menschen; doch die Sünde in ihnen ist größer als ihr Nutzen.“ (Sure 2, Vers 216)

    Bemerkenswert ist auch der etymologische Wandel des Wortes „Kaffee“, das sich vom altarabischen qahwa ableitetund mit dem ursprünglich Wein gemeint war. Seine heutige Bedeutung erhielt das Wort erst im 14. Jahrhundert. Dieser Wortwandel zeigt, wie der Kaffee mit seiner stimulierenden Wirkung an die Stelle des Weines trat. Kaffa, eine Landschaft in Ostafrika, gilt als die Heimat des Kaffeebaums. Von dort aus wurde der Kaffee nach Südarabien exportiert, dessen Haupthafen Mocha war – der Namensgeber für die deutsche Bezeichnung „Mokka“. Während der Kaffee in Europa erst durch Umwege über die heutige Türkei und Venedig um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert bekannt wurde, eröffneten bereits 1550 die ersten Kaffeehäuser in İstanbul. Daraus lässt sich schließen, dass der Faltbecher durchaus auch für Kaffee- und Weingenuss auf Reisen genutzt wurde.

    Autorin: Ayla Toprakçı, Bildrechteinhaber: Badisches Landesmuseum

    "Coffee to go"

    Leather and shagreen leather, silk thread, silver wire, silver wire gilded, silver gilded; h. 11.5 cm, w. 10 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. D 236 - Ottoman, late 17th century.

    The possibility of enjoying one's drink on the go without having to carry fragile porcelain and glass or precious, heavy metal vessels is no longer a foreign idea to us today. Thanks to the mass production of sealable PET bottles or even plastic and paper cups with the successful sales idea for coffee to go, we fall back on the offer as a matter of course, at any time. However, these cups are usually intended for one-time use by the consumer and are then disposed of. In a time when there were no industrial products, we encounter the modern idea of sustainability in the use of materials and the idea of a cup that is light, space-saving and reusable, here using the example of a folding cup from the second half of the 17th century.

    Nomadic life, everyday warfare and the tent culture of the Ottomans may have been decisive reasons for making and using such a cup, which could be worn on the belt and carried along.

    The brown leather cup, which has a rough exterior and a smooth interior, is cut from one piece of leather, pressed flat and ends in a pointed cuppa of square cross-section. The rims and cut edges are stitched with white silk double stitching, the cut edges forming an upside down ypsilon, creating its own decorative element. The lip rim of the cup is trimmed with shagreen leather in black and decorated with wire embroidery in a appliqué technique. Silver wire embroidery can be seen in a zigzag frieze as well as a row of gilt silver wire embroidery that coincides. The two riveted and openwork decorative eyelets of gilded silver were probably added in the 18th century. On them are faces of women with laurel wreaths. Two rings are also mounted on the decorative eyelets.

    But what was drunk from this and other cups? Was it really only water and tea or also coffee and wine? Numerous lyrical works and calligraphic decorations on objects show that the consumption of wine, the consumption of which was taboo from a religious point of view, was quite common in the Islamic world. Regardless of the Sufi religious community, for whom wine was part of ritual acts, another reason for the consumption of wine could be the following ambiguous saying of the Prophet Muhammad:

    "They will ask thee about wine and gambling; then say: in both of them is a great sin and at the same time a benefit to men; but the sin in them is greater than their benefit." (Sura 2, verse 216)

    Also noteworthy is the etymological change of the word "coffee", which is derived from the ancient Arabic qahwa and originally meant wine. The word only acquired its present meaning in the 14th century. This word change shows how coffee, with its stimulating effect, took the place of wine. Kaffa, a landscape in East Africa, is considered the home of the coffee tree. From there, coffee was exported to southern Arabia, whose main port was Mocha - the eponym for the German term "Mokka". While coffee only became known in Europe through detours via present-day Turkey and Venice at the turn of the 16th and 17th centuries, the first coffee houses opened in İstanbul as early as 1550. This suggests that the folding cup was definitely also used for drinking coffee and wine while travelling.

    Author: Ayla Toprakçı, Image copyright holder: Badisches Landesmuseum

  • Fernrohr / Telescope

    Fernrohr / Telescope

    Und in die Ferne schweift der Blick …

    Fernrohr, angeblich in Verwendung bei der türkischen Belagerung von Wien; Dreifußgestell aus Messing, Linse fehlt; L. 66 cm, Dm. 10 cm; Eferding, Fürst Starhemberg’sche Familienstiftung Inv. GG 2 – anonymer Hersteller, 17. Jahrhundert ­

    Durch dieses Fernrohr soll Ernst Rüdiger von Starhemberg die militärischen Aktivitäten vor den Toren Wiens während der Belagerung durch die Osmanen im Jahr 1683 beobachtet haben. Starhemberg war seit 1680 Wiener Stadtkommandant; in den Wochen der Belagerung durch das osmanische Heer, das unter der Führung des Großwesirs Kara Mustafa Paşa gegen Wien gezogen war, oblag ihm der Oberbefehl über die Verteidigungskräfte. In dieser Funktion ließ er die kaiserliche Residenzstadt in den Verteidigungszustand versetzen und führte sie – durchaus mit strenger Hand – durch die nahezu zwei Monate währende Belagerung.

    Wien war auf einen derartigen Angriff zunächst nicht vorbereitet: In größter Eile ließ Starhemberg daher die vernachlässigten Befestigungsanlagen instand setzen und die für den Belagerungsfall notwendigen Vorkehrungen treffen. Zu Letzteren zählte auch die Zerstörung der außerhalb der Festungswerke gelegenen Wiener Vorstädte. Dem anrückenden Gegner sollten dadurch die Angriffsvorbereitungen erschwert und die Möglichkeiten zur Verschanzung genommen werden.

    Mehrfach soll Starhemberg während der Belagerung das militärische Geschehen jenseits der Stadtmauern vom Südturm des Wiener Stephansdomes aus verfolgt haben (s. Abb.: Josef Axmann (Stecher) nach Peter Fendi (Zeichner), Ernst Rüdiger Graf von Starhemberg auf dem Südturm des Stephansdomes im Belagerungsjahr 1683, Druckgraphik, 1823, Eferding, Fürst Starhemberg’sche Familienstiftung Inv. DG 325) – womöglich mithilfe dieses terrestrischen Fernrohrs. Die bis heute erhaltene steinerne Bank, die ihm dort als Aussichtsposten gedient haben soll, wird „Starhemberg-Bankerl“ genannt.

    Einige Tage vor der alles entscheidenden Befreiungsschlacht am 12. September 1683 war die Bedrängnis durch den Widersacher groß und die Stadt kaum mehr zu halten: Per Kurier stand Starhemberg mit der Außenwelt in Kontakt und hielt speziell den kaiserlichen Generalleutnant Karl V. von Lothringen von der zunehmend bedrohlichen Lage in Kenntnis. Am 27. Juli 1683 ließ er zum Zeichen größter Not Raketen vom Stephansdom abfeuern.

    Der Stephansturm wurde für den Stadtkommandanten nach dem erfolgreichen Widerstand Wiens zum nachhaltigen Erfolgssymbol. Seit 1686 durfte er ihn in seinem Wappen führen. Bis heute ist er Bestandteil des Familienemblems der Starhemberger.

    Autorin: Maike Hohn, Bildrechteinhaber: Fürst Starhemberg'sche Familienstiftung Eferding

    And into the distance the gaze wanders ...

    Telescope, allegedly in use during the Turkish siege of Vienna; brass tripod, lens missing; l. 66 cm, dm. 10 cm; Eferding, Fürst Starhemberg'sche Familienstiftung Inv. GG 2 - anonymous maker, 17th century.

    Through this telescope Ernst Rüdiger von Starhemberg is said to have observed the military activities at the gates of Vienna during the siege by the Ottomans in 1683. Starhemberg had been Vienna's city commander since 1680; during the weeks of the siege by the Ottoman army, which had moved against Vienna under the leadership of the Grand Vizier Kara Mustafa Paşa, he was in supreme command of the defensive forces. In this capacity, he had the imperial residence city put into a state of defence and led it - by all means with a stern hand - through the siege that lasted almost two months.

    Vienna was initially unprepared for such an attack: Starhemberg therefore hurriedly had the neglected fortifications repaired and the necessary precautions taken in the event of a siege. The latter included the destruction of the Viennese suburbs outside the fortifications. This was intended to make it more difficult for the advancing enemy to prepare for an attack and to deprive them of the opportunity to entrench themselves.

    On several occasions during the siege, Starhemberg is said to have followed the military events beyond the city walls from the south tower of Vienna's St. Stephen's Cathedral (see illustration: Josef Axmann (engraver) after Peter Fendi (draughtsman), Ernst Rüdiger Graf von Starhemberg on the south tower of St. Stephen's Cathedral in the year of the siege 1683, print, 1823, Eferding, Fürst Starhemberg'sche Familienstiftung Inv. DG 325) - possibly with the aid of this terrestrial telescope. The stone bench that is said to have served him there as a lookout is called the "Starhemberg-Bankerl".

    A few days before the all-important battle of liberation on 12 September 1683, the adversary's distress was great and the city could hardly be held: Starhemberg was in contact with the outside world by courier and kept the imperial lieutenant-general Charles V of Lorraine in particular informed of the increasingly threatening situation. On 27 July 1683, he had rockets fired from St. Stephen's Cathedral as a sign of the greatest distress.

    After Vienna's successful resistance, St. Stephen's Tower became a lasting symbol of success for the city commander. He was allowed to use it in his coat of arms from 1686. To this day it is part of the Starhemberg family emblem.

    Author: Maike Hohn, copyright holder: Fürst Starhemberg'sche Familienstiftung Eferding

  • Portrait von Georg Ossoliński / Portrait of Georg Ossoliński

    Portrait von Georg Ossoliński / Portrait of Georg Ossoliński

    Würdiges Portrait eines Großkanzlers der polnischen Krone

    Portrait von Georg Ossoliński, Wappengemeinschaft Topór

    Öl auf Leinwand; H. 125,5, B. 93 cm; Krakau, Museum der Jagiellonen-Universität Inv. 1788 – unbekannter Künstler zwischen 1631–1643

    Das Portrait zeigt Georg Ossoliński, der im 17. Jahrhundert zu den herausragenden Persönlichkeiten der polnischen politischen Szene gehörte. Verbunden war er mit König Władysław IV. Im Jahr 1631 erreichte Ossoliński den Höhepunkt seiner parlamentarischen Karriere, er wurde zum Sprecher des Sejm ernannt. Im Jahre 1633 erhielt er die Würde des Großschatzmeisters und damit die Ernennung zum königlichen Minister. Im selben Jahr ging er im Auftrag des neu gewählten polnischen Königs Władysław IV. zum Papst nach Rom. Im Jahr 1643 wurde Ossoliński zum Großkanzler der Krone ernannt. Das Ableben von Władysław IV. bedeutete für Ossoliński den Verlust seines größten politischen Verbündeten. Er starb infolge einer Apoplexie in seinem Palast in Warschau und hinterließ seine Tagebücher, ein großartiges Zeugnis der Epoche, in der er lebte.

    Das Portrait Ossolińskis ist ein klassisches Beispiel des sarmatischen Portraits aus dem 17. Jahrhundert, das für die polnische Portraitkunst dieser Zeit charakteristisch war. Es präsentierte in der Regel Persönlichkeiten der polnischen Politik und einflussreiche Vertreter polnischer Adelsfamilien. Was die sarmatischen Portraits von anderen europäischen Portraits unterscheidet, sind in erster Linie die Kleidung, die nur in der Adelsrepublik getragen wurde, auch „Nationaltracht“ oder „Robentracht“ genannt, die charakteristischen Frisuren sowie die Art des Malens – flache, lineare Ausführungen. Diese Elemente sollten die Ernsthaftigkeit, Würde und Tapferkeit der dargestellten Person betonen.

    Alle Merkmale sind im Portrait Ossolińskis zu finden. Die Figur wurde oberhalb der Knie aufgenommen, leicht nach rechts gedreht, das Modell schaut auf den Betrachter. Sein Kopf ist anrasiert, mit einem modischen, gekräuselten Büschel über der Stirn, das Gesicht mit Schnurrbart und einem breiten, halbkreisförmigen Bart. Seine Pose, mit der rechten Hand an der Hüfte, der linken am Säbelbogen gestützt, gehört zum Kanon der Komposition, wie sie in sarmatischen Portraits mehrfach wiederholt wird. Er ist in eine schimmernde, silbrig-rote delia gekleidet, zugeknüpft mit goldenen Knoten, mit einer Kette auf der Brust, mit einem weißen Stoffgurt, auf dem ein goldener Gürtel des Säbels (karabela) rechts zu sehen ist. Die purpurne delia, die über die Schultern geworfen ist, ist mit schwarzem Fell gefüttert und unter dem Hals mit einer kostbaren Schnalle gespannt. Die Figur wurde vor dem Hintergrund eines drapierten Vorhangs dargestellt. Links wurde das Wappen von Ossoliński gemalt. Um den Schild mit dem Wappen von Topór und Helmdecken mit der Adelskrone sind Initialen zu sehen: G.[eorgius] O.[ssoliński] / M.[inister oder areschalcus?] R.[egni] – Georg Ossoliński, königlicher Minister (Diener) (oder Marschall). Der Buchstabe „M“ kann sich auf die von ihm im Jahre 1631 erlangte Funktion des Sejm-Marschalls beziehen, wahrscheinlicher steht er aber für den Titel des Hofschatzmeisters, den er 1633 offiziell erhalten hatte.

    Das Portrait bezieht sich auf die Darstellung Ossolińskis auf einer Silberplakette aus den Sammlungen des Königsschlosses Wawel. Sie wurde um 1643 datiert (Inv. 160) und Sebastian Dadler zugeschrieben. Die Komposition auf der Plakette ist identisch mit der des Gemäldes. Die Plakette hat einen aufwendigeren Hintergrund und zusätzliche Elemente, die auf der Leinwand fehlen.

    Es wurde vorgeschlagen, die Plakette sei hergestellt worden, nachdem Ossoliński die Würde des Kanzlers erhielt, anhand des verschwundenen Originals von Bartłomiej Strobel. Auf dem Portrait gibt es jedoch keine Anzeichen, dass das Gemälde nach Erhalt dieser Ehre gemalt wurde – es bezieht sich, wie bereits erwähnt, eher auf die verliehene Würde des Schatzmeisters im Jahr 1633. Ist unser Gemälde eine Kopie des Originals von Strobel, älter als die Plakette? Die Antwort auf diese Frage erfordert weiterführende Forschung. Das Portrait wurde 1992 vollständig restauriert.

    Autorin: Anna Jasińska, Bildrechteinhaber: Museum der Jagiellonen-Universität, Krakau

    Worthy Portrait of a Grand Chancellor of the Polish Crown

    Portrait of George Ossoliński, Topór Armorial Society.

    Oil on canvas; h. 125.5, w. 93 cm; Krakow, Museum of the Jagiellonian University Inv. 1788 - unknown artist between 1631-1643.

    The portrait shows George Ossoliński, who was one of the most prominent figures on the Polish political scene in the 17th century. He was associated with King Władysław IV. In 1631, Ossoliński reached the pinnacle of his parliamentary career, being appointed Speaker of the Sejm. In 1633 he received the dignity of Grand Treasurer and with it the appointment as a royal minister. In the same year he went to see the Pope in Rome on behalf of the newly elected Polish King Władysław IV. In 1643, Ossoliński was appointed Grand Chancellor of the Crown. The demise of Władysław IV meant for Ossoliński the loss of his greatest political ally. He died as a result of apoplexy in his palace in Warsaw, leaving behind his diaries, a magnificent testimony to the era in which he lived.

    Ossoliński's portrait is a classic example of the 17th century Sarmatian portrait, which was characteristic of Polish portraiture of the time. It usually presented personalities of Polish politics and influential representatives of Polish noble families. What distinguishes Sarmatian portraits from other European portraits is first and foremost the clothing worn only in the noble republic, also called "national costume" or "Robentracht", the characteristic hairstyles, and the style of painting - flat, linear finishes. These elements were intended to emphasise the seriousness, dignity and bravery of the person portrayed.

    All the characteristics can be found in Ossoliński's portrait. The figure was taken above the knees, slightly turned to the right, the model is looking at the viewer. His head is shaved, with a fashionable curled tuft over his forehead, his face with a moustache and a broad, semi-circular beard. His pose, with his right hand on his hip, his left supported by the sabre bow, is part of the canon of the composition, as it is repeated several times in Sarmatian portraits. He is dressed in a shimmering, silvery-red delia, tied with golden knots, with a chain on his chest, with a white cloth belt on which a golden belt of the sabre (karabela) can be seen on the right. The purple delia, thrown over the shoulders, is lined with black fur and stretched under the neck with a precious buckle. The figure was depicted against the background of a draped curtain. On the left, the coat of arms of Ossoliński was painted. Around the shield with the arms of Topór and helmet covers with the noble crown are initials: G.[eorgius] O.[ssoliński] / M.[inister or areschalcus?] R.[egni] - George Ossoliński, royal minister (servant) (or marshal). The letter "M" may refer to the position of Sejm marshal he obtained in 1631, but more likely it stands for the title of Court Treasurer, which he had officially obtained in 1633.

    The portrait refers to the depiction of Ossoliński on a silver plaque from the collections of the Wawel Royal Castle. It was dated around 1643 (Inv. 160) and attributed to Sebastian Dadler. The composition on the plaque is identical to that of the painting. The plaque has a more elaborate background and additional elements that are missing from the canvas.

    It has been suggested that the plaque was made after Ossoliński received the dignity of chancellor, based on the disappeared original by Bartłomiej Strobel. However, there is no indication on the portrait that the painting was made after receiving this honour - it rather refers to the conferred dignity of treasurer in 1633, as already mentioned. Is our painting a copy of Strobel's original, older than the plaque? The answer to this question requires further research. The portrait was completely restored in 1992.

    Author: Anna Jasińska, Image copyright holder: Museum of the Jagiellonian University, Krakow

  • Kaftan / Caftan

    Kaftan / Caftan

    Ein exotischer „Schlaffpeltz“ am kursächsischen Hof

    Oberstoff: Seidendamast, Borten: Seidenzwirn, gewebt und geflochten, Knöpfe: Holz, Seidenzwirn in Posamentierarbeit, Futterstoff: Taft

    L. (vordere Mitte) 117 cm, L. (hintere Mitte) 130 cm, Saumweite 336 cm, L. (Ärmel ab Schulternaht) 38 cm; Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Rüstkammer Inv. I 0031, Inventar der Kleiderkammer von 1703–1712, S. 111, Nr. 176 – wohl polnisch, vor 1703

    Zahlreiche Geschenksendungen, Einkaufsreisen aber auch Neuanschaffungen für die vielen Hoffeste bildeten den Hintergrund dafür, dass sich in der kurfürstlich-sächsischen Rüstkammer eine umfangreiche Sammlung an Kaftanen und kaftanartigen Gewändern herausbildete. Allein Johann Georg Spiegel kaufte während seiner Orientreise zwischen 1712 und 1714 neben zahlreichen Stoffballen, aus denen orientalisierende Gewänder gefertigt werden sollten, auch 14 Kaftane nebst zugehörigen Hosen, Gürteln, Stiefeln, Turbanen und sonstigen Kopfbedeckungen. Viele dieser teils prachtvollen Textilien wurden auf Festdarstellungen des Dresdener Hofes verewigt. Im Laufe der Jahrhunderte ging der größte Teil davon durch anhaltenden Gebrauch und Mottenfraß aber wieder verloren. Heute befinden sich im Bestand der Dresdner Rüstkammer nur noch zwei Kaftane, von denen der eine 1730 in Vorbereitung des Zeithainer Lagers von einem Kammertürken Augusts des Starken in der Türkei gekauft wurde. Der ältere der beiden Kaftane lässt sich hingegen spätestens seit 1712 in der Rüstkammer nachweisen. Im Inventar der Kleiderkammer ist „Ein Carmoisin Roth damastener Schlaffpeltz mit dergl. Daffent gefüttert: und dergl. Seiden Schleiffen und Knöpffgen besezt“ beschrieben. Angaben zu seiner Herkunft finden sich an dieser Stelle leider nicht. Dennoch kann vorausgesetzt werden, dass dieser Kaftan bei Nationenaufzügen oder als exotisches Alltagsgewand am kursächsischen Hof in Dresden Verwendung fand. Ob tatsächlich August der Starke persönlich dieses Gewand trug, konnte bisher nicht belegt werden. Insbesondere in seiner Funktion als König von Polen wäre dies aber durchaus denkbar. Aber auch eines der vielen „türkischen“ Feste, die er in Dresden und Warschau veranstalten ließ, könnte Anlass dafür geboten haben.

    Der polnische Adel war trotz der anhaltenden militärischen Konflikte mit den Osmanen sehr stark von diesen beeinflusst. Sowohl Bewaffnung und Ausrüstung als auch die Kleidung in Polen waren von orientalischen Vorbildern geprägt. Dies führte so weit, dass über die Schlacht am Kahlenberg am 12. September 1683 vor den Toren Wiens immer wieder berichtet wurde, es falle schwer, polnische und osmanische Soldaten auseinanderzuhalten. Carl Gottfried Bose, der Stallmeister des Kurfürsten Johann Georg III. von Sachsen, notierte in seinem Tagebuch vom Entsatz Wiens mit Datum vom 6. September, dass während einer Beratung des Kurfürsten mit dem polnischen König Johann III. Sobieski im Heerlager bei Krems an der Donau Graf Heino Heinrich von Flemming herangestürmt sei. Er überbrachte die Nachricht, dass die Osmanen den sächsischen Tross überfallen würden. Sofort sprang der Kurfürst aufs Pferd und eilte zu seinen Truppen. Doch noch auf dem Weg dahin erhielt er beruhigende Neuigkeiten. Die Reiter, die man für angreifende Osmanen und Tataren gehalten hatte, waren in Wirklichkeit polnische Soldaten, die nur an den Sachsen vorbeiritten. Diese Ähnlichkeit im äußeren Erscheinungsbild von Polen und Osmanen griff auch Johann Benjamin Thomae mit seinen um 1719 entstandenen Plastiken aus dem ehemaligen Türkischen Garten in Dresden auf. Die beiden Sandsteinfiguren eines Polen und eines Osmanen, die sich heute im Palais im Großen Garten befinden, tragen Gewänder, die auf den ersten Blick nahezu gleich erscheinen und selbst bei näherer Betrachtung zahlreiche Parallelen aufweisen.

    Autor: Holger Schuckelt, Bildrechteinhaber: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Rüstkammer

    An exotic "Schlaffpeltz" at the court of the Electorate of Saxony

    Outer fabric: silk damask, borders: silk thread, woven and braided, buttons: wood, silk thread in posament work, lining: taffeta

    L. (centre front) 117 cm, l. (centre back) 130 cm, hem width 336 cm, l. (sleeves from shoulder seam) 38 cm; Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Rüstkammer Inv. I 0031, inventory of the dress chamber from 1703-1712, p. 111, no. 176 - probably Polish, before 1703

    Numerous gift consignments, shopping trips but also new acquisitions for the many court festivities formed the background for the development of an extensive collection of caftans and caftan-like garments in the Electoral Saxon Armoury. During his journey to the Orient between 1712 and 1714, Johann Georg Spiegel alone bought 14 caftans together with their trousers, belts, boots, turbans and other headgear, in addition to numerous bales of fabric from which oriental robes were to be made. Many of these textiles, some of them magnificent, were immortalised in festive depictions of the Dresden court. Over the centuries, however, most of them were lost again through prolonged use and moth damage. Today, only two caftans remain in the Dresden Armoury, one of which was purchased in 1730 from a chamberlain of August the Strong in Turkey in preparation for the Zeithain camp. The older of the two caftans, however, has been in the armoury since 1712 at the latest. In the inventory of the armoury, it is described as "a Carmoisin Roth damask sleeping caftan lined with such a caftan, and such a caftan with silk ribbons and buttons". Unfortunately, there is no information on its origin at this point. Nevertheless, it can be assumed that this caftan was used at national processions or as an exotic everyday garment at the court of the Elector of Saxony in Dresden. Whether August the Strong actually wore this garment personally has not yet been proven. Especially in his function as King of Poland, however, this would be quite conceivable. But it could also have been occasioned by one of the many "Turkish" festivities he organised in Dresden and Warsaw.

    The Polish nobility was very much influenced by the Ottomans, despite the ongoing military conflicts with them. Both armament and equipment as well as clothing in Poland were influenced by oriental models. This led to such an extent that the Battle of Kahlenberg on 12 September 1683 at the gates of Vienna was repeatedly reported as making it difficult to tell Polish and Ottoman soldiers apart. Carl Gottfried Bose, the equerry of Elector Johann Georg III of Saxony, noted in his diary of the relief of Vienna, dated 6 September, that during a consultation between the Elector and the Polish King Johann III Sobieski in the army camp near Krems on the Danube, Count Heino Heinrich von Flemming stormed up. He brought the news that the Ottomans were about to attack the Saxon troops. Immediately the Elector jumped on his horse and hurried to his troops. But on the way he received reassuring news. The horsemen who had been mistaken for attacking Ottomans and Tartars were in fact Polish soldiers who were merely riding past the Saxons. Johann Benjamin Thomae also picked up on this similarity in the outward appearance of Poles and Ottomans with his sculptures from the former Turkish Garden in Dresden, created around 1719. The two sandstone figures of a Pole and an Ottoman, which are now in the Palais im Großen Garten, wear garments that at first glance appear almost identical and even on closer inspection show numerous parallels.

    Author: Holger Schuckelt, Image copyright holder: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Rüstkammer

  • Schärpe / Sash

    Schärpe / Sash

    Verschlungene Erkennungszeichen auf dem Feld

    Seide, Leinen, Silberdraht, z.T. vergoldet; L. ca. 380 cm, eingehängte Schlinge samt Fransen: L. 105 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. D 71 – polnisch, 2. Hälfte 17. Jahrhundert

    Die Schärpe besteht aus dunkelroten Schnüren aus Seide, zum Teil aus Leinenzwirn und Silberdraht, die geschlossene Schlingen bilden. Sie werden durch 13 kleinere und größere, zum Teil verschiebbare Riegel in größeren Abständen gebündelt. Eine einzelne Schlinge ist eingehängt und wird von vier kleinen Riegeln zusammengehalten, wobei die Schlinge selbst in einem geflochtenen Medaillon mit angehängter Quaste endet. Als Herkunftsort dieser Schärpe wurde zunächst Ungarn oder das Osmanische Reich vermutet, da ungarische Fürsten und Grafen auf ihren Portraits mit ähnlichen Schärpen abgebildet sind. Aufgrund des Materials jedoch und der Machart ist es möglich, dass es sich eher um ein modisches Beiwerk von osmanischer Herkunft handelt. Die Kostüme, die östliche Kleidung zum Vorbild nahmen, dienten vor allem als Festtags- oder Turnierkostüme und blieben eigentlich überall nur als eine Verkleidung zu feierlichen Anlässen, eine exotische, schmückende Aufmachung. Anders war es in Polen. Die Bedeutung dieses Accessoires geht in der polnischen Geschichte auf ein Ereignis zurück, welches sich bereits zwei Jahrhunderte zuvor zugetragen hatte. Zwei feindliche Armeen standen sich im Juli 1410 gegenüber: auf der einen Seite die Streitkräfte des Hochmeisters des Deutschen Ordens mit Unterstützung von Rittern und Söldnern aus dem ganzen Reich und auf der anderen Seite das Heer des polnischen Königs Władysław II. Jagiełło zusammen mit der Streitmacht des Großherzogtums Litauen. In der Befürchtung, dass die litauisch-russischen Bündnispartner in der Hitze des Gefechts die polnischen Kämpfer nicht von den Rittern des Deutschen Ordens unterscheiden könnten, gab der polnische König seinen Rittern den Befehl, ihre Rüstungen mit Strohseilen zu umgürten, damit sie nicht zum Angriffsziel ihrer Verbündeten wurden. Einen ähnlichen Befehl erteilte der polnische König Johann III. Sobieski seinen Soldaten, als er mit seiner Streitmacht fast drei Jahrhunderte später, 1683, vor Wien stand. Diesmal sollten sich die Soldaten wieder mit Strohseilen umgürten, da er befürchtete, die alliierten Truppen würden nicht in der Lage sein, ihre christlichen Verbündeten von den Osmanen zu unterscheiden. Nun kommt natürlich die Frage auf, warum ein europäisches bzw. christliches Heer, äußerlich betrachtet, mit den Osmanen in Verbindung gebracht werden konnte und sich von den Armeen anderer europäischer Nationen so unterschied. Die Antwort darauf ist auf ein spezifisches Phänomen in der polnischen Kultur zurückzuführen, das im 17. und 18. Jahrhundert auftrat, den Sarmatismus. Ende des 16. Jahrhunderts erlangte der Mythos einer Abstammung der Polen vom antiken Volk der kämpferischen Sarmaten zunehmende Beliebtheit.

    Die Sarmaten waren ein Bündnis mehrerer Stämme von iranischen Reitervölkern, die ursprünglich aus Mittelasien kamen und sich zwischen dem 6. Jahrhundert v. Chr. und dem 4. Jahrhundert n. Chr. am südlichen Ural ansiedelten. Zur Zeit des römischen Kaiserreichs sollen sie den Landstrich zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meer, östlich der Weichsel, bewohnt haben. Die Polen glaubten so fest an den Mythos ihrer antiken sarmatischen Abstammung, dass sich dies nicht nur auf militärische Bräuche, einzelne Rüstungselemente, Bewaffnung oder Kleidung beschränkte. Letztere war beeinflusst von der Mode aus Ungarn und dem Osmanischen Reich: lange Männerkleider, die die östliche Männermode imitierten, wurden zum Zeichen des Polentums und zur polnischen Nationaltracht. Die Nationaltracht ermöglichte dem polnischen Adel, sich von anderen europäischen Nationen zu unterscheiden, denn man betrachtete die Länder aus dem Westen mit einem anderen Staatssystem als politische Gefährdung. Das eigene, gegen Ende des 16. Jahrhunderts verfestigte System des polnisch-litauischen Staates wurde aus tiefster Überzeugung als vollkommen angesehen, mit dem Recht auf die freie Wahl des Königs und dem liberum veto, der Notwendigkeit der Einstimmigkeit bei Parlamentsbeschlüssen. Charakteristisch für den Sarmatismus war der uneingeschränkte Individualismus des Adels. Diese besondere Wahrnehmung der Wirklichkeit verschmolz mit der Illusion eigener Vorstellungen. Das sollte später auf große Kritik stoßen, denn die Kritiker warfen den Adligen Größenwahn, fehlende Toleranz gegenüber Fremden, Andersgläubigen und -denkenden und ständischen Egoismus vor. Der Sarmatismus erlebte, Mitte des 17. Jahrhunderts, während der Regentschaft des Königs Johann III. Sobieski, seine Blüte. Als idealisiertes Wertemodell fand er Eingang in die Bildende Kunst, Architektur, Literatur und Alltagskultur.

    Autorin: Oya Dobruca-Kırali, Bildrechteinhaber: Badisches Landesmuseum

    Intertwined identification marks on the field

    Silk, linen, silver wire, partly gilded; l. approx. 380 cm, attached loop including fringes: l. 105 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. D 71 - Polish, 2nd half 17th century.

    The sash consists of dark red cords of silk, partly of linen thread and silver wire, forming closed loops. They are bundled together at greater intervals by 13 smaller and larger bolts, some of which are movable. A single loop is hooked and held together by four small bars, the loop itself ending in a braided medallion with an attached tassel. The place of origin of this sash was initially thought to be Hungary or the Ottoman Empire, as Hungarian princes and counts are depicted wearing similar sashes in their portraits. However, due to the material and the way it is made, it is possible that it is rather a fashion accessory of Ottoman origin. The costumes, which took Eastern clothing as their model, served mainly as festive or tournament costumes and actually remained everywhere only as a disguise for ceremonial occasions, an exotic, decorative get-up. It was different in Poland. The significance of this accessory in Polish history goes back to an event that had already taken place two centuries earlier. Two hostile armies faced each other in July 1410: on one side, the forces of the Grand Master of the Teutonic Order supported by knights and mercenaries from all over the empire, and on the other, the army of the Polish King Władysław II. Jagiełło together with the force of the Grand Duchy of Lithuania. Fearing that in the heat of battle the Lithuanian-Russian allies would not be able to distinguish the Polish fighters from the knights of the Teutonic Order, the Polish king gave orders to his knights to gird their armour with straw ropes so that they would not become the target of their allies' attack. The Polish King John III Sobieski issued a similar order to his soldiers when he stood before Vienna with his armed forces almost three centuries later, in 1683. This time, the soldiers were again to gird themselves with straw ropes, as he feared that the allied troops would not be able to distinguish their Christian allies from the Ottomans. Now, of course, the question arises as to why a European or Christian army, on the face of it, could be associated with the Ottomans and be so different from the armies of other European nations. The answer can be traced back to a specific phenomenon in Polish culture that appeared in the 17th and 18th centuries, Sarmatism. At the end of the 16th century, the myth of a descent of the Poles from the ancient people of the militant Sarmatians gained increasing popularity.

    The Sarmatians were an alliance of several tribes of Iranian horsemen who originally came from Central Asia and settled along the southern Urals between the 6th century BC and the 4th century AD. At the time of the Roman Empire, they are said to have inhabited the stretch of land between the Baltic Sea and the Black Sea, east of the Vistula. The Poles believed so strongly in the myth of their ancient Sarmatian ancestry that this was not limited to military customs, individual elements of armour, armament or clothing. The latter was influenced by fashion from Hungary and the Ottoman Empire: long men's dresses that imitated Eastern men's fashion became the sign of Polishness and the Polish national costume. The national costume enabled the Polish nobility to distinguish themselves from other European nations, because countries from the West with a different state system were considered a political threat. Their own system of the Polish-Lithuanian state, solidified towards the end of the 16th century, was considered perfect by deep conviction, with the right to freely elect the king and the liberum veto, the need for unanimity in parliamentary decisions. Characteristic of Sarmatism was the unrestricted individualism of the nobility. This particular perception of reality merged with the illusion of one's own ideas. This was later to meet with great criticism, for the critics accused the nobles of megalomania, lack of tolerance towards strangers, those of different faiths and thinking, and estates' egoism. Sarmatism experienced its heyday in the mid-17th century, during the reign of King John III Sobieski. As an idealised model of values, it found its way into the fine arts, architecture, literature and everyday culture.

    Author: Oya Dobruca-Kırali, Image copyright holder: Badisches Landesmuseum

  • Turbanhelm / Turban helmet

    Turbanhelm / Turban helmet

    Der Leidenschaft für den Orient einen Hut aufgesetzt …

    Stahl, Messing, Leder, Messingguss, Samt, vergoldeter Faden; H. 19,5 cm, Dm. 22,1 cm; Krakau, Nationalmuseum Inv. MNK V-29 ‒ polnisch, spätes 17. bis 1. Hälfte 18. Jahrhundert

    Seit dem 16. Jahrhundert erfreuten sich sogenannte „Kostümbücher“ enormer Popularität in Europa. Basierend auf neuesten Erkenntnissen oder auch reiner Imagination repräsentierten sie die Völker der Erde, deren Charakteristika durch ihre Bekleidung und deren Elemente definiert wurden. Das „Kostüm“ war für die Menschen jener Ära von großer Bedeutung, da es als sichtbares Zeichen von Nationalität, sozialem Status und Religion galt. Deswegen wurde der Turban im 16. und 17. Jahrhundert eindeutig mit dem Islam identifiziert, besonders während der Kriege, die mit der Bedrohung durch das Osmanische Reich einhergingen. Dieses Trachtelement wurde häufig zur „orientalischen“ Ausstaffierung benutzt – sowohl in Turnieren zur Verkörperung des Feindes als auch in fürstlichen Galerien und sogar in königlichen Schatzkammern. Dies belegen die turbangestaltigen Helme der Sammlung Kaiser Karls V. im Königspalast in Madrid, welche angeblich Trophäen aus den Kämpfen des Kaisers gegen die Osmanen waren. Keine Turbane finden wir auf den Köpfen der „christlichen Ritterschaft“, da deren religiöse Identität stark in Europa verwurzelt war. Eine recht mysteriöse Ausnahme davon stellt eine Gruppe von Turbanhelmen dar, die dem polnischen Adel zuzuordnen sind.

    Der „Turbanhelm“ ist ein unter Waffen- und Rüstungsforschern allgemein bekanntes Konzept und bezieht sich für gewöhnlich auf orientalische Helme. Sie sind im Mittelalter in osmanisch beherrschten Gebieten bekannt und an ihrer geriffelten Helmglocke und abgeplatteter konischer Zierspitze erkennbar. Allerdings bestehen sie aus ein oder zwei durch Nieten verbundenen Stahlplatten und besitzen zumeist kein für einen Turban charakteristisches Textilelement, sei es als Nachahmung in Stahl oder aus Stoff. Ihre polnischen Gegenstücke aus Schuppenpanzerung imitieren dagegen als einzige in Europa die osmanischen Turbane in perfekter Weise, wenn auch des hohen taj beraubt. Wegen der verbreiteten Mode der karacena-Rüstung in der Regierungszeit Johanns III. Sobieski wurden diese Turbanhelme mit seinem Wiener Sieg in Verbindung gebracht. Forscher sahen darin eine für Huszarische Turniere oder Zeremonien geschaffene Ausstattung. Diese Helme waren frei von religiöser Bedeutung und zeugen vom weitverbreiteten Interesse des polnischen Adels an orientalischen Erzeugnissen.

    Es ist aber auch denkbar, dass diese interessante und einzigartige Schutzwaffe tatsächlich aus späterer Zeit stammt und im mittleren 18. Jahrhundert nur eine Reminiszenz an den Wiener Sieg darstellt. Diese Annahme findet eine Bestätigung im wohl einzigen Portrait im Kunstmuseum in Łódź mit der Wiedergabe eines solchen Helms, das Józef Głębocki als Offizier der leichten Kavallerie im Jahr 1757 zeigt. Der Dargestellte ist dabei umgeben von anderen orientalischen Objekten – einem karabela-Säbel und einem pusikan-Streitkolben, was ein weiterer Hinweis auf die Leidenschaft des polnischen Adels für den Orient ist, die über das theatralische Auftreten in europäischen Turnieren hinausgeht.

    Autor: Michał Dziewulski, Bildrechteinhaber: Nationalmuseum Krakau

    Abbildung: https://zbiory.mnk.pl/en/catalog/35155

    Putting a hat on the passion for the Orient ...

    Steel, brass, leather, cast brass, velvet, gilt thread; h. 19.5 cm, dm. 22.1 cm; Krakow, National Museum Inv. MNK V-29 - Polish, late 17th to 1st half of 18th century.

    Since the 16th century, so-called "costume books" have enjoyed enormous popularity in Europe. Based on the latest knowledge or pure imagination, they represented the peoples of the earth whose characteristics were defined by their clothing and its elements. The "costume" was of great importance to the people of that era, as it was considered a visible sign of nationality, social status and religion. This is why the turban was clearly identified with Islam in the 16th and 17th centuries, especially during the wars that accompanied the threat of the Ottoman Empire. This costume element was often used for "oriental" dressing - both in tournaments to impersonate the enemy and in princely galleries and even in royal treasuries. This is evidenced by the turban-shaped helmets in the collection of Emperor Charles V in the royal palace in Madrid, which were supposedly trophies from the emperor's battles against the Ottomans. We do not find turbans on the heads of the "Christian knighthood", as their religious identity was strongly rooted in Europe. A rather mysterious exception to this is a group of turban helmets that can be attributed to the Polish nobility.

    The "turban helmet" is a commonly known concept among weapons and armour researchers and usually refers to oriental helmets. They are known in Ottoman-ruled areas in the Middle Ages and are recognisable by their fluted helmet bell and flattened conical decorative tip. However, they consist of one or two steel plates joined by rivets and usually have no textile element characteristic of a turban, whether imitation in steel or fabric. Their Polish counterparts made of scale armour, on the other hand, are the only ones in Europe to imitate Ottoman turbans perfectly, albeit deprived of the high taj. Because of the widespread fashion for karacena armour in the reign of John III Sobieski, these turban helmets were associated with his victory in Vienna. Researchers saw them as equipment created for Huszarian tournaments or ceremonies. These helmets were devoid of religious significance and testify to the widespread interest of the Polish nobility in oriental products.

    However, it is also conceivable that this interesting and unique protective weapon actually dates from a later period and in the mid-18th century was merely a reminiscence of the Vienna Victory. This assumption is confirmed by what is probably the only portrait in the Museum of Art in Łódź with a reproduction of such a helmet, which shows Józef Głębocki as an officer of the light cavalry in 1757. The sitter is surrounded by other oriental objects - a karabela sabre and a pusikan mace, which is another indication of the Polish nobility's passion for the Orient, which went beyond theatrical appearances in European tournaments.

    Author: Michał Dziewulski, Image copyright holder: National Museum Krakow

    Illustration: https://zbiory.mnk.pl/en/catalog/35155

     

  • Schuppenpanzer / Scale armour

    Schuppenpanzer / Scale armour

    Image-Bildung eines „antiken“ Triumphators

    Schuppenpanzer (karacena) des Hetmans Stanislaus Johann Jabłonowski (?)

    Stahl, Messing, Leder, Samt, Treibarbeit; Helm: H. 14,8 cm, B. 20,7 cm, Brustplatte: H. 47,8 cm, B. 63,6 cm, Rückenplatte: H. 50,9 cm, B. 58,7 cm, Kehlstück: H. 15,6 cm, B. 32,8 cm, Vorderflüge: je L. 38,4 cm, Armschienen: L. 30,7 cm; Krakau, Nationalmuseum Inv. MNK V.4381 und MNK V.4382 ‒ polnisch, spätes 17. Jahrhundert

    Das Ende des 17. Jahrhunderts sowie die Entsatzschlacht von Wien im Jahr 1683 hinterließen viele materielle und immaterielle Spuren in den Gebieten der Polnisch-Litauischen Union. Ein Ergebnis der Schlacht war der Anstieg der Popularität von König Johann III. Sobieski, die im Adel, der dem Herrscher gegenüber gewöhnlich eine kritische Haltung einnahm, nicht automatisch gegeben war. Die Beliebtheit des Königs spiegelte sich z.B. in den Trends wider, die vom königlichen Hof in der Mode, der Kultur allgemein und vor allem in der Konsolidierung eines neuen, heroischen Männerbildes ausgingen und die von der Gesellschaft gerne imitiert wurden. In Nachahmung des Herrscherportraits begannen die Offiziere, sich mit dem karacena genannten Schuppenpanzer darstellen zu lassen, der zur Selbststilisierung des Königs gehörte.

    Der Schuppenpanzer stellt einen Bezug zu den Schutzwaffen der alten Römer und Sarmaten etwa zwischen dem 3. und 1. Jahrhundert v.Chr. her. Auf den bekanntesten Portraits Johanns III. Sobieski, wie den von Daniel Schultz oder Jan Tricius gemalten, ist der König mit vielen antikisierenden Attributen, zum Beispiel dem Feldherrenstab, ausgezeichnet. Seine karacena-Rüstung ist meist in klassisch römischer Weise verziert. So schuf der König visuell sein eigenes Image als antiker Held und Triumphator, und die karacena wurde zu einem essenziellen Element seiner Propaganda.

    Eine karacena bestand aus eisernen Schuppen, die einzeln auf eine dicke Lederunterlage genietet waren. Daher war ihr Gewicht gewöhnlich viel höher als das beispielsweise einer Husarenrüstung und schloss eine Verwendung in der Schlacht praktisch aus. Fast jede karacena war einzigartig hinsichtlich der Form und des Arrangements der Schuppen. Vorliegendes Exemplar entstand sicherlich in einer Meisterwerkstätte. Die Schuppen, abgeschrägt an den Rändern, fügen sich perfekt ineinander, und das, obwohl sie auf flexiblem Elchleder befestigt sind. Die Vorderflüge auf den Schultern bestehen aus Samt, besetzt mit vertikalen Schuppenreihen. Eine massive Zischägge und Armschienen mit Handschutz vervollständigen dieses prächtige polnische Rüststück.

    Die karacena aus der Sammlung des Nationalmuseums in Krakau gehört zu einer Gruppe von Rüstungen, die sich ansonsten selten in polnischen Sammlungen erhalten hat. Laut Überlieferung wurde sie vom Hetman Stanislaus Johann Jabłonowski getragen, einem der Kommandanten und Sieger der großen Schlacht um Wien im Jahr 1683. In die Museumssammlung kam Jabłonowskis karacena über die mächtige Sapieha-Familie, die im mittleren 18. Jahrhundert über die Urgroßmutter des Hetmans, Teofila Fr. Jabłonowska, mit der Jabłonowski-Familie verbunden war.

    Autor: Michał Dziewulski, Bildrechteinhaber: Nationalmuseum Krakau

    Abbildung: https://zbiory.mnk.pl/en/catalog/149085

    Image-making of an "ancient" triumphator

    Scale armour (karacena) of the hetman Stanislaus Johann Jabłonowski (?).

    Steel, brass, leather, velvet, drift work; helmet: h. 14.8 cm, w. 20.7 cm, breastplate: h. 47.8 cm, w. 63.6 cm, backplate: h. 50.9 cm, w. 58.7 cm, gorge: h. 15.6 cm, w. 32.8 cm, front wings: l. 38.4 cm each, bracers: L. 30.7 cm; Krakow, National Museum Inv. MNK V.4381 and MNK V.4382 - Polish, late 17th century.

    The end of the 17th century and the Battle of Vienna in 1683 left many material and immaterial traces in the territories of the Polish-Lithuanian Union. One result of the battle was the rise in popularity of King John III Sobieski, which was not automatic among the nobility, who were usually critical of the ruler. The king's popularity was reflected, for example, in the trends that emanated from the royal court in fashion, culture in general and, above all, in the consolidation of a new, heroic male image, which society readily imitated. In imitation of the ruler's portrait, officers began to be portrayed wearing the scale armour called karacena, which was part of the king's self-stylisation.

    The scale armour makes a reference to the protective weapons of the ancient Romans and Sarmatians around the 3rd to 1st century BC. In the best-known portraits of John III Sobieski, such as those painted by Daniel Schultz or Jan Tricius, the king is distinguished by many antiquing attributes, for example the field staff. His karacena armour is mostly decorated in a classical Roman manner. Thus, the king visually created his own image as an ancient hero and triumphator, and the karacena became an essential element of his propaganda.

    A karacena consisted of iron scales individually riveted to a thick leather base. Therefore, its weight was usually much higher than that of, for example, hussar armour and practically excluded its use in battle. Almost every karacena was unique in terms of the shape and arrangement of the scales. This example was certainly made in a master workshop. The scales, bevelled at the edges, fit together perfectly, and this despite being attached to flexible elk leather. The front wings on the shoulders are made of velvet, studded with vertical rows of scales. A massive hischäge and bracers with hand guards complete this magnificent piece of Polish armour.

    The karacena from the collection of the National Museum in Krakow belongs to a group of armour that is otherwise rarely preserved in Polish collections. According to tradition, it was worn by the hetman Stanislaus Johann Jabłonowski, one of the commanders and victors of the great Battle of Vienna in 1683. Jabłonowski's karacena came into the museum collection via the powerful Sapieha family, which was connected to the Jabłonowski family in the mid-18th century through the hetman's great-grandmother, Teofila Fr Jabłonowska.

    Author: Michał Dziewulski, Image copyright holder: National Museum Kraków

    Illustration: https://zbiory.mnk.pl/en/catalog/149085

     

  • Brustbildnis des Johann III. Sobieski / Half-length portrait of John III Sobieski

    Brustbildnis des Johann III. Sobieski / Half-length portrait of John III Sobieski

    Portrait des Feldherrn als antiker Held

    Johann III. Sobieski
    Öl auf Leinwand; H. 88,7 cm, B. 72 cm; Krakau, Königliches Schloss auf dem Wawel Inv. 4664 – unbekannter Maler, 4. Viertel 17. Jahrhundert (?)

    Auf diesem Brustbild im gemalten ovalen, Holz imitierenden Rahmen ist Johann Sobieski in einem Schuppenpanzer (poln. karacena) dargestellt. Unter dem breiten Pelzkragen der delia (eines schweren Mantels mit Pelzbesatz) sind ein vergoldetes Bruststück und ein rechtsseitiges Armenzeug in Form einer Löwenmaske mit Lederstreifen (pteryges) sichtbar. Die Krone rechts hinter der Schulter weist darauf hin, dass Sobieski als König porträtiert worden ist, was den terminus post quem der Entstehung des Gemäldes bestimmt.

    Johann Sobieski, der 1674 in freier Wahl zum König gewählt wurde (die Krönungszeremonie fand erst 1676 statt), hat seinen Ruf auf den Schlachtfeldern erworben, indem er sich in mehreren Feldzügen gegen Kosaken, Krimtataren, Schweden, Russen und insbesondere in den Kriegen Polen-Litauens gegen das Osmanische Reich verdient gemacht hatte. Sein grandioser Sieg über die osmanische Armee unter Hussein Paşa bei Chocim im Jahr 1673 hatte eine entscheidende Bedeutung für seine Karriere: ihm wurde der Weg zum polnischen Thron geöffnet. Als König verstand er es, seine militärischen Errungenschaften und Erfolge wirksam und meisterhaft zu propagieren. Beim Entsatz von Wien 1683 wurde ihm der Oberbefehl über die alliierten Streitkräfte anvertraut – der Sieg wurde bald europaweit bekannt und brachte dem König den Titel des Fidei Defensor ein. Zu Propagandazwecken dienten nicht nur zahlreiche Flugblätter und graphische Darstellungen seiner militärischen Feldzüge, sondern auch eine hohe Anzahl an Bildnissen, die sich in Repliken und Kopien verbreiteten.

    Das auf dem Wawel aufbewahrte Portrait wurde für eine auf ein Brustbild reduzierte Replik des von Daniel Schultz gemalten Bildnisses gehalten, das Sobieski en pied darstellte und sich in einem Saal des Danziger Rathauses befunden haben soll, wo es Jacob Bernoulli während seiner Reise durch Polen in 1777 gesehen hatte.

    Es gibt mehrere Portraits, die Sobieski als Feldherrn im antikisierenden Harnisch in dieser oder leicht veränderter Auffassung darstellen und die sowohl Gesichtszüge des Porträtierten als auch Kostümdetails wiederholen. Das Exemplar auf dem Wawel unterscheidet sich von diesen Versionen durch die königliche Krone, die in die Ecke gezwängt und vielleicht nachträglich hinzugefügt wurde. Als Vorlage hätte der 1677–1679 datierte Stich von Isaak Saal angenommen werden können, der den König jedoch mit dem Ordensband des Ordens vom Heiligen Geist darstellt, der Sobieski 1676 überreicht wurde und auf dem Wawel-Porträt fehlt. In der reichen Ikonographie des Königs, die Apotheosen, Familien- und Privatbildnisse enthält, gehört es zu denjenigen, in denen politische und glorifizierende Akzente zur Sprache kommen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Darstellungen Sobieskis als Feldherr all‘antica und gleichermaßen als König eine bestimmte Rolle in der unermüdlich betriebenen dynastischen Politik gespielt haben könnten, an der auch seine geliebte Frau „Mariechen“ einen regen Anteil hatte. Langfristig verfolgte das Königspaar die Einführung einer erblichen Thronfolge, zuvor war allerdings die – vergebliche – Sicherung der polnischen Krone für den ältesten Sohn Jakob vonnöten.

    Autorin: Joanna Winiewicz-Wolska, Bildrechteinhaber: Königliches Schloss auf dem Wawel, Krakau

    Portrait of the Commander as an Ancient Hero

    John III Sobieski
    Oil on canvas; h. 88.7 cm, w. 72 cm; Krakow, Royal Castle on the Wawel Inv. 4664 - unknown painter, 4th quarter 17th century (?)

    On this bust in a painted oval frame imitating wood, Johann Sobieski is depicted in scale armour (Polish: karacena). Under the broad fur collar of the delia (a heavy coat with fur trim), a gilded breastpiece and a right arm piece in the form of a lion mask with leather strips (pteryges) are visible. The crown on the right behind the shoulder indicates that Sobieski was portrayed as king, which determines the terminus post quem of the painting's origin.

    Johann Sobieski, who was freely elected king in 1674 (the coronation ceremony did not take place until 1676), earned his reputation on the battlefields by distinguishing himself in several campaigns against Cossacks, Crimean Tatars, Swedes, Russians and especially in the wars of Poland-Lithuania against the Ottoman Empire. His magnificent victory over the Ottoman army under Hussein Paşa at Chocim in 1673 had a decisive meaning for his career: the way to the Polish throne was opened for him. As king, he knew how to effectively and masterfully propagate his military achievements and successes. At the relief of Vienna in 1683, he was entrusted with the supreme command of the allied forces - the victory soon became known throughout Europe and earned the king the title of Fidei Defensor. Not only did numerous pamphlets and graphic representations of his military campaigns serve propaganda purposes, but also a large number of portraits, which spread in replicas and copies.

    The portrait kept at Wawel was thought to be a replica, reduced to a bust, of the portrait painted by Daniel Schultz depicting Sobieski en pied, which is said to have been in a hall of the Gdansk Town Hall, where Jacob Bernoulli had seen it during his journey through Poland in 1777.

    There are several portraits depicting Sobieski as a general in antique armour in this or slightly altered conception, repeating both facial features of the sitter and costume details. The copy on the Wawel differs from these versions in that the royal crown has been squeezed into the corner and perhaps added later. The engraving by Isaak Saal, dated 1677-1679, could have been assumed to be the model, but it depicts the king with the ribbon of the Order of the Holy Spirit, which was presented to Sobieski in 1676 and is missing from the Wawel portrait. In the king's rich iconography, which includes apotheoses, family and private portraits, it is one of those in which political and glorifying accents come up. It cannot be ruled out that Sobieski's portrayals as a general all'antica and equally as a king may have played a certain role in the tirelessly pursued dynastic politics, in which his beloved wife "Mariechen" also played a lively part. In the long term, the royal couple pursued the introduction of a hereditary succession to the throne, but before that, the - futile - securing of the Polish crown for the eldest son Jakob was necessary.

    Author: Joanna Winiewicz-Wolska, copyright holder: Royal Castle on the Wawel, Krakow

  • Husaren-Halbharnisch / Hussar half-armour

    Husaren-Halbharnisch / Hussar half-armour

    Harnisch eines geflügelten Reiters

    Husaren-Halbharnisch mit Ketten-/Ringelpanzerung

    Stahl, Messing, Leder, geschmiedet, montiert, getrieben; H. (Brustplatte) 49,8 cm, B. 55,6 cm, Dm. (Umbo) 16,4 cm, Gew. (mit Umbo) 7412 g, Zischägge: H. 11,8 cm, Dm. 21,2 cm, Gew. 1410 g, Kinnreff: B. 29,1 cm, Gew. 989 g, Schulterstücke: L. 37,3 cm, Gew. 1371 g und 1377 g, Armschienen: L. 29,9 cm; Krakau, Nationalmuseum Inv. MNK V-18/1–8 (Rüstung), MNK V-4357 (Zischägge), MNK ND-5330 (Kettenpanzer) ‒ polnisch, 2. Hälfte 17. Jahrhundert

    Das Bild des polnischen Flügelhusaren ist heutzutage untrennbar mit den wichtigsten Siegen der Polnisch-Litauischen Union im 17. Jahrhundert verbunden und dient immer noch als Symbol in den polnischen Streitkräften. Die sogenannte polnische Husarenrüstung besteht gewöhnlich aus einem als Zischägge oder „Hummerschwanz-Helm“ bekannten Kopfschutz, Armschienen für den Unterarm, die hauptsächlich auf osmanischen oder ungarischen Einfluss zurückzuführen sind, und dem Kürass mit Kinnreff bzw. Bart und Schulterstücken zum Schutz des Rumpfes als westeuropäischen Elementen. Manchmal trugen Husaren auch bis zu den Knien reichende Beinschützer. Optisch am auffälligsten waren Felle wilder Tiere und die Flügel am Rücken der Soldaten. Diese waren im Gegensatz zur verbreiteten Meinung jedoch eher an den Hinterpauschen des Sattels als am Rücken des Reiters angebracht. Charakteristisch waren sie für die Parade- und Gardehusaren des 18. Jahrhunderts, deren Bild sich im 19. und 20. Jahrhundert ins kollektive Gedächtnis der Polen eingeprägt hat.

    Die vorliegende Rüstung gehört zum sogenannten „älteren“ Typ, der als klassisch gilt und gleichzeitig den höchsten Wiedererkennungswert dieser Art Rüstung besitzt. Sie ist charakterisiert durch die Schlichtheit der Dekoration, die sich auf ausgeschnittene oder geprägte Messingverzierungen an den Rändern beschränkt und einfache geometrische oder florale Motive zeigt, die Volkskunst ähneln. Das markanteste Schmuckelement besteht aus zwei Medaillons auf der Brust, die zum einen eine Maria Immaculata zeigen, zum anderen Kreuze oder Rosetten, die an Ritterkreuze erinnern – sowohl Symbol der polnischen Kavallerie als auch Manifestation des Glaubens.

    Entsprechend der nach wie vor gültigen Typologie der Husarenrüstung könnte sie in der Schlacht um Wien im Jahr 1683 benutzt worden sein. Leider gibt es keine sichere Bestätigung dafür, weder in schriftlichen Quellen oder Bildzeugnissen noch in den Sammlungen mit „Andenken“ aus der Entsatzschlacht. Dieser Unsicherheit entspricht die Diskussion, die seit Langem in der polnischen Wissenschaft geführt wird, die die Forderung nach weiteren Forschungen zu Geschichte und Datierung der Bewaffnung der berühmten, geflügelten Kavallerie erhebt.

    Autor: Michał Dziewulski, Bildrechteinhaber: Nationalmuseum Krakau

    Abbildungen: https://zbiory.mnk.pl/en/catalog/27382 und https://zbiory.mnk.pl/en/catalog/138309

    Armour of a winged horseman

    Hussar half-armour with chain/ring armour

    Steel, brass, leather, forged, mounted, chased; h. (breastplate) 49.8 cm, w. 55.6 cm, dm. (umbo) 16.4 cm, wt. (with umbo) 7412 g, Zischägge: h. 11.8 cm, dm. 21.2 cm, wt. 1410 g, Kinnreff: w. 29.1 cm, wt. 989 g, shoulder pieces: L. 37.3 cm, wt. 1371 g and 1377 g, bracers: L. 29.9 cm; Krakow, National Museum Inv. MNK V-18/1-8 (armour), MNK V-4357 (hauberk), MNK ND-5330 (chain mail) - Polish, 2nd half 17th century.

    The image of the Polish winged hussar is nowadays inseparable from the most important victories of the Polish-Lithuanian Union in the 17th century and still serves as a symbol in the Polish armed forces. The so-called Polish hussar armour usually consists of a head guard known as the Zischägge or "lobster-tail helmet", bracers for the forearm, mainly due to Ottoman or Hungarian influence, and the cuirass with chinreff or beard and shoulder pieces to protect the torso as Western European elements. Sometimes hussars also wore leg protectors reaching to the knees. Visually, the most striking elements were the skins of wild animals and the wings on the soldiers' backs. Contrary to popular belief, however, these were attached to the rear pommels of the saddle rather than to the rider's back. They were characteristic of the parade and guard hussars of the 18th century, whose image became imprinted in the collective memory of Poles in the 19th and 20th centuries.

    The present armour belongs to the so-called "older" type, which is considered classic and at the same time has the highest recognition value of this type of armour. It is characterised by the simplicity of the decoration, which is limited to cut-out or embossed brass ornaments on the edges and shows simple geometric or floral motifs resembling folk art. The most striking decorative element consists of two medallions on the breast, one showing a Maria Immaculata, the other crosses or rosettes reminiscent of knights' crosses - both a symbol of the Polish cavalry and a manifestation of faith.

    According to the still valid typology of hussar armour, it could have been used in the Battle of Vienna in 1683. Unfortunately, there is no certain confirmation of this, neither in written sources or pictorial evidence, nor in the collections of "souvenirs" from the battle of Entsatz. This uncertainty corresponds to the discussion that has long been going on in Polish scholarship, which calls for further research into the history and dating of the armament of the famous winged cavalry.

    Author: Michał Dziewulski, Image copyright holder: National Museum Krakow

    Illustrations: zbiory.mnk.pl/en/catalog/27382 and https://zbiory.mnk.pl/en/catalog/138309

     

  • Reflexbogen / Reflex sheet

    Reflexbogen / Reflex sheet

    „Es schießt der Türke mit dem Pfeile …“

    Holz, Sehnenfaser, Tierhaut, Horn, Lederstreifen, Farblack, verleimt, umwickelt, Goldmalerei; L. (über jetzige Krümmung) 120 cm, B. 3,4 cm, Spannweite (von Kerbe zu Kerbe) 20 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. G 19a. – osmanisch, signiert:

    عمل عثمان علی

    Osman Ali, datiert:

    سنه ۱۰۹۷

    Sene 1097 / 28. November 1685‒16. November 1686

    Zu den gefürchtetsten Angriffswaffen der Osmanen zählten bis zum ausgehenden 17. Jahrhundert Bogen (yay) und Pfeil (ok). Seit frühester Jugend übten sich osmanische Krieger in der Kunst des Bogenschießens zu Fuß und zu Pferd. Schützengilden versammelten sich seit der Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453 auf einem eigens hierfür eingerichteten Pfeilplatz namens ok meydanı und eigneten sich die hierzu notwendigen Fähigkeiten an. Es folgten bald weitere Schießplätze in İstanbul und anderen Städten. Bevorzugt wurde von den Osmanen – wie von anderen asiatischen Völkern auch – ausschließlich der Reflexbogen, der sich im sehnenlosen, entspannten Zustand reflexiv in seine natürliche Krümmung zurückbog und in dieser Gestalt auch heute die Sammlungsstücke auszeichnet.

    Von Anbeginn galt die Kunst des Bogenschießens als eine religiöse Übung und geistige Disziplin. Ihre Wurzeln wurden von den alttestamentlichen Überlieferungen über Adam bis zu den Aussprüchen und Handlungen Muhammeds in den hadith auf den Propheten selbst zurückgeführt. Die Bezeichnung „Bogenschütze“ war ein Ehrentitel, der nicht nur jenen zuteilwurde, die Berichten zufolge innerhalb einer Minute 20 bis 30 Pfeile abschießen konnten. Geachtet war auch der Beruf des Bogenherstellers, des Kalligraphen und Malers, die nacheinander und in mühevollen, langwierigen Arbeitsprozessen den Bogen bis zu seiner Vollendung erschufen. Aufgemalte Verse auf den Bögen belegen die hohe Wertschätzung für den yay, seinen Gebrauch und sämtliche an seiner Herstellung und Benutzung beteiligten Personen. So heißt es etwa: „Mit einem Pfeil kommen drei Menschen in den Himmel: der, der den Bogen herstellt; der, der den Bogen hergibt; und der, der damit schießt.“

    Zwei Beispiele mögen stellvertretend für insgesamt sechs überaus kostbare osmanische Reflexbogen aus der Karlsruher Türkenbeute belegen, welcher Art die Bemalung war. In der künstlerischen Ausführung und Ausgewogenheit der Komposition unübertrefflich, weisen sie neben der Datierung Meistersignaturen auf. Ob es sich dabei um den Namenszug des Bogenmeisters, Kalligraphen oder Malers handelt, ist ungewiss. Zumindest Bogenmeister und Meisterkalligraph genossen ein derart hohes Ansehen, dass hierfür beide in Frage kämen. Den auf einem mehrlagigen Korpus angebrachten vielschichtigen Aufbau der Farbfassungen dominieren ein leuchtendes Rotlack und Kupfergrün (Grünspan). Lüsterbemalungen mit eingestreuten Metallsplittern setzen eigene Farbakzente. In Pulvergold- und -silber aufgemalt, füllen Dekore im hatayi-Stil mit eingestreuten zierlichen Blüten flächendeckend den Malgrund. Sternförmige Aussparungen nennen den Meister und das Datum der Herstellung. In Kartuschen eingeschrieben, fügen sich mehrdeutige Vierzeiler ein, die sich in ihrem Aufbau und Duktus des rubāy’i (Vierzeiler) der klassischen persischen Dichtkunst bedienen. So heißt es etwa auf jenem mit „Osman Ali“ signierten Bogen:

    "چک سینیه تیرمژه سین قاشی کمانک

    رستم چکمزیاشی اون تازه جوانک

    میدانه کیروب عشقله اثبات وددایت

    محو اولیه تاحشره دیکن نام و نشنک"

    „Zieh an die Brust den Pfeil der Wimper, den Bogen der Braue/Des zehnjährigen zarten Jünglings, den (Bogen, den) selbst Rustem zu spannen nicht imstande wäre/Betritt den Kampfplatz und gib eine Probe deiner Liebe und Freundschaft,/Damit bis zum Jüngsten Tag dein Nam und Ruf nicht ausgetilgt werde“

    In den Versen wird auf geläufige Metaphern der persischen Liebesmystik zurückgegriffen. Zentrales Thema der persischen Mystik ist seit dem 8. Jahrhundert die wahre Liebe – eine Liebe, die weder nach Jenseitsstrafen noch -belohnungen fragt. Für diese Liebe stehen wie kaum eine andere Kunstgattung Pfeil und Bogen. Denn aus dem Bogen, der metaphorisch mit der Braue der/des Geliebten verglichen wird, schießt der Pfeil wie der Blick der/des Geliebten mitten ins Herz des Liebenden. Die Meisterschaft in der Kunst des Bogenschießens aber solle selbst die Könnerschaft des legendären Kriegers Rustem/Rostam überflügeln, wünscht der Dichtermund. Bei Rostam handelt es sich um jenen an Mut und Kraft nur mit dem griechischen Heros Herakles vergleichbaren Sagenhelden aus dem persischen Nationalepos Shāhnāme (Das Buch der Könige). In der Sammlung aus 62 Sagen schildert Abu l’Qāsem Ferdosi in Versen, wie Rostam mit seinem berühmten Pferd Rakhsh und bewaffnet mit Pfeil und Bogen sieben ihm auferlegte schwere Prüfungen heldenhaft meistert.

    Autorin: Schoole Mostafawy, Bildrechteinhaber: Badisches Landesmuseum

    "The Turk shoots with the arrow ..."

    Wood, sinew fibre, animal skin, horn, leather strips, coloured varnish, glued, wrapped, gold painting; l. (above present bend) 120 cm, w. 3.4 cm, span (from notch to notch) 20 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. G 19a. - Ottoman, signed:

    عمل عثمان علی

    Osman Ali, dated:

    سنه ۱۰۹۷

    Sene 1097 / 28 November 1685-16 November 1686

    Among the most feared offensive weapons of the Ottomans until the late 17th century were the bow (yay) and arrow (ok). From an early age, Ottoman warriors practised the art of archery on foot and on horseback. Shooters' guilds gathered at a specially established archery range called ok meydanı from the conquest of Constantinople in 1453 and acquired the necessary skills. Other firing ranges soon followed in İstanbul and other cities. The Ottomans preferred - as did other Asian peoples - exclusively the reflex bow, which in a sinewless, relaxed state reflexively bent back into its natural curvature and in this shape still characterises the collection pieces today.

    From the very beginning, the art of archery was considered a religious exercise and spiritual discipline. Its roots were traced back to the Prophet himself from the Old Testament traditions about Adam to the sayings and actions of Muhammad in the hadith. The title "archer" was a title of honour bestowed not only on those who could reportedly shoot 20 to 30 arrows within a minute. The profession of bow maker, calligrapher and painter was also respected, who created the bow one after the other and in laborious, lengthy work processes until its completion. Verses painted on the bows attest to the high esteem in which the yay, its use and all the people involved in its manufacture and use are held. For example, it says: "With one arrow three people go to heaven: the one who makes the bow; the one who gives the bow; and the one who shoots with it."

    Two examples, representative of a total of six extremely precious Ottoman reflex bows from the Karlsruhe Turkish loot, may illustrate the nature of the painting. Unsurpassable in their artistic execution and balance of composition, they bear master signatures in addition to the date. Whether this is the name of the bow master, calligrapher or painter is uncertain. At least the bow master and the master calligrapher were held in such high esteem that both would be possible. The multi-layered structure of the colouring on a multi-layered corpus is dominated by a bright red lacquer and copper green (verdigris). Chandelier paintings with interspersed metal splinters add their own colour accents. Painted in powder gold and silver, hatayi-style decorations with interspersed delicate blossoms fill the painted surface. Star-shaped recesses name the master and the date of manufacture. Inscribed in cartouches are ambiguous quatrains whose structure and style are based on the rubāy'i (quatrain) of classical Persian poetry. Thus, for example, on that sheet signed "Osman Ali" it reads:

    "چک سینیه تیرمژه سین قاشی کمانک

    رستم چکمزیاشی اون تازه جوانک

    میدانه کیروب عشقله اثبات وددایت

    محو اولیه تاحشره دیکن نام و نشنک"

    "Draw to the breast the arrow of the eyelash, the bow of the brow/The ten-year-old tender youth, the (bow that) even Rustem would not be able to draw/Take the battlefield and give a trial of your love and friendship,/That until Judgment Day your name and reputation may not be blotted out."

    The verses draw on common metaphors of Persian love mysticism. Since the 8th century, the central theme of Persian mysticism has been true love - a love that asks neither for punishments nor rewards in the afterlife. The bow and arrow stand for this love like hardly any other art form. For from the bow, which is metaphorically compared to the brow of the beloved, the arrow shoots like the beloved's gaze right into the heart of the lover. The poet's mouth wishes that the mastery in the art of archery should surpass even the skill of the legendary warrior Rustem/Rostam. Rostam is the legendary hero from the Persian national epic Shāhnāme (The Book of Kings), comparable in courage and strength only to the Greek hero Heracles. In this collection of 62 sagas, Abu l'Qāsem Ferdosi describes in verse how Rostam, with his famous horse Rakhsh and armed with bow and arrow, heroically masters seven difficult trials imposed on him.

    Author: Schoole Mostafawy, Image copyright holder: Badisches Landesmuseum

  • Buch des Ibrahim Müteferrika / Book of Ibrahim Müteferrika

    Buch des Ibrahim Müteferrika / Book of Ibrahim Müteferrika

    Ein Gardekavallerist als Wissensvermittler

    Füyūḍāt-i mıqnatisīye (Abhandlung über Magnetismus)

    Papier, 201 x 136 mm (Buchblock) (Packmaße 208 x 140 mm), Wien, Österreichische Nationalbibliothek Sig. 21.227 B. Alt-Mag – aus der Druckerei von İbrahim Müteferrika, İstanbul, 1732

    „Vortreffliche Eigenschaften des Magneten“ – so etwa lässt sich der Titel des kleinen Buches übersetzen, das İbrahim Müteferrika, der erste muslimische Drucker des Osmanischen Reiches, 1732 in der „Großherrlichen Druckerei“ in İstanbul herausbrachte. İbrahim hatte hier Informationen aus mehreren europäischen Werken zum Thema Magnetismus und Kompass selbst übersetzt und zusammengeführt. Seine vielseitige Bildung und seine Fremdsprachenkenntnisse kamen ihm bei dieser Arbeit zugute. İbrahim, der ungarischer Herkunft war und aus Siebenbürgen stammte, hatte nach seinem Übertritt zum Islam Karriere gemacht, als Gardekavallerist (müteferrika, daher sein Beiname) am Sultanshof, als Übersetzer und Diplomat. Unter den insgesamt 16 Werken, die er im Laufe von 14 Jahren herausgab, hatte er einige selbst verfasst oder aus Übersetzungen zusammengestellt. Die Abhandlung über den Magnetismus zählte zu den meistverkauften Titeln aus dem Verlagsprogramm. Es war ein modernes Buch, die erste Monographie zum Thema in osmanisch-türkischer Sprache. Obwohl die Verwendung des Kompasses auch für osmanische Seefahrer schon seit langem selbstverständlich und auch in mehreren Werken beschrieben worden war, wurden hier erstmals das grundlegende, „westliche“ Wissen der Zeit über Magnetismus, Erdmagnetismus, Kompasse und über die Bestimmung von Längen- und Breitengraden zusammengefasst und neuere Experimente zum Thema vorgestellt.

    Auch auf ein vieldiskutiertes Thema der zeitgenössischen Wissenschaft wird eingegangen: Die Bestimmung der geographischen Länge auf hoher See. Die Lösung dieses Problems sollte den Segelschiffen das zeitraubende „Segeln nach der Breite“ ersparen und damit die Seewege verkürzen. Bereits 1714 hatte das britische Parlament ein hohes Preisgeld für die Lösung dieses Längenproblems ausgeschrieben. Christoph Semler, Theologe und Astronom aus Halle, hatte eine Methode ausgearbeitet und bat seinen Freund, den Geographen (und gleichfalls Theologen) Christoph Eberhard, seinen Lösungsansatz in London zu unterbreiten, was dieser 1718 auch tat. Doch weder Semlers Vorschlag noch ein anderer wurde angenommen; die entscheidende Verbesserung sollte erst Jahrzehnte später John Harrisons Schiffsuhr bringen.

    1720 erschien, von einem anonymen „S.B.W.“ herausgegeben, Specimen theoriae magneticae/Versuch einer Magnetischen Theorie … entworffen von Christoph Eberhard. „S.B.W.“ hatte Eberhards Darstellung der Semlerschen Methode ohne dessen Wissen aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt und zweisprachig in Leipzig drucken lassen.

    In seiner Abhandlung schreibt İbrahim Müteferrika, er habe seine Informationen vor allem aus einem Werk geschöpft und übersetzt (von einer wörtlichen Übersetzung spricht er nicht), das in Leipzig im Jahr 1721 (!) erschienen sei. Den Namen und Titel des Werks gibt er nicht an, aber die Vermutung liegt nahe, dass damit das Specimen theoriae magneticae gemeint war. Die abweichende Jahreszahl könnte z.B. auf einen Rechenfehler zurückzuführen sein, da das islamische Jahr kürzer ist als das christliche. Dass İbrahim Eberhards Namen nicht nennt, könnte einfach daran liegen, dass dieser (nicht ganz korrekt) zwar als Erfinder der Theorie, aber nicht als Autor des Buches auf dem Titelblatt stand.

    İbrahim Müteferrika war nicht nur Autor, Übersetzer und Chefredakteur der „Großherrlichen Druckerei“, er arbeitete auch selbst zusammen mit zwei anderen Kupferstechern an den Landkarten, die seine Druckerei ebenfalls herausgab, und an den Bildtafeln zu einigen der Bücher. Auch die Abhandlung über den Magnetismus enthält eine Tafel mit zwei Kupferstichen, die einen Kompass (Bussole) zeigen. Diese Bilder sind, wenn auch anders angeordnet, fast identisch mit den Darstellungen der „abweichenden Magnet-Nadel“ und der „auf- und absteigenden Magnet-Nadel“ in Specimen theoriae magneticae. Einige Monate danach verwendete İbrahim die gleichen Abbildungen in seiner Ausgabe des Cihānnümā, des berühmten Geographiewerks des 1657 verstorbenen Gelehrten Kātib Çelebi. In der Legende zu dieser Bildtafel weist er darauf hin, dass man die detaillierten Informationen dazu in Füyūḍāt-i mıqnatisīye nachlesen könne.

    Autorin: Solveigh Rumpf-Dorner, Bildrechteinhaber: Österreichische Nationalbibliothek, Wien

    A guard cavalryman as a mediator of knowledge

    Füyūḍāt-i mıqnatisīye (Treatise on Magnetism).

    Paper, 201 x 136 mm (book block) (pack dimensions 208 x 140 mm), Vienna, Austrian National Library Sig. 21.227 B. Alt-Mag - from the printing house of İbrahim Müteferrika, İstanbul, 1732.

    "The title of the small book published by İbrahim Müteferrika, the first Muslim printer of the Ottoman Empire, in 1732 at the Grand Royal Printing House in İstanbul, can be translated as "Excellent Properties of the Magnet". İbrahim had here translated and brought together information from several European works on the subject of magnetism and the compass himself. His varied education and knowledge of foreign languages served him well in this work. İbrahim, who was of Hungarian origin and came from Transylvania, had made a career after his conversion to Islam, as a guard cavalryman (müteferrika, hence his epithet) at the Sultan's court, as a translator and diplomat. Among the 16 works he published in the course of 14 years, he had written some himself or compiled them from translations. The treatise on magnetism was one of the best-selling titles from the publisher's programme. It was a modern book, the first monograph on the subject in Ottoman Turkish. Although the use of the compass had also long been taken for granted by Ottoman seafarers and had also been described in several works, the basic, "Western" knowledge of the time about magnetism, geomagnetism, compasses and about the determination of longitude and latitude was summarised here for the first time and more recent experiments on the subject were presented.

    A much-discussed topic of contemporary science is also addressed: The determination of longitude on the high seas. The solution to this problem was to save sailing ships the time-consuming "sailing by latitude" and thus shorten sea routes. As early as 1714, the British Parliament had offered a large prize money for the solution of this longitude problem. Christoph Semler, a theologian and astronomer from Halle, had worked out a method and asked his friend, the geographer (and equally theologian) Christoph Eberhard, to present his solution in London, which the latter did in 1718. But neither Semler's proposal nor any other was accepted; the decisive improvement was to come decades later with John Harrison's ship's clock.

    In 1720, an anonymous "S.B.W." published Specimen theoriae magneticae/Versuch einer Magnetischen Theorie ... entworffen von Christoph Eberhard. "S.B.W." had translated Eberhard's presentation of Semler's method from Latin into German without his knowledge and had it printed bilingually in Leipzig.

    In his treatise, İbrahim Müteferrika writes that he drew his information primarily from and translated (he does not speak of a literal translation) a work published in Leipzig in 1721 (!). He does not give the name and title of the work, but it seems reasonable to assume that the Specimen theoriae magneticae was meant. The different year could, for example, be due to a calculation error, since the Islamic year is shorter than the Christian year. The fact that İbrahim does not mention Eberhard's name could simply be due to the fact that the latter (not entirely correctly) was on the title page as the inventor of the theory, but not as the author of the book.

    İbrahim Müteferrika was not only the author, translator and editor-in-chief of the "Großherrliche Druckerei", he also worked himself, together with two other engravers, on the maps that his print shop also published and on the pictorial plates for some of the books. The treatise on magnetism also contains a plate with two copper engravings showing a compass (bussole). These images, although arranged differently, are almost identical to the depictions of the "deviating magnetic needle" and the "ascending and descending magnetic needle" in Specimen theoriae magneticae. A few months later, İbrahim used the same illustrations in his edition of the Cihānnümā, the famous geography work of the scholar Kātib Çelebi, who died in 1657. In the legend to this picture plate, he points out that one can read the detailed information about it in Füyūḍāt-i mıqnatisīye.

    Author: Solveigh Rumpf-Dorner, Image copyright holder: Austrian National Library, Vienna

  • Eine Kriegskasse des Sarı Süleyman Paşa / A war chest of the Sarı Süleyman Paşa

    Eine Kriegskasse des Sarı Süleyman Paşa / A war chest of the Sarı Süleyman Paşa

    „Geld, Geld, Geld …“

    Eisen, bemalt, H. 53 cm, B. (Korpus) 100 cm, B. (mit  seitlichen Tragegriffen) 110,5 cm, T. (Korpus) 49 cm, T. (Deckel mit überstehenden Bandrollen) bzw. 59 cm; Ingolstadt, Bayerisches Armeemuseum Inv. A 1426 – balkanisch, zweite Hälfte 17. Jahrhundert

    Ein berühmtes Zitat des Diplomaten und Feldherrn Raimondo Montecuccoli aus dem 17. Jahrhundert lautet: „Frage jemanden, was er zum Kriegführen nötig hat, so wird er antworten, es sind diese drei: Geld, Geld, Geld.“ – Geld brauchten die Fürsten, Geld mussten aber auch die Heerführer immer bei der Hand haben, um ihre Soldaten zu bezahlen, denn sonst blieben die Söldner nicht lange bei der Stange. Versprechungen oder Drohungen halfen hier wenig. Bares war gefragt: Münzen aus Edelmetall. Nun waren diese aber einerseits nicht leicht zu transportieren und mussten andererseits vor unbefugtem Zugriff geschützt werden. Die Tresore der Zeit waren schwere Eisenkassen mit aufwendigen Schlössern im Gepäck der Feldherren.

    Im Bayerischen Armeemuseum hat sich diese eiserne Truhe erhalten, und sie hat nach der Überlieferung des Museums eine besondere Geschichte. Sie war Teil der Kriegsbeute, die der junge Kurfürst Max II. Emanuel nach Hause brachte. Der bayerische Monarch war einer der Fürsten, die ihre Heere höchstpersönlich befehligten. So war er an der Schlacht bei Mohács bzw. am Berge Harsan (ungar. Nagyharsány) am 12. August 1687 mit seinen Truppen beteiligt. Und er war auf der Seite der Sieger. Der große Verlierer war der türkische Befehlshaber, der Großwesir Sarı Süleyman Paşa. Während dieser zur Strafe für seine Niederlage nach seiner Flucht nach İstanbul dort hingerichtet wurde, teilten sich die Sieger die Beute.

    Erst im 19. Jahrhundert findet sich eine Notiz, die Truhe sei Teil dieser Beute gewesen. Dennoch ist es plausibel, sie den Trophäen von Mohács zuzuordnen. Denn zweifellos ist sie Teil der alten Münchner Sammlungen, und zugleich passt sie nicht zu den vielen anderen, in Süddeutschland erhaltenen Eisenkisten. Diese bestehen zwar aus einem ganz ähnlichen Geflecht aus dicken, miteinander vernieteten Eisenbändern, aber sie unterscheiden sich im Inneren, am Schloss, und erst recht außen, in der Bemalung.

    Das Schloss ist ein sogenanntes Spinnenschloss. Am Deckel sitzen Riegel nach drei Seiten – hinten befinden sich ja die Scharniere –, die mittels Federn zuschnappen, wenn der Deckel zufällt. Dann ist die Kiste nur noch mit dem Schlüssel zu öffnen. Bei der Ingolstädter Kiste sind es insgesamt acht Riegel. Das Schlüsselloch befindet sich übrigens oben in der Mitte des Deckels und ist durch eine bewegliche Blende verborgen. Das reich verzierte Schloss an der Frontseite ist nur Dekoration und Täuschung. Dies ist bei allen derartigen Eisentruhen ähnlich. Aber die Konstruktion und Ausführung des Schlosses der Ingolstädter Kriegskasse ist wesentlich gröber, als das bei den meisten derartigen Stücken in Augsburg, Nürnberg und anderswo der Fall ist. Dies spricht für eine andere Herkunft. Auch ist das verzierte Blech, mit dem die komplizierte Mechanik des Schlosses im Inneren abgedeckt ist, zwar fein mit Ranken und Ornamenten ziseliert, jedoch nur ganz grob ausgestanzt, ohne dass die Scharten und Zacken ausgefeilt worden wären – auch das ist ungewöhnlich.

    Die Truhe hat im Inneren noch ein Seitenfach, das gesondert abgeschlossen werden konnte. Während das große Schloss heute wieder gangbar ist und ein Restaurator 2018 einen komplizierten Schlüssel nachfertigen konnte, ist dieses innere Fach hoffnungslos zerbeult und beinahe zerstört. Hier sind die Spuren eines gewaltsamen Eindringens noch deutlicher sichtbar als am Äußeren.

    Die Malerei, die die Eisenkiste bedeckt, ist von überwältigender Fülle und Schönheit. Die Truhe wurde auf drei Seiten und auf dem Deckel farbenprächtig verziert. Dominant sind verschiedene große Blüten und kräftige grüne Ranken. Sie orientieren sich symmetrisch an der Kassettengliederung und an den seitlichen Verstärkungen des Körpers der Kiste. Dazu kommen auf der Vorderseite vier Felder mit kleinen Gemälden. Sie zeigen einen Baum in einer Landschaft, ein Stadttor und zweimal ein Schiff auf hoher See. Die Bemalung ist schwer genauer zuzuordnen, aber es gibt doch ein sehr schönes Vergleichsstück zu unserer Truhe im ungarischen Nationalmuseum.

    Ganz gewiss wurde die Truhe nicht in der Türkei oder anderswo im Orient gefertigt und bemalt. Dafür ist die Schmiedearbeit mitteleuropäischen Beispielen zu eng verwandt. Die Malerei legt nahe, ihren Ursprung irgendwo auf dem Balkan zu suchen. Dort, wo die osmanischen Heere sich über lange Zeit aufhielten und die osmanischen und die kaiserlichen Truppen in vielen Schlachten blutig aufeinandertrafen. Viel spricht dafür, dass wir tatsächlich eine Kriegskasse des Großwesirs und Feldherrn Sarı Süleyman Paşa vor uns haben.

    Autor: Ansgar Reiß, Bildrechteinhaber:  Bayerisches Armeemuseum

    "Money, money, money ..."

    Iron, painted, h. 53 cm, w. (body) 100 cm, w. (with side carrying handles) 110.5 cm, d. (body) 49 cm, d. (lid with overhanging ribbon rolls) or 59 cm; Ingolstadt, Bavarian Army Museum Inv. A 1426 - Balkan, second half of 17th century.

    A famous quote from the 17th century diplomat and general Raimondo Montecuccoli reads: "Ask anyone what he needs to wage war, and he will answer, it is these three: money, money, money." - The princes needed money, but the army commanders also had to have money on hand at all times to pay their soldiers, otherwise the mercenaries would not stay with them for long. Promises or threats were of little help here. Cash was in demand: coins of precious metal. But on the one hand these were not easy to transport and on the other hand they had to be protected from unauthorised access. The safes of the time were heavy iron coffers with elaborate locks in the luggage of the commanders.

    This iron chest has been preserved in the Bavarian Army Museum, and according to museum lore, it has a special history. It was part of the spoils of war that the young Elector Max II. Emanuel brought home. The Bavarian monarch was one of the princes who commanded their armies personally. Thus he took part with his troops in the battle of Mohács or Harsan Mountain (Hungarian: Nagyharsány) on 12 August 1687. And he was on the side of the victors. The big loser was the Turkish commander, the Grand Vizier Sarı Süleyman Paşa. While the latter was executed there as punishment for his defeat after fleeing to İstanbul, the victors shared the spoils.

    Only in the 19th century is there a note that the chest was part of this booty. Nevertheless, it is plausible to assign it to the trophies of Mohács. For it is undoubtedly part of the old Munich collections, and at the same time it does not fit in with the many other iron chests preserved in southern Germany. Although these are made of a very similar mesh of thick iron bands riveted together, they differ on the inside, at the lock, and even more so on the outside, in the painting.

    The lock is a so-called spider lock. There are bolts on three sides of the lid - the hinges are at the back - which snap shut by means of springs when the lid closes. Then the box can only be opened with the key. The Ingolstadt box has a total of eight latches. The keyhole, by the way, is located at the top in the middle of the lid and is hidden by a movable panel. The richly decorated lock on the front is only decoration and deception. This is similar in all such iron chests. But the construction and finish of the lock of the Ingolstadt war-chest is much cruder than is the case with most such pieces in Augsburg, Nuremberg and elsewhere. This speaks for a different origin. Also, the decorated sheet metal covering the complicated mechanics of the lock inside is finely chiselled with tendrils and ornaments, but only very roughly punched out, without the nicks and prongs having been filed out - this is also unusual.

    The chest also has a side compartment inside that could be locked separately. While the large lock is now passable again and a restorer was able to recreate a complicated key in 2018, this inner compartment is hopelessly dented and almost destroyed. The traces of forced entry are even more visible here than on the exterior.

    The painting covering the iron chest is of overwhelming abundance and beauty. The chest has been colourfully decorated on three sides and on the lid. Dominant are various large flowers and strong green tendrils. They are symmetrically oriented to the cassette structure and to the side reinforcements of the body of the chest. In addition, there are four fields with small paintings on the front. They show a tree in a landscape, a city gate and twice a ship on the high seas. The painting is difficult to classify more precisely, but there is a very nice comparison piece to our chest in the Hungarian National Museum.

    The chest was certainly not made and painted in Turkey or elsewhere in the Orient. The wrought-iron work is too closely related to Central European examples for that. The painting suggests that it originated somewhere in the Balkans. There, where the Ottoman armies stayed for a long time and the Ottoman and imperial troops met in many bloody battles. There is much to suggest that we are indeed looking at a war chest of the Grand Vizier and general Sarı Süleyman Paşa.

    Author: Ansgar Reiß, Image copyright holder: Bayerisches Armeemuseum

  • Streitkolben / Mace

    Streitkolben / Mace

    Von der Waffe zum Machtsymbol

    Silber, gegossen, ziseliert, graviert und größtenteils vergoldet; L. (gesamt) 61,7 cm, Dm. (Schlagkopf) 8,6 cm, Gew. 2990 g, am Schaft unbekannte Meistermarke und Dresdner Beschau eingeschlagen, auf der Bodenplatte IGDAHZSGCBC und das kurfürstlich-sächsische Wappen eingraviert; Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Rüstkammer Inv. T 0040 – Dresden, zwischen 1656 und 1680

    Der Streitkolben ist eine Schlagwaffe, die aus der wohl ältesten und einfachsten Waffe der Menschheit, der Keule, entstand. Meist bestehen Streitkolben aus einem hölzernen oder eisernen Schaft und einem Schlagkopf aus Stein oder Metall. Der in der Regel symmetrische Schlagkopf ist kugel- oder birnenförmig oder aber er setzt sich aus teils spitz ausgeformten Schlagblättern unterschiedlicher Zahl zusammen. Die Aufgabe des Streitkolbens bestand darin, den Schädel des Gegners einzuschlagen bzw. dessen Helm oder Harnisch zu beschädigen, sodass diese ihrer Schutzfunktion nicht mehr gerecht und die darunterliegenden Körperteile in Mitleidenschaft gezogen wurden. Mit dem zunehmenden Einsatz von Feuerwaffen und dem allmählichen Rückgang der Nutzung schwerer Harnische kam der Streitkolben im Verlauf des 16. Jahrhunderts als Waffe aus der Mode. Stattdessen übernahm er immer mehr die Funktion einer Zeremonialwaffe bzw. eines Statussymbols, woraus sich schließlich der Marschallsstab entwickelte.

    Der hier gezeigte Streitkolben wurde für Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen gefertigt, dessen Initialen sich zusammen mit dem kursächsischen Wappen auf der Bodenplatte des Schaftes befinden. Die Buchstaben IGDAHZSGCBC bedeuten „Johann Georg Der Andere [II.] Herzog Zu Sachsen, G[J]ülich, C[K]leve [und] Berg, Ch[K]urfürst“. Der massiv aus Silber gegossene und großflächig vergoldete Streitkolben ist nicht nur von seinem Material her spektakulär, er verbindet in seinem äußeren Erscheinungsbild auch die ursprüngliche Funktion als Kriegswaffe mit der modischen Verwendung als repräsentatives Stück. Seine dekorative Wirkung beruht in erster Linie auf der farblichen Kombination von Gold und Silber. Während der Griff mit einem abwechselnd goldenen und silbernen Wellendekor verziert ist, sind die glatten Schlagblätter auf ihren Seitenflächen vergoldet, und nur die nach außen gerichteten Kanten beließ man silbern. Die turbanförmige Bekrönung des Schlagkopfes, nach deren als eine Art Flechtwerk ausgebildeten Oberfläche auch die Schaftringe gestaltet sind, lässt darauf schließen, dass dieser Streitkolben im Rahmen der Türkenmode entstand. Wann genau dieses Stück gefertigt wurde und zu welchem Anlass es Johann Georg II. in Auftrag gab, ist weiterhin unbekannt. In den historischen Inventaren der Dresdner Rüstkammer sind mehrere ähnliche Streitkolben aufgeführt, ohne dass bisher geklärt werden konnte, welcher Eintrag sich auf dieses Exemplar bezieht.

    Autor: Holger Schuckelt, Bildrechteinhaber: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Rüstkammer

    From weapon to symbol of power

    silver, cast, chased, engraved and mostly gilt; l. (overall) 61.7 cm, diam. (striking head) 8.6 cm, weight 2990 g, unknown master's mark and Dresden hallmark engraved on the shaft, IGDAHZSGCBC and the Electoral Saxon coat of arms engraved on the base plate; Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Rüstkammer Inv. T 0040 - Dresden, between 1656 and 1680

    The mace is a striking weapon that evolved from what is probably mankind's oldest and simplest weapon, the club. Most maces consist of a wooden or iron shaft and a striking head made of stone or metal. The striking head, which is usually symmetrical, is spherical or pear-shaped, or it is made up of different numbers of blades, some of which are pointed. The task of the mace was to smash the skull of the opponent or to damage his helmet or armour so that they no longer fulfilled their protective function and the parts of the body underneath were affected. With the increasing use of firearms and the gradual decline in the use of heavy armour, the mace went out of fashion as a weapon in the course of the 16th century. Instead, it increasingly took on the function of a ceremonial weapon or status symbol, which eventually evolved into the marshal's staff.

    The mace shown here was made for Elector Johann Georg II of Saxony, whose initials, together with the coat of arms of the Elector of Saxony, can be found on the base plate of the shaft. The letters IGDAHZSGCBC mean "Johann Georg Der Andere [II.] Herzog Zu Sachsen, G[J]ülich, C[K]leve [und] Berg, Ch[K]urfürst". The mace, cast in solid silver and extensively gilded, is not only spectacular in terms of its material, but its external appearance also combines its original function as a weapon of war with its fashionable use as a representative piece. Its decorative effect is based primarily on the colour combination of gold and silver. While the handle is decorated with an alternating gold and silver wave decoration, the smooth hammer blades are gilded on their lateral surfaces, and only the edges facing outwards were left silver. The turban-shaped crowning of the hammer head, the surface of which is designed as a kind of wickerwork, and the shaft rings, suggest that this mace was made as part of the Turkish fashion. It is still unknown exactly when this piece was made and on what occasion Johann Georg II commissioned it. Several similar maces are listed in the historical inventories of the Dresden Armoury, but it has not yet been possible to clarify which entry refers to this specimen.

    Author: Holger Schuckelt, Image copyright holder: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Rüstkammer

  • Badisches Zepter / Baden Sceptre

    Badisches Zepter / Baden Sceptre

    Ein Buzogan wird badisches Zepter

    Silber, vergoldet, Holz, Diamanten; L. 73 cm, Dm. (Krone): 5,7 cm, Dm. (Stab): 2,6 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. 2006/1001 – Bartholomäus (Bartsch) Igell d.Ä., Kronstadt (Siebenbürgen), um 1625, Umarbeitung: Karlsruhe 1811

    Insignien sind Herrschaftszeichen. Zu den fürstlichen Insignien, den sogenannten Kroninsignien, gehören Krone, Schwert und Zepter. Der die Weltherrschaft symbolisierende Reichsapfel war im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation dem Kaiser vorbehalten.

    Das 1806 unter dem Einfluss Napoleons in den Stand des Großherzogtums erhobene badische Fürstenhaus hatte keine Kroninsignien zur staatlichen Repräsentation. Nachdem aber Großherzog Karl Friedrich von Baden am 10. Juni 1811 gestorben war, sollte zur Ausstattung der Beisetzungsfeierlichkeiten (pompes funèbres) eine Funeralkrone samt Zepter und Schwert mitgeführt werden. Den Karlsruher Hofjuwelieren verblieben nur wenige Tage, um die Insignien herzustellen. Für die Krone verwendeten sie ein Gerüst aus Pappe und Samt sowie Edelsteine aus Säkularisationsgut. Ein aus dem Besitz des Bruchsaler Fürstbischofs von Schönborn stammendes Schwert wurde mit Juwelen verziert. Und zum Zepter funktionierte man einen gegen 1625 in Siebenbürgen entstandenen Buzogan um.

    Typisch für einen Buzogan ist der schwere Knauf, der ihn zu einer Schlagwaffe, einem Streitkolben macht. Im Osmanischen Reich hatte sich der Streitkolben im Laufe der Zeit von einer einfachen Angriffswaffe zu einem Hoheits- und Standeszeichen entwickelt. Unter dem Einfluss der Osmanen verbreitete sich dieser Gebrauch auch in den christlichen Ländern – vor allem in Polen, Ungarn und in Siebenbürgen. Von den Schlachtfeldern der Türkenkriege nahmen die christlichen Europäer osmanische Streitkolben gerne als Beutewaffen mit.

    Der 1811 zum badischen Zepter umfunktionierte Buzogan ist ein europäisches Werk des Bartholomäus Igell d.Ä. Dieser wurde seit 1599 bis zu seinem Tod 1646 mehrfach als Goldschmied im damals siebenbürgischen Kronstadt erwähnt. Um 1625 schuf er den Buzogan und punzierte ihn an der Unterseite mit seinem Meisterzeichen.

    Der Buzogan des Bartholomäus Igell d.Ä. gelangte in den Besitz der badischen Markgrafen und wurde in der markgräflichen „Silberkammer“ verwahrt. Zwei weitere Streitkolben gelangten nach Baden: ein vor 1597 entstandener Buzogan mit historischem Bezug zum Langen Türkenkrieg wurde in die „Gewehrkammer“ integriert (Inv. G 37); ein osmanischer Streitkolben aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gelangte in die „Türckische Cammer“ (Inv. D 242).

    Vor der Verwendung des Buzogan von Bartholomäus Igell d.Ä. als badisches Zepter war wohl ein Problem zu lösen: Der kugelige Knauf des Buzogan ähnelte einem Reichsapfel, den zu tragen dem badischen Großherzog nicht zustand. Deswegen wurde der Knauf durch eine filigrane Krone ersetzt. Der Schaft wurde neu vergoldet und mit drei schmalen Reifen, die mit Diamanten aus dem Rastatter Hofkirchenschatz besetzt wurden, verziert.

    Die badischen Kroninsignien fanden nur im Rahmen von Beisetzungsfeierlichkeiten Verwendung. Es ist keine Thronrede oder ein anderes Ereignis überliefert, bei der die badischen Großherzöge mit den Kroninsignien auftraten. Krone, Schwert und Zepter wurden in der seit 1806 großherzoglichen „Silberkammer“ eingelagert. Ihr Zustand wurde jährlich kontrolliert. Letztmals wurden sie im Rahmen der Begräbnisfeierlichkeit für Großherzog Friedrich I., der am 28. September 1907 starb, hervorgeholt. Bei der Ehrenwache in der Schlosskirche waren sie vor dem reich geschmückten Sarg aufgestellt. Auch bei der Überführung des Leichnams in die fürstliche Grabkapelle wurden sie mitgeführt.

    Autorin: Jutta Dresch, Bildrechteinhaber: Badisches Landesmuseum

    A Buzogan becomes a Baden sceptre

    Silver, gilt, wood, diamonds; l. 73 cm, diam. (crown): 5,7 cm, dm. (staff): 2.6 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. 2006/1001 - Bartholomäus (Bartsch) Igell the Elder, Kronstadt (Transylvania), c. 1625, alteration: Karlsruhe 1811

    Insignia are symbols of power. Among the princely insignia, the so-called crown insignia, are the crown, sword and sceptre. In the Holy Roman Empire of the German Nation, the imperial orb, symbolising world domination, was reserved for the emperor.

    The Princely House of Baden, which was elevated to the status of Grand Duchy in 1806 under the influence of Napoleon, had no crown insignia for state representation. However, after the death of Grand Duke Karl Friedrich of Baden on 10 June 1811, a funeral crown including sceptre and sword was to be carried along to decorate the funeral ceremonies (pompes funèbres). The Karlsruhe court jewellers had only a few days to make the regalia. For the crown they used a framework of cardboard and velvet as well as precious stones from secularisation property. A sword from the Bruchsal prince-bishop of Schönborn was decorated with jewels. And a buzogan made in Transylvania around 1625 was converted into a sceptre.

    Typical of a buzogan is the heavy pommel, which makes it a striking weapon, a mace. In the Ottoman Empire, the mace had developed over time from a simple offensive weapon into a symbol of sovereignty and status. Under the influence of the Ottomans, this use also spread to the Christian countries - especially Poland, Hungary and Transylvania. From the battlefields of the Turkish wars, the Christian Europeans gladly took Ottoman maces as weapons of booty.

    The buzogan, which was converted into a Baden sceptre in 1811, is a European work of Bartholomäus Igell the Elder. From 1599 until his death in 1646, he was mentioned several times as a goldsmith in the then Transylvanian town of Kronstadt. Around 1625 he created the buzogan and hallmarked it with his master's mark on the underside.

    The buzogan of Bartholomäus Igell the Elder came into the possession of the margraves of Baden and was kept in the margravial "silver chamber". Two other maces came to Baden: a buzogan made before 1597 with historical reference to the Long Turkish War was integrated into the "Gewehrkammer" (Inv. G 37); an Ottoman mace from the second half of the 17th century came into the "Türckische Cammer" (Inv. D 242).

    Before the buzogan by Bartholomäus Igell the Elder was used as a Baden sceptre, there was probably a problem to be solved: The spherical pommel of the buzogan resembled an imperial orb, which the Grand Duke of Baden was not entitled to wear. Therefore, the pommel was replaced by a filigree crown. The shaft was newly gilded and decorated with three narrow hoops set with diamonds from the Rastatt court church treasury.

    The Baden crown insignia was only used in the context of funeral ceremonies. No throne speech or other event at which the Baden grand dukes appeared with the crown insignia has survived. The crown, sword and sceptre were stored in the grand ducal "silver chamber" from 1806. Their condition was checked annually. The last time they were brought out was during the funeral ceremony for Grand Duke Friedrich I, who died on 28 September 1907. During the guard of honour in the palace church, they were placed in front of the richly decorated coffin. They were also carried along during the transfer of the body to the princely burial chapel.

    Author: Jutta Dresch, Image copyright holder: Badisches Landesmuseum

  • Bildnis des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden-Baden / Portrait of Margrave Ludwig Wilhelm of Baden-Baden

    Bildnis des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden-Baden / Portrait of Margrave Ludwig Wilhelm of Baden-Baden

    Im Zenit des militärischen Erfolgs

    Öl auf Leinwand; H. 136 cm, B. 100 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. L 527 (Dauerleihgabe des Hauses Baden) – unbekannter Künstler, Ende 17. Jahrhundert

    Das großformatige, repräsentative Kniestück eines unbekannten Künstlers zeigt auf geschweifter Leinwand vor neutralem Hintergrund den Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden-Baden auf dem Höhepunkt seiner militärischen Laufbahn. 1691 wurde er zum Generalleutnant aller kaiserlichen Truppen ernannt. Dies war der höchste militärische Rang des Hauses Habsburg, der im 17. Jahrhundert nur wenige Male verliehen wurde. Im selben Jahr empfing er auch den Orden vom Goldenen Vlies. Von 1693 an war Markgraf Ludwig Wilhelm Kommandant der Armee des Schwäbischen und Fränkischen Bundes am Oberrhein.

    Seiner militärischen Position entsprechend, ließ sich der Markgraf Ludwig Wilhelm in einer prächtigen, mit goldglänzenden Nieten versehenen Rüstung darstellen. Das Halstuch ist mit Spitzen besetzt und mit einer Brosche geziert. Den schmalen, leicht gedrehten Kopf bedeckt eine graue Allongeperücke, von der ein Lockenstrang quer vor der Brust liegt, was wohl die Standhaftigkeit des Heerführers in stürmischer Konfrontation symbolisiert. Davon zeugt auch die als Dreieck komponierte Silhouette der Figur. Die Mode des Tragens einer Langhaarperücke ging vom französischen Königshof aus, der in jener Zeit in Sachen höfischer Etikette und Mode europaweit maßgebend war. Langes Haar gilt traditionell als Statussymbol und Zeichen von Macht und Kraft. Diese Vorstellung geht auf die alttestamentliche Figur des Simson zurück, der als Auserwählter Gottes über unbezwingbare Stärke verfügte, solange sein Haupthaar ungeschoren blieb (Richter 13,1–16,31).

    Der Markgraf ist in herrschaftlicher Pose dargestellt. Zudem sind ihm mehrere herrschaftliche Symbole zugeordnet: Ein samtroter Überwurf mit Hermelinbesatz ist über seine rechte Schulter geworfen und schlingt sich über den Rücken auf die andere Seite des Körpers. Die lebhaften Falten und die Silhouette des Überwurfs lassen erkennen, dass darunter die rechte Hand in die Seite gestützt ist. In der gesenkten Linken hält er als weiteres Zeichen seiner Würde den Marschallstab. Schließlich trägt er an der linken Körperseite den Degen, der an einem blauen Band mit Goldrand befestigt ist.

    Da der Markgraf auf dem Gemälde ohne den Orden vom Goldenen Vlies dargestellt ist, dürfte es vor dem Jahr 1691 entstanden sein.

    Autorin: Jutta Dresch, Bildrechteinhaber: Badisches Landesmuseum

    At the zenith of military success

    Oil on canvas; h. 136 cm, w. 100 cm; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. L 527 (on permanent loan from the House of Baden) - unknown artist, late 17th century

    This large-format, representative kneeling piece by an unknown artist shows Margrave Ludwig Wilhelm of Baden-Baden at the height of his military career on a curved canvas against a neutral background. In 1691 he was appointed lieutenant-general of all imperial troops. This was the highest military rank of the House of Habsburg, awarded only a few times in the 17th century. In the same year he also received the Order of the Golden Fleece. From 1693 onwards, Margrave Ludwig Wilhelm was commander of the army of the Swabian and Franconian Confederation on the Upper Rhine.

    In keeping with his military position, Margrave Ludwig Wilhelm had himself depicted in splendid armour with shiny gold studs. The neckerchief is trimmed with lace and adorned with a brooch. The narrow, slightly turned head is covered by a grey allonge wig, a strand of curls lying crosswise in front of the chest, which probably symbolises the steadfastness of the army commander in stormy confrontation. The silhouette of the figure, composed as a triangle, also bears witness to this. The fashion for wearing a long wig originated in the French royal court, which was the European leader in court etiquette and fashion at the time. Long hair is traditionally considered a status symbol and a sign of power and strength. This notion goes back to the Old Testament figure of Samson, who, as God's chosen one, possessed indomitable strength as long as his head of hair remained unshorn (Judges 13:1-16:31).

    The margrave is depicted in a lordly pose. In addition, several lordly symbols are assigned to him: A velvet red overcoat with ermine trim is thrown over his right shoulder and loops down his back to the other side of his body. The vivid folds and the silhouette of the coverlet reveal that the right hand is supported at the side underneath. In his lowered left hand he holds the marshal's staff as a further sign of his dignity. Finally, on the left side of his body he carries the rapier, which is attached to a blue ribbon with a gold edge.

    Since the Margrave is depicted in the painting without the Order of the Golden Fleece, it was probably painted before 1691.

    Author: Jutta Dresch, Image copyright holder: Badisches Landesmuseum

  • Feldschreibtisch / Field desk

    Feldschreibtisch / Field desk

    Schreibkomfort auf Reisen

    Verschiedene Hölzer, Schildpatt, gefärbtes und ungefärbtes Bein, Füllpaste, Samt, Ebenholzknöpfe, Metallbeschläge; H. 77,5 cm, B. 98 cm, T. 54,0 cm (aufgeklappt); Salem, Haus Baden – süddeutsch, 4. Viertel 17. Jahrhundert

    Aus heutiger Sicht ist der dem „Türkenlouis“ zugeschriebene „Feldschreibtisch“ ein geradezu hochmodernes Möbelstück: Er ist kleinformatig, zusammenklappbar und somit leicht transportabel. Nicht nur die heutige Generation hat Anspruch auf eine „Schreiboption“ für unterwegs, auch ein vielbeschäftigter Fürst und Feldherr musste seinen Korrespondenzpflichten auf Reisen oder im Feldlager nachkommen – und das natürlich stilvoll und dem Stand gemäß mithilfe eines aufwendig mit kostbaren Materialien wie Schildpatt und Edelhölzern dekorierten Schreibmöbels.

    Markgraf Ludwig Wilhelm war als erfolgreicher Feldherr einen Großteil seines Lebens in Kriegsdingen unterwegs, sodass ein derartiger Schreibtisch sicherlich zu seiner „Bagage“ gehörte.Zwar sind Besitz und Benutzung durch den Türkenlouis nicht verbürgt, es gibt jedoch Anhaltspunkte, welche den Tisch durchaus mit einem fürstlichen Heerführer in Verbindung bringen: Das scherenförmig zusammenklapp- und zerlegbare Fußgestell mit darauf ruhendem Schreibkasten ermöglicht ein platzsparendes „Mit-sich-Führen“ und Aufstellen im Feldquartier. Die Konstruktion des Schreibkastens bietet zudem verschiedene Nutzungsarten, die auch ein Heereskommandant zu seinem Tagesgeschäft zählte: Der Deckel des mit blauem Samt ausgefütterten und mit drei kleinen Schubladen ausgestatteten Tischkastens lässt sich zur Erledigung von Schreibarbeiten schräg stellen. Die Front des Schreibkastens ist ab- und die Seitenteile sind zur Vergrößerung der Arbeitsfläche jeweils doppelt ausklappbar, sodass auch größere Dokumente darauf Platz finden.

    Hinweise auf einen im Heeresgeschehen aktiven fürstlichen Besitzer liefert auch der Dekor: Eingebunden in Rahmenfelder zeigt er Szenerien mit berittenen und bewaffneten Kriegern, Jägern und Tieren, die gleichermaßen als Personifikationen der vier Erdteile zu lesen sind. Die Mittelkartusche flankieren Standarten, die siegreiche Schlachten assoziieren lassen. Den Tisch ziert somit ein besonders im 17. und 18. Jahrhundert weit verbreitetes und beliebtes Bildprogramm für höfisch-imperiale Kontexte, mit dem regierende Fürsten ihren politischen Machtanspruch zum Ausdruck brachten sowie ihren eigenen Ruhm unterstrichen.

    Ob Markgraf Ludwig Wilhelm tatsächlich an diesem Tisch während seiner Feldzüge gearbeitet hat oder ob es sich um einen anderen „table de camp“ handelt, der erst später diesen Nimbus erhielt, bedarf eigener Forschung. Fakt ist auf jeden Fall: 1771 stellte Markgraf August Georg in Schloss Rastatt eine „Türckische Kammer“ mit den Trophäen seines Vaters und weiteren, von anderen Familienmitgliedern zusammengetragenen Beutestücken zusammen. Die Präsentation diente der Huldigung des Türkenlouis und trug erheblich zu der Legendenbildung bei, dass es sich bei allen dort versammelten Objekten um von ihm persönlich erbeutete Stücke handele. 1854 beschreibt Carl von Beust ausführlich das Rastatter Schloss und insbesondere die „Türckische Kammer“. Er notiert hierzu am Schluss seines Berichts: „In dem (an das vordere Gemache) … stoßendem kleinern, ganz mit chinesischer Malerei vertäfelten Zimmer befindet sich nur ein Gegenstand, nämlich ein Feldtisch, welcher beim Bivouac (frz. für Feldlager) in den Zelten gebraucht wurde, ebenfalls mit chinesischen Bildern bemalt.“

    Zwar befindet sich mit dem sog. „Javanischen Trommeltisch“ ein im Inventar der „Türckischen Kammer“ von 1772 aufgelisteter Tisch, welcher der Beschreibung als „mit chinesischen Bildern bemalt“ gerecht wird. Den Aspekt des Feldtisches, „welcher beim Bivouac in den Zelten gebraucht wurde“, würde jedoch eher das multifunktionale Schreibmöbel verkörpern, das im Feldlager von realem Nutzen war. Damals war es durchaus geläufig, nichteuropäisch anmutende Dekormotive verallgemeinernd als „exotisch“, „indianisch“ oder „chinesisch“ zu bezeichnen und die Holzdekortechnik der Marketerie als Malerei fehlzuinterpretieren. Dies berücksichtigend, könnte sich von Beusts Aussage durchaus auf den hier vorgestellten „Feldschreibtisch“ beziehen. Wann er im Schloss aufgestellt worden sein könnte, kann nur Spekulation bleiben. Es ist jedoch verführerisch, ein 1772 im Inventar von Schloss Rastatt nachgewiesenes „Nußbaumschreibtischel mit indianischen Figuren und Schildkrotteinlagen“, das zusammen mit anderem nicht benötigtem Mobiliar im dritten Geschoss des Corps de Logis in den „Gemälde-Abstell-Zimmern“ deponiert war, mit dem „Feldschreibtisch des Türkenlouis“ in Verbindung zu bringen. Das kleine „Tischel“ könnte irgendwann nach 1772 – gewissermaßen als „Türkenlouis-Memorabilia“ – in die „Türckische Kammer“ und damit in das „Heiligthum badischen Heldenruhmes“ verbracht worden sein. Dies wäre durchaus plausibel, denn eine vergleichbare Zurschaustellung eines Feldschreibtisches ist für das in Verehrung des legendären polnischen Königs und Feldherrn Johann III. Sobieski als dessen angebliches „Schlafzimmer“ inszenierte Mosaikkabinett in Schloss Podhorce belegt – eine Intention, die in ähnlicher Form auch für Schloss Rastatt und den Türkenlouis nicht abwegig erscheint.

    Autorin: Heidrun Jecht, Bildrechteinhaber: Badisches Landesmuseum

    Writing comfort on the move

    Various woods, tortoiseshell, dyed and undyed bone, filling paste, velvet, ebony knobs, metal fittings; h. 77.5 cm, w. 98 cm, d. 54.0 cm (unfolded); Salem, House of Baden - southern Germany, 4th quarter 17th century.

    From today's point of view, the "field desk" attributed to the "Turk Louis" is an almost ultra-modern piece of furniture: it is small in size, foldable and thus easily transportable. Not only today's generation is entitled to a "writing option" for on the go, but a busy prince and general also had to fulfil his correspondence duties while travelling or in the field - and of course he did so in style and in keeping with his status with the help of a piece of writing furniture lavishly decorated with precious materials such as tortoiseshell and precious woods.

    Margrave Ludwig Wilhelm, as a successful general, spent a large part of his life on the move in matters of war, so that a desk of this kind was certainly part of his "baggage". Although the ownership and use of the desk by the Duke of the Turks is not documented, there is evidence that links the desk to a princely commander: The scissor-shaped folding and dismantling base with the writing box resting on it makes it possible to "carry" and set up in the field in a space-saving manner. The construction of the writing box also offers various types of use, which an army commander also counted as part of his daily business: the lid of the desk box, lined with blue velvet and equipped with three small drawers, can be placed at an angle to carry out writing tasks. The front of the desk box can be folded down and the sides can be folded out twice to enlarge the working surface, so that even larger documents can fit on it.

    The decoration also indicates that the princely owner was active in the army: integrated into frame fields, it shows scenes with mounted and armed warriors, hunters and animals, which can also be read as personifications of the four continents. The central cartouche is flanked by standards that suggest victorious battles. The table is thus adorned with an image programme that was particularly widespread and popular in the 17th and 18th centuries for courtly-imperial contexts, with which ruling princes expressed their claim to political power and underlined their own fame.

    Whether Margrave Ludwig Wilhelm actually worked at this table during his campaigns or whether it was another "table de camp" that only later acquired this nimbus requires its own research. In any case, the fact is that in 1771 Margrave August Georg put together a "Türckische Kammer" (Turkish Chamber) in Rastatt Palace with his father's trophies and other booty collected from other family members. The presentation served to pay homage to the Turkish Louis and contributed significantly to the legend that all the objects gathered there were pieces captured by him personally. In 1854, Carl von Beust described the Rastatt Palace and in particular the "Türckische Kammer" in detail. He noted at the end of his report: "In the smaller room (adjoining the front chamber), which is completely paneled with Chinese paintings, there is only one object, namely a field table, which was used in the tents during the bivouac (French for field camp), also painted with Chinese pictures."

    It is true that the so-called "Javanese drum table" is listed in the inventory of the "Türckische Kammer" of 1772, which does justice to the description as "painted with Chinese pictures". However, the aspect of the field table "which was used in the tents during the bivouac" would rather embody the multifunctional writing furniture that was of real use in the field camp. At that time, it was quite common to generalise about non-European-looking decorative motifs as "exotic", "Indian" or "Chinese" and to misinterpret the wooden decorative technique of marquetry as painting. Taking this into account, von Beust's statement could well refer to the "field desk" presented here. When it might have been placed in the palace can only remain speculation. However, it is tempting to associate a "walnut desk with Indian figures and tortoise shell inlays", which is recorded in the inventory of Rastatt Palace in 1772 and which was deposited together with other furniture that was not required on the third floor of the Corps de Logis in the "painting storage rooms", with the "field desk of the Turk Louis". The small "Tischel" could have been moved to the "Türckische Kammer" and thus to the "sanctuary of Baden heroic fame" sometime after 1772 - as "Türkenlouis memorabilia", so to speak. This would be quite plausible, for a comparable display of a field desk is documented for the mosaic cabinet in Podhorce Palace, staged in veneration of the legendary Polish king and general John III Sobieski as his alleged "bedroom" - an intention that does not seem far-fetched in a similar form for Rastatt Palace and the Türkenlouis.

    Author: Heidrun Jecht, Image copyright holder: Badisches Landesmuseum

     

  • Ludwig Wilhelm von Baden-Baden zum sterbenden Mustafa Köprili reitend / Ludwig Wilhelm of Baden-Baden riding to the dying Mustafa Köprili

    Ludwig Wilhelm von Baden-Baden zum sterbenden Mustafa Köprili reitend / Ludwig Wilhelm of Baden-Baden riding to the dying Mustafa Köprili

    Inszenierter Heldenruhm

    Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden reitet am Abend der Schlacht bei Slankamen in das Zelt des sterbenden Mustafa Köprili (Köprülüzade Mustafa Paşa), Ölstudie zum gleichnamigen Monumentalgemälde; Öl auf Leinwand, H. 47 cm, B. 71 cm; Bezeichnet unten rechts: F. Keller; Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle Inv. 2956 – Ferdinand Keller, 1877/78

    Das Bedürfnis, sich bedeutende geschichtliche Vorgänge in starken Bildern zu veranschaulichen, ist heute so lebhaft wie eh und je. Im Kino und im Fernsehen haben Historienfilme deshalb Konjunktur. Sie übersetzen in bewegte Bilder, was früher in verdichteter Form Gemälde leisteten: das Angebot, Augenzeuge längst vergangener Ereignisse zu werden. Das Bemühen um historische Exaktheit ist ganz unterschiedlich ausgeprägt, doch selbst bei den ambitioniertesten, gewissenhaft recherchierten und erarbeiteten Werken bleibt das ungute Gefühl zurück, dass es sich letztlich nur um einen Pseudorealismus handelt.

    Dies gilt auch für Ferdinand Kellers monumentales, über drei mal fünf Meter messendes Historiengemälde, das den kaiserlichen Feldherrn Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden 1691 als Triumphator über die Osmanen zeigt. Keller schuf es im Winter 1878/79 für die Karlsruher Kunsthalle und erhielt als Honorar die damals enorme Summe von 21 000 Reichsmark. Vorangegangen war der Wunsch Großherzog Friedrichs, der Künstler möge ein Bild malen, dessen „Stoff aus der Badischen Geschichte genommen“ sei. Die vorgelegte Ölskizze wurde von einer Ankaufskommission positiv begutachtet, die Ausführung „in Naturgröße“ daraufhin beschlossen.

    Der mit Verve gemalte Entwurf, mit dem Keller seine große Gabe als Dramatiker und Kolorist unter Beweis stellt, zeigt bereits die wesentlichen Elemente der Komposition: Das Zentrum nimmt der in der Schlacht von Slankamen siegreiche, deshalb als „Türkenlouis“ bekannte und hier in strengem Profil wiedergegebene Feldherr ein. Er zügelt seinen kräftigen, wild bewegten Schimmel und blickt nach rechts auf den sterbenden Großwesir Köprülüzade Mustafa Paşa. Dieser liegt im Eingang eines Zelts, umgeben von Getreuen und gestützt auf die vor dem Sieger gesenkte grüne Fahne. Trotz des nächtlichen Dunkels ist diese Szene hell beleuchtet. Auf der linken Bildseite stürmt die kaiserliche Kavallerie heran, befehligt von Feldmarschall Dünewald, dessen Rappe sich aufbäumt. Einige Osmanen hinter Schanzkörben leisten hier noch Widerstand. Der Aufbau des Bildes ähnelt einem Triptychon: In der Mitte die Verkörperung des Sieges, flankiert vom Kampf (links) und der Niederlage (rechts). Zusammengehalten wird die Komposition durch eine Diagonale, die aus der linken unteren Ecke über die Fahne des Bannerträgers nach rechts oben weist. An dieser Stelle, oberhalb einer ängstlichen Haremsdame, hat Keller im ausgeführten Gemälde wirkungsvoll einen Papageien platziert. Ludwig Wilhelms schräge, retardierende Haltung ist dieser Diagonale entgegengesetzt.

    Ferdinand Keller, Professor für Porträt- und Historienmalerei an der Karlsruher Kunstakademie, hat für sein Bild diverse Quellen herangezogen. So ließ er sich von einem barocken Kupferstich des Niederländers Romeyn de Hooghe und einem 1839-42 erschienenen Geschichtswerk des Offiziers und Historikers Philipp Roeder von Diersburg inspirieren. Schließlich integrierte Keller zahlreiche Stücke aus der Türkenbeute, die als „Heiligthum badischen Heldenruhmes“ angesehen wurde und soeben, 1877, aus Schloss Rastatt ins Karlsruher Sammlungsgebäude transferiert worden war. Erst auf dem Monumentalgemälde kommen diese (heute noch erhaltenen) Realien zur Geltung: Der Kürass des Türkenlouis, seine Handschuhe, der Säbel, die rotsamtene Schabracke und die Standarte mit dem Monogramm LW; die türkischen Rossschweife (tuǧ), Prunkschabracken, Waffen, Schilde, Bogenköcher und Zaumzeuge. Doch viele Stücke stammen nachweislich nicht aus der Schlacht von Slankamen. So gehen der Rossschweif links und die Kopfbedeckung (keçe) des im Vordergrund rechts liegenden Janitscharen auf Ludwig Wilhelms Onkel, den ebenfalls als Feldherr gegen die Türken erfolgreichen Markgrafen Hermann, zurück. Nimmt man hinzu, dass sich Ludwig Wilhelm und Mustafa Paşa auf dem Schlachtfeld gar nicht begegnet sind, so wird der fiktive Charakter des Gemäldes deutlich: Effektvoll und detailversessen wird Geschichte hier weniger wiedergegeben als vorgegaukelt.

    Autor: Holger Jacob-Friesen, Bildrechteinhaber: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

    Staged heroic glory

    Margrave Ludwig Wilhelm of Baden-Baden rides into the tent of the dying Mustafa Köprili (Köprülüzade Mustafa Paşa) on the evening of the Battle of Slankamen, oil study for the monumental painting of the same name; oil on canvas, h. 47 cm, w. 71 cm; inscribed lower right: F. Keller; Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle Inv. 2956 - Ferdinand Keller, 1877/78

    The need to visualise important historical events in powerful images is as vivid today as it has ever been. That is why historical films are booming in the cinema and on television. They translate into moving images what paintings used to do in a condensed form: the offer to become an eyewitness to events long past. The effort to be historically accurate varies greatly, but even in the most ambitious, conscientiously researched and developed works, the uneasy feeling remains that in the end it is only a matter of pseudo-realism.

    This also applies to Ferdinand Keller's monumental history painting, measuring over three by five metres, which shows the imperial commander Margrave Ludwig Wilhelm of Baden-Baden triumphing over the Ottomans in 1691. Keller created it in the winter of 1878/79 for the Karlsruhe Kunsthalle and received the then enormous sum of 21,000 Reichsmarks as a fee. This was preceded by Grand Duke Friedrich's wish that the artist paint a picture whose "material was taken from Baden history". The oil sketch submitted was positively appraised by an acquisition commission, which then decided to execute it "in natural size".

    The sketch, painted with verve and demonstrating Keller's great gift as a dramatist and colourist, already shows the essential elements of the composition: the centre is occupied by the commander, victorious in the Battle of Slankamen and therefore known as "Türkenlouis" (Louis the Turk), who is depicted here in severe profile. He reins in his powerful, wildly moving white horse and looks to the right at the dying Grand Vizier Köprülüzade Mustafa Paşa. He lies in the entrance to a tent, surrounded by loyal followers and leaning on the green flag lowered in front of the victor. Despite the darkness of the night, this scene is brightly lit. On the left side of the picture, the imperial cavalry is charging, commanded by Field Marshal Dünewald, whose black horse is rearing up. Some Ottomans behind bulwarks are still resisting here. The composition of the picture resembles a triptych: in the centre the embodiment of victory, flanked by battle (left) and defeat (right). The composition is held together by a diagonal line that points from the lower left corner over the flag of the standard bearer to the upper right. At this point, above an anxious harem lady, Keller has effectively placed a parrot in the executed painting. Ludwig Wilhelm's oblique, retarding posture is opposed to this diagonal.

    Ferdinand Keller, professor of portrait and history painting at the Karlsruhe Art Academy, drew on various sources for his painting. For example, he was inspired by a Baroque copperplate engraving by the Dutchman Romeyn de Hooghe and a history work by the officer and historian Philipp Roeder von Diersburg published in 1839-42. Finally, Keller integrated numerous pieces from the Turkish spoils, which were regarded as the "sanctuary of Baden heroic fame" and had just been transferred from Rastatt Palace to the Karlsruhe collection building in 1877. Only on the monumental painting do these realia (still preserved today) come into their own: the cuirass of the Turk Louis, his gloves, the sabre, the red velvet saddlecloth and the standard with the monogram LW; the Turkish horse tails (tuǧ), ceremonial saddlecloths, weapons, shields, bow quivers and bridles. However, many pieces are demonstrably not from the Battle of Slankamen. The horse's tail on the left and the headgear (keçe) of the Janissary in the foreground on the right, for example, go back to Ludwig Wilhelm's uncle, Margrave Hermann, who was also a successful general against the Turks. If we add that Ludwig Wilhelm and Mustafa Paşa did not even meet on the battlefield, the fictitious character of the painting becomes clear: history is not so much reproduced here with great effect and attention to detail as it is pretended.

    Author: Holger Jacob-Friesen, Image copyright holder: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

  • Kürass und Sturmhaube des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden-Baden / Cuirass and balaclava of Margrave Ludwig Wilhelm of Baden-Baden

    Kürass und Sturmhaube des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden-Baden / Cuirass and balaclava of Margrave Ludwig Wilhelm of Baden-Baden

    „Der Unvergleichliche, Welt-berühmte, und Dapffermüthige Fürst“

    Stahl, Leder, Seidensamt, geschmiedet, graviert, vernietet, vergoldet, Kürass: H. (Brust) 44,5 cm, H. (Rücken) 45,5 cm, B. (Schulter) 28,5 cm, Umfang (Brust) 107 cm, Gew. 20,33 kg, Haube: H. 17 cm, Gew. 5,85 kg; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. D 1a-d – süddeutsch, nach 1692/vor 1703

    Als unvergleichlich, weltberühmt, tapfer und mutig präsentiert das im Jahr 1697 publizierte Gedicht Poetischer Triumph-Wagen … seinen Helden Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden und rühmt dessen Leben und militärische Erfolge überschwänglich in hundert Strophen. In Anspielung auf İskender Bey, der in den 1440er-Jahren eine Revolte gegen die Osmanen anführte, wird Markgraf Ludwig Wilhelm als „ander Scander-Beg“ gefeiert. Weitere Vergleiche stellen den jedoch als Türkenlouis in die Geschichte eingegangenen Feldherrn in eine Reihe mit Helden, die aus der antiken Mythologie bekannt sind. Tatsächlich erlangte der Markgraf im Dienst Kaiser Leopolds I. höchste militärische Ämter. Vom Volontär in der kaiserlichen Armee (1674) avancierte er zum Oberbefehlshaber (1689) im „Großen Türkenkrieg“. Nach der Schlacht von Slankamen (1691), die als sein größter Erfolg gilt, erhielt er den von den Habsburgern während des 17. Jahrhunderts nur wenige Male verliehenen Rang eines Generalleutnants und wurde außerdem mit dem Orden vom Goldenen Vlies gewürdigt. Diese Bilderbuchkarriere erzählt neben dem Heldengedicht auch der Doppelkürass aus gebläutem Stahl. Ihn schmückt in Anspielung auf die errungenen Siege des Markgrafen in Ostmittel- und Südosteuropa eine feuervergoldete Gravierung, die die Collane des Ordens vom Goldenen Vlies zeigt. Obwohl der Türkenlouis gegen die im Heldengedicht als „Feind von Orient“ titulierten Osmanen kämpfte, trug er mit der ungarischen Sturmhaube, der sogenannten Zischägge, einen Reiterhelm, der auf zentralasiatische Vorbilder zurückgriff und über Ungarn Verbreitung in Europa fand. Die aus zwei Teilen bestehende Zischägge mit angenietetem Augen- und Nackenschirm verfügt über ein vergoldetes Naseneisen sowie über zwei Wangenklappen und ist im Inneren mit rotem Seidensamt gefüttert.

    Auf dem Höhepunkt seiner Karriere berief Kaiser Leopold den Türkenlouis an den Oberrhein, wo dieser während des Pfälzischen und Spanischen Erbfolgekrieges gegen die Franzosen kämpfte. Während das Gedicht diesem Kriegsschauplatz zehn nicht minder ruhmreiche Strophen widmet und die Heldentaten des Badeners unterstreicht, lässt sich mit dem Kürass auch eine andere Geschichte erzählen. Auf der rechten Seite der Gravierung ist ein Kugelmal zu sehen, das sich der Markgraf während des Spanischen Erbfolgekrieges in einer Zeit zuzog, in der sein Stern allmählich zu sinken begann. Mit den Jahren verschlechterte sich nicht nur das Verhältnis des Türkenlouis zum Kaiserhof, der ihm die in seinen Augen gebührende Anerkennung verwehrte. Sein bedachtes, strategisches Vorgehen in den Kriegen gegen die Franzosen brachte dem Markgrafen allmählich auch den Ruf eines unsicheren Zauderers ein und führte dazu, dass er in Spottschriften verunglimpft wurde. An den Spätfolgen einer Kriegsverletzung leidend, verlor Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden die Gunst des Kaisers und verstarb einsam im Kreis seiner Familie.

    „Schad ist es daß er verwesen / Und einmahl verfaulen soll / Doch wird man von ihm gnng lesen / In dem Helden-Protocoll.“ Die am Ende des Heldengedichts Poetischer Triumph-Wagen … ausgesprochene Prophezeiung sollte sich – ungeachtet der skurrilen Anspielung auf den Verwesungsprozess des Türkenlouis – dennoch bewahrheiten. Während des 19. Jahrhunderts und dessen Suche nach nationalen Helden fand auch Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden seinen Platz in der Geschichte.

    Autorin: Angelika Hausegger, Bildrechteinhaber: Badisches Landesmuseum

    "The Incomparable, World-Famous, and Dapffermüthige Prince"

    Steel, leather, silk velvet, forged, engraved, riveted, gilded, cuirass: h. (chest) 44.5 cm, h. (back) 45.5 cm, w. (shoulder) 28.5 cm, circumference (chest) 107 cm, weight 20.33 kg, bonnet: h. 17 cm, weight 5.85 kg; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. D 1a-d - Southern German, after 1692/before 1703

    The poem Poetischer Triumph-Wagen ... (Poetic Triumph Chariot), published in 1697, presents its hero, Margrave Ludwig Wilhelm of Baden-Baden, as incomparable, world-famous, brave and courageous, and effusively praises his life and military successes in a hundred stanzas. Alluding to İskender Bey, who led a revolt against the Ottomans in the 1440s, Margrave Ludwig Wilhelm is celebrated as "ander Scander-Beg". Further comparisons place the commander, who however went down in history as the Turk Louis, in a line with heroes known from ancient mythology. In fact, the margrave attained the highest military offices in the service of Emperor Leopold I. From volunteer in the imperial army (1674) he advanced to commander-in-chief (1689) in the "Great Turkish War". After the Battle of Slankamen (1691), which is considered his greatest success, he received the rank of lieutenant general, which was only awarded a few times by the Habsburgs during the 17th century, and was also honoured with the Order of the Golden Fleece. This storybook career is told not only in the heroic poem but also in the double cuirass of blued steel. It is decorated with a fire-gilded engraving showing the collane of the Order of the Golden Fleece in allusion to the victories won by the margrave in East-Central and South-Eastern Europe. Although the Turk Louis fought against the Ottomans, dubbed the "enemy of the Orient" in the heroic poem, he wore the Hungarian balaclava, the so-called Zischägge, an equestrian helmet that drew on Central Asian models and spread to Europe via Hungary. The Zischägge, consisting of two parts with riveted eye and neck shields, has a gilded nose iron as well as two cheek flaps and is lined on the inside with red silk velvet.

    At the height of his career, Emperor Leopold summoned the Turk Louis to the Upper Rhine, where he fought against the French during the Palatine and Spanish Wars of Succession. While the poem dedicates ten no less glorious stanzas to this theatre of war and underlines the heroic deeds of the Badener, another story can also be told with the cuirass. On the right side of the engraving is a bullet mark that the Margrave contracted during the War of the Spanish Succession at a time when his star was gradually beginning to decline. Over the years, it was not only the relationship of the Turkish Louis to the imperial court that deteriorated, denying him the recognition he felt he deserved. His deliberate, strategic approach in the wars against the French also gradually earned the margrave the reputation of an uncertain waverer and led to his being vilified in mocking writings. Suffering from the late effects of a war wound, Margrave Ludwig Wilhelm of Baden-Baden lost the Emperor's favour and died alone in the circle of his family.

    "It is a pity that he should decay / And rot once / But one will read of him gnng / In the Helden-Protocoll." The prophecy pronounced at the end of the heroic poem Poetischer Triumph-Wagen ... was nevertheless to come true - notwithstanding the whimsical allusion to the decaying process of the Turk Louis. During the 19th century and its search for national heroes, Margrave Ludwig Wilhelm of Baden-Baden also found his place in history.

    Author: Angelika Hausegger, Image copyright holder: Badisches Landesmuseum

  • Panzerhemd / Armoured shirt

    Panzerhemd / Armoured shirt

    Das Hemd des Mannes, dem das Glück verwehrt blieb

    Eisenringe, vernietet, Besatzstücke: Silber, vergoldet, nielliert; L. um 104 cm, B. 57 cm, Ärmel: L. 43 cm, Gew. 9,25 kg; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. D 10 – osmanisch, İstanbul (?), 1682

    Nur selten kennen wir den Besitzer oder gar die Geschichte eines Sammlungsstückes so genau wie bei diesem Panzerhemd aus der Karlsruher Türkenbeute. Das im Laufe des 16. Jahrhunderts von den Osmanen eingeführte, höchstwahrscheinlich turkmenisch beeinflusste Hemd gelangte mit einem dazugehörigen Kragen im Jahr 1682 als Ehrengeschenk Sultan Mehmeds IV. in den Besitz eines hochrangigen Würdenträgers: Mustafa Ağa aus Rodosta (Tekirdağ am Marmarameer). Eine Bleiplombe im Ringgeflecht nennt seinen Namen, das unterste Schließenpaar sowie die seitliche Rundscheibe am Brustschlitz tragen gar die tuğra, den siegelartig verwendeten, kalligraphisch gestalteten Namenszug des Sultans Mehmed IV.

    Wer war dieser Mann, den das Panzerhemd mit seinem dichten Geflecht aus kleinen vernieteten Eisenringen vor Unheil bewahren sollte? Apotropäische Zeichen auf den Zierstücken oder das unter dem Panzerhemd getragene und mit Koransuren, magischen Zahlen und Zeichen versehene Talismanhemd hatten ihn nicht vor nazar, dem „bösen Blick“, eines kaisertreuen Mannes schützen können. Mustafa Ağa hatte im Range eines Oberkommandeurs die Janitscharen geführt und als ein dem Großwesir gleichrangiger Gefolgsmann des Sultans zusammen mit dem ehrgeizigen Großwesir Kara Mustafa im Belagerungsheer vor Wien gestanden. Seite an Seite hatten sie den Tod von allein über zehntausend Janitscharen und schließlich das Scheitern des Eroberungszuges am 12. September 1683 miterlebt. Es wird überliefert, Mustafa Ağa habe bei der Flucht das schwere Rüststück von annähernd 20 Pfund zurücklassen müssen, das zusammen mit 170 Kanonen und 26 Mörsern einem Mann bei dem Sturm auf die letzten Laufgräben in die Hände fiel: dem Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden-Baden.

    1689 begegneten sich der mittlerweile zum Oberbefehlshaber der Habsburger Truppen ernannte Markgraf und der zum Großwesir erhobene Mustafa erneut auf den Schlachtfeldern von Nissa/Niš und Widin. Durch den Ausgang der für das osmanische Heer verheerenden Gefechte auf dem Boden des heutigen Serbien und Bulgarien fiel Mustafa, dem man unlängst den Beinamen bekri (Trunkenbold) verliehen hatte, in Ungnade. Als persönlicher Überbringer des Hinrichtungsbefehls an Kara Mustafa hatte er nach dessen Erdrosselung am 25. Dezember 1683 in Belgrad zunächst das Amt des ser’askers (Oberbefehlshabers), später sogar das des Großwesirs und Nachfolgers von Kara Mustafa bekleidet. Nach der Niederlage gegen den badischen Oberbefehlshaber wurde er nun sämtlicher Ämter enthoben und wie sein Vorgänger degradiert. Unehrenhaft in die Verbannung geschickt, starb Mustafa im Jahr 1690, während schon im darauffolgenden Jahr Markgraf Ludwig Wilhelm zu seinem größten militärischen Erfolg aufbrach: der Schlacht bei Slankamen.

    Autorin: Schoole Mostafawy, Bildrechteinhaber: Badisches Landesmuseum

    The shirt of the man who was denied happiness

    Iron rings, riveted, trimmings: Silver, gilt, nielloed; l. c. 104 cm, w. 57 cm, sleeves: L. 43 cm, wt. 9.25 kg; Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Inv. D 10 - Ottoman, İstanbul (?), 1682.

    Only rarely do we know the owner or even the history of a collection piece as precisely as we do with this armoured shirt from the Karlsruhe Turkish loot. Introduced by the Ottomans in the course of the 16th century, the shirt, most likely influenced by Turkmens, came into the possession of a high-ranking dignitary, Mustafa Ağa from Rodosta (Tekirdağ on the Sea of Marmara), together with an accompanying collar, in 1682 as a gift of honour from Sultan Mehmed IV. A lead seal in the ring mesh gives his name, the lowest pair of clasps and the round disc on the side of the breast slit even bear the tuğra, the seal-like, calligraphically designed name of Sultan Mehmed IV.

    Who was this man whom the armoured shirt with its dense mesh of small riveted iron rings was supposed to protect from harm? Apotropaic signs on the trim pieces or the talismanic shirt worn under the armoured shirt and decorated with Koranic inscriptions, magic numbers and signs had not been able to protect him from nazar, the "evil eye", of a man loyal to the emperor. Mustafa Ağa had led the Janissaries with the rank of commander-in-chief and, as a retainer of the Sultan equal in rank to the Grand Vizier, had stood with the ambitious Grand Vizier Kara Mustafa in the siege army before Vienna. Side by side they had witnessed the deaths of over ten thousand Janissaries alone and finally the failure of the conquest campaign on 12 September 1683. It is said that Mustafa Ağa had to leave behind a heavy piece of armour weighing almost 20 pounds, which, together with 170 cannons and 26 mortars, fell into the hands of one man during the storming of the last trenches: Margrave Ludwig Wilhelm of Baden-Baden.

    In 1689, the Margrave, who had meanwhile been appointed commander-in-chief of the Habsburg troops, and Mustafa, who had been elevated to Grand Vizier, met again on the battlefields of Nissa/Niš and Widin. The outcome of the battles on the soil of present-day Serbia and Bulgaria, which were devastating for the Ottoman army, disgraced Mustafa, who had recently been given the nickname bekri (drunkard). As the personal bearer of the execution order to Kara Mustafa, he had first held the office of ser'askers (commander-in-chief), and later even that of grand vizier and successor to Kara Mustafa, after the latter's strangulation in Belgrade on 25 December 1683. After the defeat of the Baden commander-in-chief, he was stripped of all his posts and demoted like his predecessor. Dishonourably sent into exile, Mustafa died in 1690, while the very next year Margrave Ludwig Wilhelm set out for his greatest military success: the Battle of Slankamen.

    Author: Schoole Mostafawy, Image copyright holder: Badisches Landesmuseum

  • Feldkürass / Field cuirass

    Feldkürass / Field cuirass

    Der „Sächsische Mars“

    Eisen, getrieben und geschwärzt, Nietköpfe, Naseneisen und Schulterriemenplatten vergoldet, Lederfutter, Vorstöße, Bauch- und Schulterriemen Samt; Nackenschutz der Eisenkappe aus Panzergeflecht; Gew. 23,08 kg; 1683 von Kurfürst Johann Georg III. von Sachsen in der Entsatzschlacht von Wien getragen; Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Rüstkammer Inv. M 0134.01-.04; Inventar der Pallienkammer von 1688, S. 195 – deutsch, um 1680

    Obwohl der Friedensvertrag von Eisenburg noch nicht abgelaufen war, hatte der Diwan noch im August 1682 einen neuerlichen Krieg gegen das Habsburgerreich beschlossen. Intensive Vorbereitungen begannen sofort. Wege und Brücken wurden ausgebessert sowie Verpflegungsdepots angelegt. Als sich die dunklen Wolken der osmanischen Bedrohung über Wien verdichteten, suchte Kaiser Leopold I. nach Verbündeten für den bevorstehenden Krieg. Schon am 31. März 1683 hatte man in Warschau einen polnisch-österreichischen Bündnisvertrag unterzeichnet, und Anfang Juli, als osmanische Vortruppen bereits die Umgebung von Wien unsicher machten, traf Graf Lamberg mit einem Vertragsentwurf in Dresden ein. Trotz diverser Meinungsverschiedenheiten gab Kurfürst Johann Georg III. von Sachsen unverzüglich bekannt, dass er persönlich mit 10 000 Mann der kaiserlichen Residenz zu Hilfe kommen wolle. Am 7. August 1683 formierte sich die inzwischen zum Abmarsch bereite Armee auf den Dresdner Elbwiesen, wo der Kurfürst im Beisein zahlreicher Gäste seine Truppen musterte.

    Einen Monat später kam es bei Tulln zur Vereinigung der alliierten Streitkräfte, bestehend aus etwa 26 000 Polen unter ihrem König Johann III. Sobieski, 27 000 Kaiserlichen unter dem Herzog von Lothringen, 11 300 Bayern, 8000 Mann schwäbisch-fränkischer Kreistruppen und 10 400 Sachsen unter ihrem Kurfürsten Johann Georg III. Sie alle gingen nach einer zweitägigen Rast am Abend des 11. September 1683 auf dem Kahlenberg in Stellung. In den frühen Morgenstunden des folgenden Tages begann die Schlacht um Wien, die mit einem triumphalen Sieg der Alliierten endete. Kurfürst Johann Georg III. von Sachsen, der mit dem Gros seiner Truppen auf dem linken Flügel kämpfte, trug an diesem 12. September 1683 den hier gezeigten Kürass. Im Verlauf der Schlacht wurde er von einer feindlichen Kugel getroffen. Auf dem oberen Bauchgeschübe des Kürasses ist eine starke Deformierung zu sehen, die wohl von diesem Schuss herrührt.

    Bereits drei Tage nach der Schlacht verließ der Kurfürst mit sämtlichen marschbereiten Soldaten seines Aufgebots die kaiserliche Residenz. Verärgert über das kühle Verhalten des Kaisers ihm gegenüber hatte er sich nicht einmal von seinen Kampfgefährten verabschiedet. Als der polnische König von der Abreise des Kurfürsten von Sachsen erfuhr, schickte er ihm aus seiner eigenen Beute vier gefangene Osmanen, zwei reich aufgezäumte Pferde, zwei Fahnen und einen prächtigen Schleier für die Kurfürstin als Geschenk hinterher. Da die sächsischen Truppen in Befolgung der Befehle nach der Schlacht zunächst in ihren Stellungen verblieben waren, hatten sie kaum Zeit, eigene Beute zu machen. Aus diesem Grund zählen die Geschenke Johann Sobieskis zu den wenigen Stücken im Bestand der Türckischen Cammer in Dresden, die auf den Entsatz Wiens zurückgehen. Dazu gehört auch der mit rotem Samt bezogene, mit vergoldetem Silberdraht reich bestickte und mit Leder applizierte Sattel. Die sächsischen Truppen selbst erbeuteten in erster Linie umfängliches Kriegsmaterial und einige osmanische Handschriften. Die wohl spektakulärste Beute war ein Elefant, den man nach der Heimkehr für einige Tage hinter dem Zeughaus (dem heutigen Albertinum) öffentlich ausstellte, bevor er kurze Zeit später starb.

    Autor: Holger Schuckelt, Bildrechteinhaber: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Rüstkammer

    The "Saxon Mars"

    Iron, chased and blackened, rivet heads, nose iron and shoulder strap plates gilded, leather lining, lugs, belly and shoulder straps velvet; neck guard of the iron cap made of armour mesh; weight 23.08 kg; worn in 1683 by Elector Johann Georg III of Saxony in the relief battle of Vienna; Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Rüstkammer Inv. M 0134.01-.04; inventory of the Pallienkammer of 1688, p. 195 - German, c. 1680.

    Although the peace treaty of Eisenburg had not yet expired, the Diwan had decided on a new war against the Habsburg Empire as late as August 1682. Intensive preparations began immediately. Roads and bridges were repaired and food depots set up. As the dark clouds of the Ottoman threat gathered over Vienna, Emperor Leopold I looked for allies for the forthcoming war. A Polish-Austrian alliance treaty had already been signed in Warsaw on 31 March 1683, and at the beginning of July, when Ottoman advance troops were already making the environs of Vienna unsafe, Count Lamberg arrived in Dresden with a draft treaty. Despite various differences of opinion, Elector Johann Georg III of Saxony immediately announced that he personally intended to come to the aid of the imperial residence with 10,000 men. On 7 August 1683, the army, now ready to march, formed up on the Elbe meadows in Dresden, where the Elector mustered his troops in the presence of numerous guests.

    A month later, the allied forces, consisting of about 26,000 Poles under their King John III Sobieski, 27,000 imperial troops under the Duke of Lorraine, 11,300 Bavarians, 8,000 Swabian-Franconian district troops and 10,400 Saxons under their Elector John George III, were united at Tulln. After a two-day rest, they all took up position on the Kahlenberg in the evening of 11 September 1683. In the early hours of the following morning, the battle for Vienna began, ending in a triumphant victory for the Allies. Elector Johann Georg III of Saxony, who fought with the bulk of his troops on the left wing, wore the cuirass shown here on this 12th September 1683. In the course of the battle he was hit by an enemy bullet. A severe deformation can be seen on the upper belly of the cuirass, probably caused by this shot.

    Only three days after the battle, the Elector left the imperial residence with all the soldiers of his contingent ready to march. Annoyed by the Emperor's cool behaviour towards him, he had not even said goodbye to his comrades-in-arms. When the Polish king heard of the Elector of Saxony's departure, he sent after him from his own booty four captured Ottomans, two richly bridled horses, two banners and a magnificent veil for the Electress as a gift. Since the Saxon troops had initially remained in their positions in compliance with orders after the battle, they had hardly any time to make any loot of their own. For this reason, Johann Sobieski's gifts are among the few pieces in the holdings of the Türckische Cammer in Dresden that date back to the relief of Vienna. They include the saddle covered with red velvet, richly embroidered with gilded silver wire and applied with leather. The Saxon troops themselves primarily captured extensive war material and some Ottoman manuscripts. Probably the most spectacular booty was an elephant, which was publicly exhibited behind the armoury (today's Albertinum) for a few days after returning home, before it died a short time later.

    Author: Holger Schuckelt, Image copyright holder: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Rüstkammer

  • Markgräfin und Markgraf von Baden-Baden im Kostüm / Margravine and Margrave of Baden-Baden in Costume

    Markgräfin und Markgraf von Baden-Baden im Kostüm / Margravine and Margrave of Baden-Baden in Costume

    „… immer neu der Mummenschanz“

    Zwei Kostümbilder: Markgräfin Sibylla Augusta von Baden-Baden im Kostüm einer Ungarin (Husarin?) und Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden im Kostüm eines Osmanen

    Gouachen auf Pergament, erneuerte Rückwand aus Pressspan, auf Holz geklebt; G 2553: H. 28,8 cm, B. 20,1 cm (o.R.), H. 35 cm, B. 26,7, T. 2,5 cm (m.R.); G 2568: H. 28,6 cm, B. 19,9 cm (o.R.), H. 35 cm, B. 26,8 cm, 2,5 cm (m.R.); Rastatt, Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Schloss Favorite Inv. G 2553 und G 2568 – deutsch, um 1700/06, Ludwig Ivenet zugeschrieben, Rahmen: Johann Adam Kratochwyl zugeschrieben

    „Steht ein Schloss im grünen Walde, ist gar wunderlich geschmückt,/seiner Baukunst schnörkelreiche Formen sind uns fern gerückt,/Seine Ornamente bleichen wie ein fliehender Morgentraum,/Doch, der Vorzeit heilig Mondlicht schimmert durch den stillen Raum./Und beseelt mit seinem Strahle tote Bilder an der Wand:/Einen Mann, geschmückt mit eitlem hundertfält'gen Flittertand,/Bald im Kleide des Chinesen, bald im grünen Schäferkranz,/Ueberall daselbe Antlitz – immer neu der Mummenschanz./Wer mag's sein, der diese bunten weibischen Prunkgewande trug?/Geisterstimmen flüstern Antwort: Er, der einst die Türken schlug ...“

    Dieses stimmungsvolle und gleichzeitig spöttische „Lied im Schloss Favorite“ verfasste Josef Viktor von Scheffel. Mit wenigen Versen richtet der Karlsruher Dichter den Fokus auf eine einzigartige Sammlung von Kostümbildern, die noch heute zu den Schätzen von Schloss Favorite bei Rastatt zählt.

    Auf dem ersten Kostümbild ist Markgräfin Sibylla Augusta von Baden-Baden frontal, leicht nach links gewendet dargestellt. Sie steht in einem Innenraum, auf einem schachbrettartigen Fliesenboden vor dunklem Hintergrund. Die Fürstin trägt das Kostüm einer Ungarin bzw. Husarin: ein hellbraunes Kleid mit schlichtem Rock, der weitgehend von einer Schürze mit breitem Spitzenbesatz bedeckt wird. Unter dem geschnürten Oberteil ist eine langärmelige Bluse mit Spitzenbesatz an Handgelenken und Ausschnitt zu sehen. Über ihrer linken Schulter hängt eine rote, innen mit schwarzem Pelz gefütterte Überjacke (Mente) mit aufgesetzten Verschnürungen. Die gepuderten Haare sind mit Perlen durchflochten und werden von einer Mütze mit breitem braunem Pelzbesatz, rotem Tuchspiegel und dunklem Haarbusch in juwelenverzierter Einsteckhülse bekrönt. In der rechten Hand hält sie einen geschlossenen Fächer, die linke ist in die Hüfte gestützt.

    Die zweite Gouache zeigt Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden im Kostüm eines Osmanen. Vor einem pflanzenbewachsenen Felsen steht der Landesherr leicht nach links gewendet, die Linke am Krummsäbel. Mit der Rechten hält er den Saum seines schweren petrolfarbigen Mantels, der innen mit Pelz gefüttert ist. Er trägt lange quergestreifte Pluderhosen mit durchsichtigem Überwurf und ein weißes, reich verziertes Obergewand, gehalten durch einen Gürtel. Die Ärmel sind geschlitzt und geben den Blick auf das Untergewand frei. Hals und Handgelenke sind vom Stoff des Untergewandes nahezu bedeckt. Den Kopf schmückt ein Turban mit perlenverziertem Stoffkegel und Pinselquaste, an den Füßen trägt der Markgraf rote Socken und spitze Pantoffeln.

    Die hier gezeigten Gouachen in ihren ursprünglichen Lackrahmen zählen zu einer Serie von ursprünglich 70 Exemplaren, die um 1700 vermutlich zunächst für das im Bau befindliche Residenzschloss Rastatt angefertigt wurden. Nach Errichtung ihres nahegelegenen Lustschlosses Favorite (um 1710–25) ließ die mittlerweile verwitwete Markgräfin Sibylla Augusta die „Maskeraden“ an den Wänden und Türen ihres Spiegelkabinetts aufhängen. Nach Verlusten im 20. Jahrhundert sind heute noch 56 Bilder in Schloss Favorite Rastatt erhalten. Sie zeigen das Markgrafenpaar oder zwei ihrer Kinder bzw. eine weitere Frau in phantasievollen Kostümierungen. Die in Gesicht und Haltung und vor jeweils ähnlichen Hintergründen schablonenhaft dargestellten Personen tragen verschiedene Kostüme (Moskowiter, Tartarin) oder schlüpfen in Rollen (Sklavin, Jägerin) oder personifizieren Jahreszeiten (Frühling, Winter). Aus den erhaltenen Exemplaren lässt sich schließen, dass Kostümbilder vermutlich als zusammengehörige Paare angefertigt wurden. So besitzen auch die „Ungarin“ und der „Osmane“ entsprechende Gegenstücke (Ludwig Wilhelm als „Ungar“, Inv. G 2554; Sibylla Augusta als Osmanin, ohne Inv., seit 1965 verschollen). Diese Inszenierungen zeigen die Freude an höfischen Maskeraden, die als „Türkenmummereien“ schon in der Renaissance zu den höfischen Lustbarkeiten zählten. Bemerkenswert bei diesen Gouachen ist aber, dass sie auch Motive der Länder aufgreifen, die vom Markgrafen im 17. Jahrhundert im Rahmen seiner Kriegszüge bereist wurden. Als Feldmarschall und seit 1691 Generalleutnant des Kaisers kämpfte Ludwig Wilhelm für die Habsburgermonarchie im Großen Türkenkrieg und präsentiert sich hier u.a. im Gewand seiner Kriegsgegner. Außerdem nahm Ludwig Wilhelm Waffen, Kleidungsstücke, kostbare Stoffe und Decken, Pferdegeschirr und Musikinstrumente von den Kriegsschauplätzen auf dem Balkan zur Ausstattung seiner Residenz mit. Darunter befand sich auch ein „grün samtener persianischer Rock“, der an den hier dargestellten Mantel erinnert.

    Autorin: Petra Pechaček, Bildrechteinhaber: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg - Schloss Favorite bei Rastatt

    "... always new the Mummenschanz"

    Two costume pictures: Margravine Sibylla Augusta of Baden-Baden in the costume of a Hungarian (Husarin?) and Margrave Ludwig Wilhelm of Baden-Baden in the costume of an Ottoman.

    Gouaches on vellum, renewed pressboard back, glued on wood; G 2553: h. 28.8 cm, w. 20.1 cm (o.r.), h. 35 cm, w. 26.7, d. 2.5 cm (m.r.); G 2568: h. 28.6 cm, w. 19.9 cm (o.r.), h. 35 cm, w. 26.8 cm, 2.5 cm (m.r.); Rastatt, State Palaces and Gardens of Baden-Württemberg, Favorite Palace Inv. G 2553 and G 2568 - German, c. 1700/06, attributed to Ludwig Ivenet, frame: Attributed to Johann Adam Kratochwyl

    "A castle stands in the green forest, is whimsically adorned,/its ornate architectural forms are far from us,/its ornaments pale like a fleeing morning dream,/Yet moonlight, sacred to the past, shimmers through the quiet room. /And animates with its radiance dead pictures on the wall:/A man adorned with vain hundredfold tinsel,/Sometimes in the dress of the Chinese, sometimes in a green shepherd's wreath,/Everywhere the same face - always anew the mummery dance./Who might it be who wore these colourful female showy robes?/Ghostly voices whisper the answer: He who once beat the Turks ..."

    This atmospheric and at the same time mocking "Lied im Schloss Favorite" was written by Josef Viktor von Scheffel. With just a few verses, the poet from Karlsruhe focuses on a unique collection of costume pictures that are still among the treasures of Favorite Castle near Rastatt.

    In the first costume picture, Margravine Sibylla Augusta of Baden-Baden is depicted frontally, slightly turned to the left. She is standing in an interior room, on a chequered tiled floor against a dark background. The princess is wearing the costume of a Hungarian or hussar: a light brown dress with a simple skirt, which is largely covered by an apron with broad lace trimming. Underneath the laced top is a long-sleeved blouse with lace trim at the wrists and neckline. Over her left shoulder hangs a red overjacket (mente) lined with black fur on the inside with attached lacing. Her powdered hair is braided with pearls and topped by a cap with broad brown fur trim, red cloth mirror and dark hair bush in a jewelled insertion sleeve. In her right hand she holds a closed fan, the left is propped on her hip.

    The second gouache shows Margrave Ludwig Wilhelm of Baden-Baden in the costume of an Ottoman. In front of a rock covered with plants, the sovereign stands slightly turned to the left, his left hand on his scimitar. With his right hand he holds the hem of his heavy petrol-coloured coat, which is lined with fur on the inside. He wears long cross-striped harem trousers with a transparent overcoat and a white, richly decorated outer garment held in place by a belt. The sleeves are slit and reveal the lower robe. The neck and wrists are almost covered by the fabric of the lower robe. The head is adorned with a turban with a pearl-embellished fabric cone and brush tassel, and the margrave wears red socks and pointed slippers on his feet.

    The gouaches shown here in their original lacquer frames belong to a series of originally 70 copies that were probably initially made around 1700 for the Rastatt Residence Palace, which was under construction. After the construction of her nearby Favorite pleasure palace (c. 1710-25), the now widowed Margravine Sibylla Augusta had the "masquerades" hung on the walls and doors of her mirror cabinet. After losses in the 20th century, 56 pictures are still preserved in Rastatt's Favorite Palace today. They show the margrave couple or two of their children or another woman in imaginative costumes. The persons, depicted in a stencil-like manner in face and posture and against similar backgrounds, wear various costumes (Muscovite, Tartar) or slip into roles (slave, huntress) or personify seasons (spring, winter). From the surviving specimens it can be concluded that costume pictures were probably made as pairs belonging together. Thus the "Hungarian" and the "Ottoman" also have corresponding counterparts (Ludwig Wilhelm as "Hungarian", Inv. G 2554; Sibylla Augusta as Ottoman, no inv., lost since 1965). These stagings show the pleasure of courtly masquerades, which were already part of courtly amusements in the Renaissance as "Turkish mummers". What is remarkable about these gouaches, however, is that they also take up motifs from the countries that the Margrave travelled to in the 17th century as part of his military campaigns. As field marshal and, from 1691, lieutenant-general to the emperor, Ludwig Wilhelm fought for the Habsburg monarchy in the Great Turkish War and presents himself here, among other things, in the garb of his wartime opponents. In addition, Ludwig Wilhelm took weapons, items of clothing, precious fabrics and blankets, harnesses and musical instruments from the theatres of war in the Balkans to furnish his residence. Among them was a "green velvet Persian skirt", reminiscent of the coat depicted here.

    Author: Petra Pechaček, copyright holder: State Palaces and Gardens of Baden-Württemberg - Favorite Palace near Rastatt

  • Markgraf von Baden-Baden im osmanischen Kostüm / Margrave of Baden-Baden in Ottoman costume

    Markgraf von Baden-Baden im osmanischen Kostüm / Margrave of Baden-Baden in Ottoman costume

    Faszination des Fremden

    Die „Türkenmode“ an den Höfen von Dresden, Rastatt und Wien

    Obwohl sich das Osmanische Reich und Westeuropa im 16. und 17. Jahrhundert fast ständig in Konfrontation befanden, hatten die europäischen Herrscher große Bewunderung für die Künste des Orients entwickelt. Die ausgefeilte Kunst des islamischen Ornaments sowie die reiche Verwendung von Edelsteinen zum Schmuck der Prunkgegenstände begeisterten die europäischen Herrscher. Von diplomatischen und politischen Beziehungen der großen europäischen Herrscherfamilien zu verschiedensten orientalischen Reichen stammt der Großteil der prachtvollen orientalischen Objekte. Durch die intensiven Beziehungen zwischen diesen beiden Kulturkreisen fanden sich im Europa des 16. bis 18. Jahrhunderts genügend Zeugnisse der islamischen Kunst, um in der europäischen Kunst eine „Türkenmode“ auszulösen. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und dem gesamten 17. Jahrhundert kam es zunehmend zu diplomatischen Kontakten zwischen der Hohen Pforte und den westeuropäischen Herrschaftszentren, vor allem Frankreich und dem Habsburgerreich. Es entwickelte sich die Gewohnheit, innerhalb dieser Delegationen Maler zu beschäftigen, die über das Alltagsleben in İstanbul berichteten. Diese Bilder sind ein überzeugender Beweis für das Interesse der europäischen Herrscher an dem Leben und den Zeremonien der Osmanen. Der kaiserliche Gesandte Ogier Ghislain de Busbecq hielt sich von 1555 bis 1562 vorwiegend in İstanbul auf. In seinem Gefolge befand sich auch der Maler Melchior Lorch. Er skizzierte und malte während seines Aufenthalts im Osmanischen Reich sowohl historische Gebäude als auch Personen aus den verschiedenen Volksschichten. Das bedeutendste Werk Lorchs wurde eine zwölf Meter lange Ansicht von İstanbul. Der kaiserliche Botschafter Karel Rijm, der von 1570 bis 1573 die Interessen der Habsburger in İstanbul vertrat, wurde ebenfalls von einem Maler begleitet, nämlich Lambert de Vos. Auch sein Nachfolger David Ungnad Freiherr zu Sonneck, der als kaiserlicher Botschafter von 1573 bis 1578 in İstanbul weilte, ließ Zeichnungen vom Hofstaat des Sultans anfertigen. Diese Darstellungen des Hoflebens in İstanbul müssen so großes Interesse an den Höfen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation hervorgerufen haben, dass 1581 Zacharias Wehme für Kurfürst August von Sachsen eine Kopie der Bilder schuf. In diesem Werk fanden die Herrscher in Wien und Dresden Informationen über Lebensweise und zeremonielle Handlungen am Sultanshof sowie über die Bekleidung der Osmanen. Vergleichbare Darstellungen entstanden auch während der Gesandtschaft von Heinrich von Liechtenstein am osmanischen Hof. Dieses starke Interesse der mitteleuropäischen Herrscher am Sultanshof belegt auch das Stammbuch des Markgrafen Ernst Friedrich von Baden-Durlach, in dem sich Abbildungen von Personen aus dem Osmanischen Reich finden. Ebenso entstanden während der Mission des kaiserlichen Gesandten Hans Ludwig von Kuefstein 1628 am Hof Sultan Murads IV. Bilder von Empfängen und Audienzen in İstanbul.

    Nicht nur die habsburgischen Gesandten befriedigten das Interesse ihrer Herrscher am osmanischen Alltagsleben, auch der französische Botschafter Jean de la Hay reiste 1642 in Begleitung des Malers Georges de la Chapelle nach İstanbul. Seine Bilder wurden in weiten Teilen Mitteleuropas als Vorbilder für die Darstellung der osmanischen Welt verwendet, so in einer Reihe von Bildnissen, die sich heute im Landesmuseum von Ptuj in Slowenien befinden . Außerdem beschäftigte der französische Botschafter Charles Marquis de Ferriol in seinem Gefolge den Maler Jean-Baptiste Vanmours, der während seines Aufenthalts in İstanbul zahlreiche Skizzen des dortigen Lebens herstellte. 1714 als Kupferstichserie im Recueil de Cent Estampes herausgegeben, trug das Werk wesentlich zur Verbreitung der Türkenmode bei.

    Die habsburgischen Botschafter am osmanischen Hof, beginnend mit Siegmund von Herberstein, mussten in İstanbul gemäß den Regeln des Hofzeremoniells in osmanischer Kleidung zu den Empfängen des Sultans erscheinen. Viele Botschafter, wie Johann Rudolph Schmid Freiherr von Schwarzenhorn und Graf Wolfgang IV. von Öttingen-Wallerstein, ließen sich in orientalischer Kleidung abbilden und trugen so zur Verbreitung der Orientmode bei. Die europäischen Botschafter in İstanbul verbesserten nicht nur die Kenntnisse über das Alltagsleben im Osmanischen Reich, sie lieferten auch ausgefeilte Automaten und Uhren an den Sultanshof. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde der habsburgische Kaiser an der Hohen Pforte durch einen Botschafter vertreten, der auch die jährlichen Tributleistungen übergeben musste. Die Verpflichtung zu Ehrengeschenken bestand nicht nur für den Kaiser, sondern auch für andere europäische und orientalische Herrscher, zum Beispiel für den König von Polen, den Fürsten von Siebenbürgen, aber auch für italienische Stadtstaaten wie Venedig oder Florenz. Diese Automaten erfreuten sich in Form von „Kriegselefanten“, „Reitenden Türken“ oder „Dromedaren“ auch bei den europäischen Höfen wachsender Beliebtheit und finden sich heute in den Schatzkammern in Wien, Dresden oder auch der Fürsten Esterházy in Forchtenstein.

    Befeuert von den Bildern des Lebens in İstanbul, begann man trotz der noch immer bestehenden „Türkengefahr“ schon im 16. Jahrhundert an vielen europäischen Höfen mit einer nahezu spielerischen Umsetzung des orientalischen Einflusses. Aus einem wachsenden Interesse der europäischen Herrscher am Osmanischen Reich kam es auch zur Verwendung orientalischer und orientalisierender Waffen in Schaukämpfen und Umzügen. Die osmanischen und orientalisierenden Waffen und Ausstattungen der Wiener Hofjagd- und Rüstkammer stammen zu einem überwiegenden Teil aus dem „Türkenkammerl“, das Erzherzog Ferdinand II. auf seinem landesfürstlichen Schloss Ambras bei Innsbruck eingerichtet hatte. In Dresden entstand in einem Stallgebäude die Türckische Cammer, in deren Inventar sich die meisten orientalischen Waffen der Dresdner Rüstkammer nachweisen lassen. Auch im Residenzschloss in Rastatt wurde von Markgraf August Georg von Baden aus den Trophäen seines Vaters, Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden, und anderer an den Türkenkriegen beteiligter Familienangehöriger eine „türkische Kammer“ eingerichtet.

    Am häufigsten fand sich jedoch das Türkenmotiv in den Turnieren und Schaukämpfen der frühen Neuzeit. Schon bei Kaiser Maximilian I. finden sich in seinem Turnierbuch Freydal unter den abgebildeten Kostümtänzen zwei Bilder, in denen Begleiter Maximilians mit grotesken Vogelmasken dargestellt sind, einmal im Kostüm „türkischer“ Janitscharen, das andere Mal in ungarischer Kleidung. Zu einer frühen Auseinandersetzung mit dem Türkenthema gehören die verschiedenen Waffen, die Erzherzog Ferdinand II. für seine sogenannten Huszarischen Turniere in Wien, Prag und Innsbruck verwendete. Über diese Huszarischen Turniere ist man durch das Turnierbuch Ferdinands von Tirol gut informiert. Laut diesem Turnierkodex nahm Erzherzog Ferdinand II. 1549 in Prag mehrfach an solchen Turnieren teil. Für diese Turniere ließ sich der Erzherzog orientalisierende Ausrüstungsgegenstände anfertigen. Nach dem Türkenfeldzug von 1556 hielt Erzherzog Ferdinand II. zur Fastnacht 1557 ein Huszarisches Turnier in Prag ab, bei dem eine Gruppe als christliche Ritter und Ungarn verkleidet war, während die Mitglieder der Gegenpartei als „Türken“ und „Mohren“ auftraten. Zur Verkleidung wurden die Kämpfer mit Türken- und Mohrenmasken ausgestattet, die als Wechselvisiere für den unter dem orientalisierenden Kostüm verborgenen Harnisch dienten. Diese Wechselvisiere wurden in der Form von Türkengesichtern getrieben und naturalistisch mit Ölfarbe bemalt. Beim Huszarischen Turnier wurde der Kampf der Huszarischen Reiter gegen die Osmanen nachgestellt. Der propagandistische Hintergrund dieser „Turniermummereien“ war die Darstellung des Kampfes der christlichen Habsburger gegen den Islam in Osteuropa und in Nordafrika. Die „türkische“ Verkleidung bezieht sich auf die Gefahr von Osten, die seit der Schlacht von Mohács 1526 ständig zugenommen hatte. Diese christliche Elitetruppe der Husaren kämpfte an der Ostgrenze der habsburgischen Besitzungen gegen die Osmanen in einer Ausrüstung, die jener der schweren osmanischen Kavallerie, der Sipahis, sehr ähnlich war. Die Huszarischen Reiter sind mit Sturmhaube, Schild, langem Spieß und Säbel bewaffnet. Ergänzt wird diese Ausrüstung noch durch lange ungarische Sporen. Für das Huszarische Turnier zur Fastnacht 1557 in Prag wurde die „Huszarische Rüstung“ des Erzherzogs Ferdinand II. Wien, bestehend aus einem Reitzeug mit Kehlbehang für das Pferd sowie einer silbernen Rüstung, hergestellt. Diese silberne Rüstung bewies ein Höchstmaß an künstlerischer Gestaltung sowie an materiellem Aufwand, denn alle Metallteile waren ursprünglich aus Silber gefertigt. Aber nicht nur an den Höfen der österreichischen Habsburger kam es zu orientalischen Turnieren. Anlässlich der Hochzeit von Herzog August mit Anna von Dänemark ließ Kurfürst Moritz von Sachsen 1547 in Torgau eine „türkische“ Festung stürmen und in Brand schießen. 1553 veranstalteten Kurfürst Moritz von Sachsen und sein Bruder Herzog August anlässlich der Fastnacht auf dem Dresdner Altmarkt ein orientalisches Turnier zwischen Husaren und „Türken“. Die programmatischen Turniere, die die Krönung Maximilians II. zum König von Ungarn 1563 feierten, hatten einen offensichtlichen politischen Inhalt, zeigten sie doch die Rolle der Habsburger im Kampf mit den Osmanen. Am 15. Mai 1582 wurde in Innsbruck die Heirat Ferdinands II. von Tirol mit Anna Caterina Gonzaga gefeiert. Blätter von Sigmund Elsässer dokumentieren das Ereignis. Bei dieser Hochzeit gab es ungarische und maurische Turniere, für die in Innsbruck von der Hofplattnerei orientalisierende Helme angefertigt wurden. Diese ungarischen Turniere hatten wahrscheinlich erneut das schon bekannte Thema der „Türkenabwehr“ zum Inhalt. Huszarische Turniere und „Türkengefechte“ waren nicht nur an den habsburgischen Höfen beliebt, sondern auch überregional bei Festveranstaltungen präsent. Eine Vielzahl an orientalisierenden und „huszarischen“ Waffen wurden zur Ausstattung der in Verkleidung abgehaltenen Ritterspiele von den Herrschern in Auftrag gegeben. Die antiosmanische Komponente ist jedoch nur eine von mehreren Interpretationsebenen. Neben diesem ausdrücklich politischen und propagandistischen Aspekt gibt es einen weiteren, der romantischer und traditioneller ist und mit der ritterlichen Romantik des 16. Jahrhunderts in engem Zusammenhang steht. Es ist der Einfluss der Ritterromane, die im 16. Jahrhundert eine besondere Wertschätzung erfuhren.

    Nicht nur im höfischen Fest erlebte die Türkenmode eine Blüte, auch Zentren der Waffenproduktion in Mitteleuropa wie Augsburg, Nürnberg, Prag und Wien folgten diesem Trend. Hier wurden sogenannte „Ungarische Zischäggen“ – spitze, offene Sturmhauben – von orientalischem Typus angefertigt. Prunkhelme auf „huszarische Art“, reich geätzt und eingeschwärzt oder häufiger noch über die ganze Fläche vergoldet, wurden offensichtlich für zwei Kundengruppen – österreichische Fürsten an der Ostgrenze des Reiches und hochgestellte ungarische oder polnische Persönlichkeiten – hergestellt. Eines dieser Objekte ist die Sturmhaube des ungarisch-kroatischen Grafen Nikolaus IV. Zrínyi, die gemeinsam mit einem Säbel 1562 gefertigt wurde. Ein anderes, vielleicht das glanzvollste Produkt der Kultur dieses Grenzbereiches zwischen dem Reich der Habsburger und dem der Osmanen ist der unvollständige Halbharnisch „huszarischer Form“ des Stephan Báthory. Báthory war seit 1571 Großfürst von Siebenbürgen und seit 1575 König von Polen. Mit diesem Halbharnisch eines leider unbekannten deutschen Meisters ist seit der ersten Erwähnung der Rüstungsteile eine Zischägge verbunden, die eine Arbeit der İstanbuler Hofplattnerei ist und einen der Höhepunkte der osmanischen Waffenschmiedekunst darstellt. Die zweite Gruppe umfasst Arbeiten europäischer Meister für einen orientalischen Abnehmerkreis.

    Wie man sich einen solchen Vorgang vorzustellen hat, ist bei der Sturmhaube und dem Kürass, die um 1590 in Augsburg in orientalischem Geschmack gefertigt wurden, eindrucksvoll belegt. Der Großwesir Sinan Paşa verlangte für die Verlängerung des Waffenstillstandes von 1592 mit den Habsburgern ausdrücklich einen Harnisch und Handfeuerwaffen. Im Auftrag der österreichischen Regierung wurde für ihn in Augsburg eine Garnitur aus Zischägge und Kürass angefertigt. Da der Waffenstillstand 1592 nicht zustande kam und der Lange Türkenkrieg ausbrach, wurden die für Sinan Paşa vorgesehenen Geschenke niemals nach İstanbul gebracht. Eine ähnlich im orientalischen Geschmack gearbeitete und mit Edelsteinen besetzte Sturmhaube befindet sich im Bayerischen Nationalmuseum in München. Die große Zahl europäischer Herrscher, die zu Tributzahlungen bzw. Ehrengeschenken an den Hof des Sultans verpflichtet waren, legt die Vermutung nahe, dass die Zahl der für orientalische Kunden angefertigten europäischen Harnische die Menge der heute noch vorhandenen Stücke weit übertraf. Dass diese Harnischproduktion im orientalischen Geschmack auch für europäische Kunden nicht uninteressant war, belegt ein reich mit Edelsteinen besetzter Harnisch des Kurfürsten Johann Georg II. von Sachsen im römisch-orientalischen Mischstil, der zur Sammlung der Dresdner Rüstkammer gehörte und sich heute im Philadelphia Museum of Art befindet. Orientalische Waffen und Reitzeuge erlebten an den Höfen der Habsburger und der Wettiner eine hohe Wertschätzung. Mit den Turnierfeiern von 1560 in Wien dürfte die Anfertigung eines „türkischen Reitzeuges“ für Erzherzog Ferdinand II. in Zusammenhang stehen. Das Reitzeug folgt im Stil siebenbürgischen Goldschmiedearbeiten, die unter starkem osmanischem Einfluss standen. Ganz ähnliche Goldschmiedearbeiten schuf der Wiener Goldschmied Nikolaus Gros. Von ihm wurde um 1600 eine Garnitur, bestehend aus Schwert und Säbel, als Geschenk des Kaisers für Kurfürst Christian II. von Sachsen gefertigt, wahrscheinlich aus Anlass der Belehnung Christians als Herzog von Jülich und Cleve. Bei seinem Aufenthalt in Prag 1610 gab Kurfürst Christian II. auch einen Satz Prunkwaffen in Auftrag. Eine orientalisierende Waffengarnitur, zusammengesetzt aus Panzerstecher, Dolch und Pallasch, sowie ein Pferd mit Sattel, Schabracke und Reitzeug wurden Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen 1617 als Geschenk von Kaiser Matthias überreicht. Auch der Nachfolger von Kaiser Matthias, Ferdinand II., schenkte seinem sächsischen Verbündeten Kurfürst Johann Georg I. orientalische Waffen und ein Reitzeug.

    Dienten die orientalischen und orientalisierenden Waffen bei den mitteleuropäischen Herrschern dem Spiel mit der Faszination der orientalischen Welt, so wurde dieses Spiel im 18. Jahrhundert durch militärische Einheiten ergänzt, die man in osmanische Uniformen steckte. Schon 1699 findet man bei den Feiern des Vertrags von Karlowitz in Wien eine Janitscharenkapelle, die hier großen Eindruck hinterließ. Einer der leidenschaftlichsten Anhänger der Türkenmode war der sächsische Kurfürst und polnische König August der Starke. Er hatte persönlich an zwei Feldzügen gegen die Osmanen in den Jahren 1695 und 1696 teilgenommen. 1715 ließ er in Warschau sein erstes „Türkisches Fest“ feiern. Das Auftreten von Janitscharen bei höfischen Festen hatte in Dresden lange Tradition. Aber erst August der Starke setzte sie im großen Umfang ein. 1719 marschierte anlässlich der Hochzeit seines Sohnes eine eigene Janitscharentruppe als Festgarde auf. In den 1720er-Jahren erhielten nacheinander der polnische König, der russische Zar, der König in Preußen und der Kaiser Karl VI. Janitscharenkapellen. Im Jahre 1725 ließ August der Starke anlässlich der Hochzeit seiner Tochter Augusta Constantia von Cosel mit dem Grafen von Friesen in Pillnitz ein „Türkisches Fest“ veranstalten. Beim Pillnitzer Schaukampf feierte August der Starke im Rückblick seine Teilnahme an der Belagerung von Temeswar während seines Türkenfeldzuges 1696 in Ungarn. Bereits im Juni 1729 befahl er, Soldaten für ein Janitscharenbataillon anzuwerben. Diese sächsischen Janitscharen beteiligten sich selber nicht an Kampfhandlungen, sondern dienten hauptsächlich repräsentativen Zwecken. Im 18. Jahrhundert änderte die osmanische Mode ihren Charakter und wandte sich stärker den zivilen Formen zu, als dies im kriegerischen 16. und 17. Jahrhundert der Fall gewesen war.

    Autor: Matthias Pfaffenbichler, Bildrechteinhaber: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg - Schloss Favorite bei Rastatt

    Fascination of the foreign

    The "Turkish fashion" at the courts of Dresden, Rastatt and Vienna

    Although the Ottoman Empire and Western Europe were in almost constant confrontation in the 16th and 17th centuries, European rulers had developed great admiration for the arts of the Orient. The elaborate art of Islamic ornamentation as well as the rich use of precious stones to adorn the showpieces inspired the European rulers. Diplomatic and political relations between the great European ruling families and a wide variety of Oriental empires resulted in the majority of magnificent Oriental objects. Due to the intensive relations between these two cultural spheres, enough evidence of Islamic art was found in Europe between the 16th and 18th centuries to trigger a "Turkish fashion" in European art. The second half of the 16th century and the entire 17th century saw increasing diplomatic contacts between the High Porte and the Western European centres of power, especially France and the Habsburg Empire. The habit developed of employing painters within these delegations to report on everyday life in İstanbul. These paintings are convincing evidence of the European rulers' interest in Ottoman life and ceremonies. The imperial envoy Ogier Ghislain de Busbecq stayed mainly in İstanbul from 1555 to 1562. The painter Melchior Lorch was also in his entourage. During his stay in the Ottoman Empire, he sketched and painted historical buildings as well as people from the various social classes. Lorch's most important work became a twelve-metre-long view of İstanbul. The imperial ambassador Karel Rijm, who represented the interests of the Habsburgs in İstanbul from 1570 to 1573, was also accompanied by a painter, namely Lambert de Vos. His successor David Ungnad Freiherr zu Sonneck, who stayed in İstanbul as imperial ambassador from 1573 to 1578, also had drawings made of the sultan's court. These depictions of court life in İstanbul must have aroused such great interest in the courts of the Holy Roman Empire of the German Nation that in 1581 Zacharias Wehme created a copy of the pictures for Elector August of Saxony. In this work, the rulers in Vienna and Dresden found information on the way of life and ceremonial acts at the sultan's court as well as on the dress of the Ottomans. Comparable depictions were also produced during the legation of Henry of Liechtenstein to the Ottoman court. This strong interest of the Central European rulers in the Sultan's Court is also documented in the family album of Margrave Ernst Friedrich of Baden-Durlach, in which there are illustrations of people from the Ottoman Empire. Likewise, during the mission of the imperial envoy Hans Ludwig von Kuefstein to the court of Sultan Murad IV in 1628, pictures were taken of receptions and audiences in İstanbul.

    It was not only the Habsburg envoys who satisfied their rulers' interest in Ottoman daily life; the French ambassador Jean de la Hay also travelled to İstanbul in 1642, accompanied by the painter Georges de la Chapelle. His paintings were used as models for depictions of the Ottoman world in much of Central Europe, such as in a series of portraits now in the National Museum of Ptuj in Slovenia . In addition, the French ambassador Charles Marquis de Ferriol employed in his entourage the painter Jean-Baptiste Vanmours, who produced numerous sketches of life there during his stay in İstanbul. Published in 1714 as a series of copper engravings in the Recueil de Cent Estampes, the work contributed significantly to the spread of the Turkish fashion.

    The Habsburg ambassadors at the Ottoman Court, beginning with Siegmund von Herberstein, had to appear at the Sultan's receptions in İstanbul in Ottoman dress according to the rules of Court ceremonial. Many ambassadors, such as Johann Rudolph Schmid Freiherr von Schwarzenhorn and Count Wolfgang IV von Öttingen-Wallerstein, had themselves depicted in oriental dress and thus contributed to the spread of oriental fashion. The European ambassadors in İstanbul not only improved knowledge of everyday life in the Ottoman Empire, they also supplied sophisticated automata and clocks to the Sultan's court. From the middle of the 16th century, the Habsburg emperor was represented at the High Gate by an ambassador, who also had to hand over the annual tributes. The obligation to make gifts of honour existed not only for the emperor, but also for other European and Oriental rulers, for example the king of Poland, the prince of Transylvania, but also for Italian city states such as Venice or Florence. These automata, in the form of "war elephants", "riding Turks" or "dromedaries", also enjoyed growing popularity at the European courts and can be found today in the treasuries of Vienna, Dresden or also of the Esterházy princes in Forchtenstein.

    Fuelled by the images of life in İstanbul, many European courts began an almost playful realisation of oriental influence as early as the 16th century, despite the still existing "Turkish danger". A growing interest of European rulers in the Ottoman Empire also led to the use of oriental and orientalising weapons in exhibition fights and parades. Most of the Ottoman and Orientalising weapons and equipment in the Vienna Court Hunting and Armoury came from the "Türkenkammerl" (Turkish Chamber), which Archduke Ferdinand II had set up at his princely Ambras Palace near Innsbruck. In Dresden, the Türckische Cammer (Turkish Chamber) was established in a stable building, and most of the oriental weapons in the Dresden armoury can be found in its inventory. Margrave August Georg of Baden also set up a "Turkish Chamber" in the Residence Palace in Rastatt from the trophies of his father, Margrave Ludwig Wilhelm of Baden-Baden, and other family members involved in the Turkish Wars.

    However, the Turkish motif was most frequently found in the tournaments and exhibition fights of the early modern period. Already in Emperor Maximilian I's tournament book Freydal, among the costume dances depicted, there are two pictures in which Maximilian's companions are shown wearing grotesque bird masks, once in the costume of "Turkish" janissaries, the other time in Hungarian dress. An early exploration of the Turkish theme includes the various weapons used by Archduke Ferdinand II for his so-called Huszarian Tournaments in Vienna, Prague and Innsbruck. One is well informed about these Huszarian tournaments through the tournament book of Ferdinand of Tyrol. According to this tournament codex, Archduke Ferdinand II took part in such tournaments several times in Prague in 1549. For these tournaments, the archduke had orientalising equipment made. After the Turkish campaign of 1556, Archduke Ferdinand II held a Hussar tournament in Prague for Shrovetide 1557, at which one group was dressed as Christian knights and Hungarians, while the members of the opposing party appeared as "Turks" and "Moors". To disguise themselves, the combatants were equipped with Turkish and Moorish masks, which served as interchangeable visors for the armour hidden under the orientalising costume. These interchangeable visors were chased in the shape of Turkish faces and painted naturalistically with oil paint. At the Huszarian Tournament, the battle of the Huszarian horsemen against the Ottomans was re-enacted. The propagandistic background of these "tournament mummeries" was the depiction of the struggle of the Christian Habsburgs against Islam in Eastern Europe and North Africa. The "Turkish" disguise refers to the danger from the east, which had been steadily increasing since the Battle of Mohács in 1526. This elite Christian troop of hussars fought against the Ottomans on the eastern border of the Habsburg possessions in equipment very similar to that of the heavy Ottoman cavalry, the sipahis. The Huszarian horsemen are armed with balaclava, shield, long spear and sabre. This equipment is supplemented by long Hungarian spurs. For the 1557 Huszaric tournament in Prague, the "Huszaric armour" of Archduke Ferdinand II. Vienna, consisting of a harness with a throat plate for the horse and silver armour. This silver armour demonstrated a high degree of artistic design as well as material expenditure, for all metal parts were originally made of silver. But oriental tournaments did not only take place at the courts of the Austrian Habsburgs. On the occasion of the marriage of Duke August to Anne of Denmark in 1547, Elector Moritz of Saxony had a "Turkish" fortress stormed and set on fire in Torgau. In 1553, on the occasion of Shrovetide, Elector Moritz of Saxony and his brother Duke August organised an oriental tournament between hussars and "Turks" on Dresden's Altmarkt. The programmatic tournaments, which celebrated the coronation of Maximilian II as King of Hungary in 1563, had an obvious political content, showing the role of the Habsburgs in the struggle with the Ottomans. On 15 May 1582, the marriage of Ferdinand II of Tyrol to Anna Caterina Gonzaga was celebrated in Innsbruck. Prints by Sigmund Elsässer document the event. At this wedding there were Hungarian and Moorish tournaments, for which orientalising helmets were made in Innsbruck by the Hofplattnerei. These Hungarian tournaments probably again had as their theme the already familiar theme of "defence against the Turks". Hussar tournaments and 'Turkish battles' were not only popular at the Habsburg courts, but were also present at festive events beyond the region. A variety of orientalising and "Hussar" weapons were commissioned by the rulers to equip the jousting games held in disguise. The anti-Ottoman component, however, is only one of several levels of interpretation. In addition to this explicitly political and propagandistic aspect, there is another that is more romantic and traditional and closely related to the chivalric romance of the 16th century. It is the influence of the romances of chivalry, which were held in particularly high esteem in the 16th century.

    Not only in courtly festivities did Turkish fashion flourish, but centres of arms production in Central Europe such as Augsburg, Nuremberg, Prague and Vienna also followed this trend. Here, so-called "Hungarian Zischäggen" - pointed, open balaclavas - of oriental type were made. Magnificent helmets in the "Hussar style", richly etched and blackened or, more frequently, gilded over the entire surface, were obviously made for two groups of customers - Austrian princes on the eastern border of the empire and high-ranking Hungarian or Polish personalities. One of these objects is the balaclava of the Hungarian-Croatian Count Nicholas IV Zrínyi, which was made together with a sabre in 1562. Another, perhaps the most glorious product of the culture of this border area between the Habsburg and Ottoman empires is the incomplete half-armour of "Hussar form" of Stephan Báthory. Báthory had been Grand Duke of Transylvania since 1571 and King of Poland since 1575. Associated with this half-armour by a unfortunately unknown German master since the first mention of the armour parts is a cischägge, which is a work of the İstanbul court plating workshop and represents one of the highlights of Ottoman armoury. The second group comprises works by European masters for an Oriental clientele.

    How to imagine such a process is impressively demonstrated in the balaclava and cuirass made in Augsburg around 1590 in oriental taste. The Grand Vizier Sinan Paşa specifically requested a suit of armour and handguns for the extension of the 1592 armistice with the Habsburgs. On behalf of the Austrian government, a set of cischägge and cuirass was made for him in Augsburg. Since the armistice of 1592 did not materialise and the Long Turkish War broke out, the gifts intended for Sinan Paşa were never brought to İstanbul. A balaclava similarly crafted in oriental taste and set with precious stones is in the Bavarian National Museum in Munich. The large number of European rulers who were obliged to pay tribute or make gifts of honour to the sultan's court suggests that the number of European armour made for Oriental customers far exceeded the quantity of pieces still in existence today. That this production of armour in the Oriental taste was also not uninteresting for European customers is proven by an armour of the Elector Johann Georg II of Saxony richly set with precious stones in the Roman-Oriental mixed style, which belonged to the collection of the Dresden Armoury and is today in the Philadelphia Museum of Art. Oriental weapons and riding implements were held in high esteem at the courts of the Habsburgs and the Wettins. The production of a "Turkish riding outfit" for Archduke Ferdinand II is probably connected with the tournament celebrations in Vienna in 1560. The style of the harness follows that of Transylvanian goldsmiths, who were strongly influenced by the Ottoman Empire. The Viennese goldsmith Nikolaus Gros created very similar goldsmith's work. A set consisting of a sword and sabre was made by him around 1600 as a gift from the Emperor for Elector Christian II of Saxony, probably on the occasion of Christian's enfeoffment as Duke of Jülich and Cleve. During his stay in Prague in 1610, Elector Christian II also commissioned a set of magnificent weapons. An orientalising set of weapons, composed of an armour piercer, dagger and pallash, as well as a horse with saddle, saddlecloth and riding equipment were presented to Elector Johann Georg I of Saxony in 1617 as a gift from Emperor Matthias. Emperor Matthias's successor, Ferdinand II, also gave Oriental weapons and a mount to his Saxon ally Elector Johann Georg I.

    If the oriental and orientalising weapons served the Central European rulers to play with the fascination of the oriental world, this game was supplemented in the 18th century by military units that were put into Ottoman uniforms. As early as 1699, at the celebrations of the Treaty of Karlowitz in Vienna, one finds a Janissary band that made a great impression here. One of the most passionate supporters of the Turkish fashion was the Saxon Elector and Polish King August the Strong. He had personally taken part in two campaigns against the Ottomans in 1695 and 1696. In 1715 he had his first "Turkish Festival" celebrated in Warsaw. The appearance of Janissaries at courtly festivities had a long tradition in Dresden. But it was not until Augustus the Strong that they were used on a large scale. In 1719, on the occasion of his son's wedding, his own janissary troupe marched as a festive guard. In the 1720s, the Polish king, the Russian tsar, the king of Prussia and Emperor Charles VI were successively given janissary bands. In 1725 Augustus the Strong had a "Turkish Festival" organised in Pillnitz on the occasion of the wedding of his daughter Augusta Constantia von Cosel to the Count of Friesen. At the Pillnitz display, Augustus the Strong celebrated in retrospect his participation in the siege of Timisoara during his Turkish campaign in Hungary in 1696. As early as June 1729, he ordered soldiers to be recruited for a Janissary battalion. These Saxon Janissaries did not take part in combat themselves, but mainly served representative purposes. In the 18th century, Ottoman fashion changed its character and turned more towards civilian forms than had been the case in the warlike 16th and 17th centuries.

    Author: Matthias Pfaffenbichler, Image copyright holder: State Palaces and Gardens of Baden-Württemberg - Favorite Palace near Rastatt

  • Zwei Orientalinnen / Two Oriental Women

    Zwei Orientalinnen / Two Oriental Women

    Zwei Orientalinnen

    Öl auf Leinwand; H. 209 cm, B. 138 cm, T. 5 cm (o. R.), H. 220 cm, B. 149 cm, T. 7,2 cm (m. R.); Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Schloss Rastatt Inv. G 7626 – Wien (?) um 1680, Hermann Verelst (?)

    Das Gemälde Zwei Orientalinnen gehört zu einer Serie von insgesamt vier ganzfigurigen Portraits (G 7625, G 7627, G 7628) aus Schloss Rastatt und wird dem niederländischen Portrait- und Stilllebenmaler Herman Verelst (vor 1683 in Wien tätig) zugeschrieben. Der Überlieferung nach zeigen die vier Gemälde „Kurtisanen aus der Zeit des Türkenlouis“, von Gerda Kircher auch als „Wiener Hofdamen“ bezeichnet. Ihre Kleidung sowie Mohrenknaben oder Dienerin verweisen auf ihre orientalische Herkunft.

    Dargestellt sind zwei Frauen in einem Innenraum. Die zentrale Figur trägt ein weißes, nahezu durchsichtiges Untergewand, das lose im Dekolleté gerafft ist, darüber einen mit roten Ornamenten verzierten hellen Seidenmantel, der mit braunem Pelz gefüttert ist. Ihre dunklen Haare umspielen in Locken das blasse Gesicht, eine lange gedrehte Locke fällt über die linke Schulter. Der Kopf ist reich mit Tüchern und Perlenschnüren geschmückt. Die rechte Hand ruht auf einem Tisch, auf dem ein Schmuckkästchen steht. Die linke Hand ist gesenkt und zieht den Mantel vor dem Körper zusammen, unter dem Saum ist ein spitzer Schuh zu erkennen. Im Hintergrund naht rechts eine Dienerin mit Turban, über ihren linken Arm hat sie Kleidungstücke gelegt.

    Um diese Gemälde, die sich seit dem 18. Jahrhundert in den Schlossinventaren nachweisen lassen, rankten sich wohl bald Gerüchte, die auch den Schriftsteller Alexandre Dumas bei seinem Besuch in Schloss Rastatt beeindruckten: „Ein dritter Raum enthält eine nicht minder merkwürdige Trophäe: Es sind vier Bildnisse in natürlicher Größe von den vier Frauen des Paschas, die der Sieger gefangen nach Rastatt verbracht hat. Man versichert, die Markgräfin habe diesen Teil der Beute am allerwenigsten zu schätzen gewusst“ (aus: Eine Reise an die Ufer des Rheins, 1838). Bei den dargestellten Frauen soll es sich um sog. „Kammer- oder Beutetürken“ gehandelt haben, die Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden von seinen Kriegszügen im Auftrag des Kaisers mitgebracht hatte. Rund 600 Personen osmanischer Herkunft, davon rund 150 Frauen, wurden bisher in den deutschen Territorien nachgewiesen. Sie schmückten, möglichst exotisch gekleidet, die Höfe vor allem süddeutscher Fürsten und führten hier ein Leben als „Hofmohren“, Lakaien und Mätressen oder wurden als ausgefallene Geschenke „weitergereicht“. Durch Konversion zum Katholizismus und Heirat mit Angehörigen des deutschen Mittelstandes gelang in vielen Fällen eine Integration der „Beutetürken“ und „-türkinnen“ in die frühneuzeitliche Gesellschaft. Unter diesen Frauen soll angeblich auch Fatme, Tochter eines türkischen Paşas, gewesen sein; 1686 sei sie unter Markgraf Hermann von Baden-Baden, dem Onkel des Türkenlouis, in Gefangenschaft geraten und später – getauft als Augusta Marianna Cölestine – an Markgraf Ludwig Wilhelm abgetreten worden. Ludwig Wilhelm soll sie wiederum an den kaiserlichen Feldmarschall und Kriegsgefährten Friedrich Magnus Graf zu Castell-Remlingen weitergegeben haben. Belegt ist, dass Fatme zunächst seine Mätresse und dann ab 1714 seine zweite Ehefrau war. Ob die hier dargestellte Orientalin mit der besagten Fatme identisch ist, lässt sich nicht belegen. Dennoch verweist das Sujet des Gemäldes durchaus auf eine Kurtisane, die sich augenscheinlich gerade ankleidet und sich dem Betrachter freizügiger präsentiert als eine seriöse Dame von Stand. Die kostbaren Stoffe und Juwelen lassen erahnen, dass ihr Gönner eine gewisse gesellschaftliche Stellung und entsprechendes Vermögen besaß. Das Gemälde könnte somit durchaus eine Beutetürkin am Wiener, später Rastatter Hof zeigen oder spielt zumindest mit der Faszination des Barocks für „exotische“ Frauen.

    Autorin: Petra Pechaček, Bildrechteinhaber: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg - Schloss Favorite bei Rastatt

    Two Oriental Women

    Oil on canvas; h. 209 cm, w. 138 cm, d. 5 cm (o. r.), h. 220 cm, w. 149 cm, d. 7,2 cm (m. r.); State Palaces and Gardens Baden-Württemberg, Rastatt Palace Inv. G 7626 - Vienna (?) c. 1680, Hermann Verelst (?)

    The painting Two Oriental Women belongs to a series of four full-length portraits (G 7625, G 7627, G 7628) from Rastatt Palace and is attributed to the Dutch portrait and still life painter Herman Verelst (active in Vienna before 1683). According to tradition, the four paintings show "courtesans from the time of the Turkish Louis", also called "Viennese court ladies" by Gerda Kircher. Their clothing as well as Moorish boys or servants refer to their oriental origins.

    Two women are depicted in an interior room. The central figure wears a white, almost transparent undergarment, loosely gathered at the décolleté, over which is a light silk cloak decorated with red ornaments and lined with brown fur. Her dark hair swirls in curls around her pale face, one long twisted curl falling over her left shoulder. The head is richly adorned with scarves and strings of beads. The right hand rests on a table on which a jewellery box stands. The left hand is lowered and pulls the cloak together in front of the body, a pointed shoe can be seen under the hem. In the background, a servant with a turban is approaching on the right, she has placed pieces of clothing over her left arm.

    These paintings, which can be traced in the palace inventories from the 18th century onwards, were soon the subject of rumours, which also impressed the writer Alexandre Dumas during his visit to Rastatt Palace: "A third room contains a no less strange trophy: there are four life-size portraits of the four wives of the Pasha, whom the victor brought captive to Rastatt. One assures that the margravine appreciated this part of the booty least of all" (from: A Journey to the Banks of the Rhine, 1838). The women depicted are said to have been so-called "chamber or booty Turks", brought back by Margrave Ludwig Wilhelm of Baden-Baden from his war campaigns on behalf of the Emperor. Around 600 persons of Ottoman origin, about 150 of them women, have so far been recorded in the German territories. Dressed as exotically as possible, they adorned the courts of mainly southern German princes and led a life here as "court moles", lackeys and mistresses or were "passed on" as fancy gifts. By converting to Catholicism and marrying members of the German middle class, the "Beutetürks" and "-türkinnen" were in many cases successfully integrated into early modern society. Fatme, daughter of a Turkish Paşas, is said to have been among these women; in 1686 she was imprisoned under Margrave Hermann of Baden-Baden, the uncle of the Turk Louis, and later - baptised as Augusta Marianna Cölestine - was ceded to Margrave Ludwig Wilhelm. Ludwig Wilhelm is said to have passed her on in turn to the imperial field marshal and war companion Friedrich Magnus Graf zu Castell-Remlingen. It is documented that Fatme was first his mistress and then, from 1714, his second wife. Whether the Oriental woman depicted here is identical with the aforementioned Fatme cannot be proven. Nevertheless, the subject of the painting certainly points to a courtesan who is apparently dressing and presenting herself to the viewer more freely than a respectable lady of rank. The precious fabrics and jewels suggest that her patron possessed a certain social position and corresponding wealth. The painting could thus well show a booty-girl at the Viennese, later Rastatt court, or at least plays on the Baroque fascination with "exotic" women.

    Author: Petra Pechaček, copyright holder: State Palaces and Gardens of Baden-Württemberg - Favorite Palace near Rastatt

  • Reitzeug, Sattel und Steigbügel / Riding equipment, saddle and stirrups

    Reitzeug, Sattel und Steigbügel / Riding equipment, saddle and stirrups

    Ein geschenkter Araber und seine kostbare Ausstattung

    Geschenk des Khans der Krimtataren Qaplan Girai an August den Starken

    Inventar der Neuen Inventionskammer von 1720, fol. 22ff, Nr. 14

    Reitzeug

    Riemen: Leder, Beschläge: Silber gegossen, vergoldet; Trense: Eisen geschmiedet; Führzügel: Seide gewebt; auf Brustrosette und Riemenzungen Stichelproben und der Name Ahmed sowie drei Punkte; Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Rüstkammer Inv. L 0138 – osmanisch oder tatarisch, zwischen 1703 und 1714

    Sattel mit Sattelgurt

    Sattelbaum: Holz, mit Leder und Seidensamt bezogen, Silberstickerei auf Pergamentgrund, eingelegte Korallen; H. 59,5 cm, B. 45 cm, L. 47 cm, Gew. 6060 g;

    Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Rüstkammer Inv. L 0192a – osmanisch, vor 1714

    Paar Steigbügel

    Silber getrieben, geschnitten, graviert und poliert; Riemen: Seide geflochten, mit Leder umnäht; Trittfläche: 22,1 x 12,8 bzw. 22,0 x 12,5 cm; H. (ohne Steigriemen) ca. 17 cm; Gesamtgewicht 1727 g; auf den Querstegen Stichelproben und auf Seitenflächen sowie Ösen die eingeschlagene tuǧra Sultan Ahmeds III.;

    Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Rüstkammer Inv. L 0316 – osmanisch, zwischen 1703 und 1714

    Im Verlauf des Nordischen Krieges intensivierte August der Starke seine diplomatischen Beziehungen zu den Osmanen und den Krimtataren. Er entsandte mehrere Abordnungen an die Höfe des Sultans in İstanbul bzw. des Khans der Krimtataren in Bachtschyssaraj und empfing andererseits deren Gesandtschaften in Warschau bzw. Rydzyna. Vom November 1712 bis Ende April 1714 weilte einer seiner persönlichen Vertrauten, Johann Georg Spiegel, zusammen mit einer sächsisch-polnischen Gesandtschaft in Edirne und İstanbul, wo dieser im Auftrag Augusts des Starken umfangreiche Ankäufe tätigte und hinter den Kulissen auch diplomatisch aktiv war. Im Sommer 1714 begleitete Spiegel eine neuerliche osmanisch-tatarische Gesandtschaft unter Leitung des Schatzmeisters des Tataren-Khans Qaplan Girai zurück nach Polen, wo es vom 8. August bis zum 14. September im westpolnischen Rydzyna zu Verhandlungen kam. Während über die diplomatischen Gespräche umfangreiche Akten erhalten geblieben sind, lässt sich das Geschenk des Khans der Krimtataren an August den Starken lediglich anhand der „Specification Dererjenigen Türckisch- und Tartarischen Sättel mit darzu gehörigen Decken und zeugen, auch anders mehr, so Ihro Königl. Mayth. in Pohlen und Churf. Durchlt. zu Sachßen von den Tartar-Cham zum Praesent übersendet, und durch dieselbigen beyden Abgesandten in Reußen, den 9.ten Augt. 1714 übergeben worden“ rekonstruieren. Demnach bestand es aus einem Pferd, vier Sätteln mit Steigbügeln und teils bemalten, ledernen Sattelblättern, sechs Schabracken bzw. Satteldecken, zwei Reitzeugen und einem Säbel. Ob der Gesandte darüber hinaus auch noch andere Präsente für den polnischen König mitbrachte, die aber nicht in die Dresdner Rüstkammer gelangten, konnte bisher nicht nachgewiesen werden.

    Bis heute erhalten haben sich von diesem Geschenk der Säbel mit Scheide, zwei Sättel mit einem Paar Sattelblättern, einem Paar massiv silbernen und einem Paar eisernen Steigbügeln sowie eines der Reitzeuge bestehend aus Kopfgestell, Trense, Nasenband, Führzügel und Brustriemen. Die aus massivem Silber gefertigten Kastensteigbügel tragen mehrfach die eingeschlagene tuǧra von Sultan Ahmed III. Während für die Steigbügel folglich belegt ist, dass sie zwischen dem 22. August 1703 und Ende April 1714 hergestellt wurden, kann dies für das Reitzeug nur vermutet werden. Auf der Brustrosette und auf den Riemenzungen befindet sich mehrfach in einer tuǧra-förmigen Einfassung der Name Ahmed mit drei Punkten. Vermutlich ist auch damit Sultan Ahmed III. gemeint. Allerdings konnte bisher nicht geklärt werden, ob diese untypische Marke ein Hinweis darauf sein könnte, dass es sich nicht um eine osmanische, sondern eine tatarische Arbeit handelt.

    Autor: Holger Schuckelt, Bildrechteinhaber: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Rüstkammer

    A donated Arab and its precious furnishings

    Gift of the Khan of the Crimean Tatars Qaplan Girai to August the Strong

    Inventory of the New Invention Chamber of 1720, fol. 22ff, no. 14

    Riding gear

    Straps: Leather, fittings: Silver cast, gilt; bridle: iron forged; bridle reins: silk woven; on breast rosette and strap tongues engravings and the name Ahmed as well as three dots; Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Rüstkammer Inv. L 0138 - Ottoman or Tatar, between 1703 and 1714

    Saddle with girth

    Saddle tree: wood, covered with leather and silk velvet, silver embroidery on a parchment ground, inlaid corals; h. 59.5 cm, w. 45 cm, l. 47 cm, weight 6060 g;

    Dresden, State Art Collections, Armoury Inv. L 0192a - Ottoman, before 1714

    Pair of stirrups

    Silver chased, cut, engraved and polished; strap: Silk braided, sewn around with leather; tread: 22.1 x 12.8 and 22.0 x 12.5 cm, respectively; h. (without stirrup strap) ca. 17 cm; total weight 1727 g; on the crosspieces engraved samples and on the sides as well as eyelets the stamped tuǧra of Sultan Ahmed III;

    Dresden, State Art Collections, Armoury Inv. L 0316 - Ottoman, between 1703 and 1714.

    In the course of the Northern War, Augustus the Strong intensified his diplomatic relations with the Ottomans and the Crimean Tatars. He sent several delegations to the courts of the Sultan in İstanbul and the Khan of the Crimean Tatars in Bakhchysaraj and received their legations in Warsaw and Rydzyna. From November 1712 to the end of April 1714, one of his personal confidants, Johann Georg Spiegel, stayed with a Saxon-Polish legation in Edirne and İstanbul, where he made extensive purchases on behalf of Augustus the Strong and was also diplomatically active behind the scenes. In the summer of 1714, Spiegel accompanied a new Ottoman-Tatar legation led by the treasurer of the Tartar Khan Qaplan Girai back to Poland, where negotiations took place from 8 August to 14 September in Rydzyna in western Poland. While extensive files on the diplomatic talks have been preserved, the gift from the Khan of the Crimean Tatars to Augustus the Strong can only be reconstructed on the basis of the "Specification of those Turkish and Tartar saddles with their blankets and other items, which were sent by the Tartar-Cham to His Royal Majesty in Poland and the Elector of Saxony for presentation, and were handed over by the same two envoys in Prussia on 9 August 1714". 1714". According to this, it consisted of a horse, four saddles with stirrups and partly painted leather saddle leaves, six saddle cloths or saddle covers, two riding implements and a sabre. Whether the envoy also brought other gifts for the Polish king, which did not end up in the Dresden armoury, has not yet been proven.

    The sabre with scabbard, two saddles with a pair of saddle leaves, a pair of solid silver stirrups and a pair of iron stirrups, as well as one of the riding implements consisting of headgear, snaffle, noseband, lead rein and saddle strap have survived from this gift to this day. The solid silver box stirrups bear the engraved tuǧra of Sultan Ahmed III on several occasions. While there is evidence that the stirrups were made between 22 August 1703 and the end of April 1714, this can only be assumed for the harness. The name Ahmed with three dots can be found several times on the breast rosette and on the strap tongues in a tuǧra-shaped border. Presumably this also refers to Sultan Ahmed III. However, it has not yet been possible to clarify whether this atypical stamp could be an indication that this is not an Ottoman but a Tatar work.

    Author: Holger Schuckelt, Image copyright holder: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Rüstkammer

  • Prunkschild / Splendour shield

    Prunkschild / Splendour shield

    Mit Glas besetzt, dem Fürsten zur Zier – ein Schild für die Jahrhunderte

    Silberblech, Messing, versilbert, vergoldet, graviert, ziseliert, Samt, Glassteine, gefasst; T. 10 cm, Dm. 53 cm; Burg Forchtenstein, Esterházy Privatstiftung Inv. K 19/1 – 2. Hälfte 17. Jahrhundert

    Von besonders hoher Symbolkraft und Bedeutung im fürstlichen Sammlungs-Kosmos sind die historischen Schilde aller Art. Es ist Fürst Paul I. Esterházy, der den grundsätzlich militärischen Objekttypus des Schildes zum Instrument fürstlicher Repräsentation machte und ihn im gleichen Zuge als historischen Beleg, sozusagen als Zeugen der Geschichte instrumentalisierte. So finden sich in den Beständen der Schatzkammer auch archaisch dekorierte Tartschen, eine Schildform aus dem 14. Jahrhundert, die auf die lange Kriegsgeschichte der Familie Esterházy auf dem Balkan verweisen sollen. Die Schilde, in Wirklichkeit Replikate, die im 17. Jahrhundert vom Fürsten in Auftrag gegeben worden waren, finden sich auch, geführt und getragen von erdachten Vorfahren, auf zahlreichen barocken Ahnenportraits in der Burg Forchtenstein wieder. Der Fürst vermittelte damit eine Botschaft: Die Familie Esterházy kämpft seit Jahrhunderten auf den Schlachtfeldern des Balkan für die Freiheit des Landes und für den „rechten“ Glauben und wird auch in Zukunft ein politischer Faktor sein, mit dem man wird rechnen müssen. Fürst Paul I. Esterházy bewährte sich, wie zuvor schon sein Bruder Ladislaus und sein Vater Palatin Nikolaus Esterházy, tatsächlich über Jahrzehnte im Kampf gegen die drohenden osmanischen Heerscharen, die immer wieder in Wellen über die Donauländer rollten. Die Auseinandersetzung mit den „Türken“, wie sie damals gemeinhin genannt wurden, prägte im Donauraum und in den Tiefebenen Pannoniens über Jahrhunderte auf existenzielle Weise den Alltag der Menschen. Aus der Sicht der ungarischen Magnaten forderte sie viel kriegerisches und diplomatisches Geschick und Weitblick über viele Jahre hinaus.

    Der vorliegende Rundschild entspricht dem osmanischen Typus des kalkan. Seine handwerkliche Ausführung und sein applizierter Dekor weisen zweifelsfrei darauf hin, dass er zur Repräsentation, möglicherweise als prächtiges Geschenk gedacht war und somit keinesfalls auf dem Schlachtfeld zum Einsatz kam. Vermutlich wurde er in Anlehnung an osmanische Handwerkstechniken und Vorstellungen von Stil und Art orientalischen Dekors im Ungarn des 17. Jahrhunderts gefertigt. Insbesondere in den Handwerkszentren Siebenbürgens entstanden damals zahlreiche Kunstobjekte dieser Art. Es gehörte durchaus zur Etikette der Zeit, als ungarischer Aristokrat bei festlichen Anlässen in Kostümen zu erscheinen, welche die herrschaftliche Mode alter Zeiten nachahmten. Dieser Prunkschild könnte auch Bestandteil eines solchen Kostüms gewesen sein. Wir wissen, dass Vertreter der Familie Esterházy noch bei der Wende zum 20. Jahrhundert in symbolkräftiger ungarischer Magnaten-Tracht repräsentative Anlässe wahrnahmen, wobei sie dabei nicht davor zurückscheuten, auch Original-Objekte aus ihrer Schatzkammer zu verwenden.

    Der Schild ist auf seiner Rückseite mit dem ursprünglichen roten Samt ausgefüttert und mit einem Kissen für den Handrücken und Griffschlaufen versehen. Die Ansichtsseite des Prunkschildes besteht aus einer versilberten Messingoberfläche, die mit vergoldeten Blumenmotiven osmanischen Stils verziert ist. Der Schildbuckel selbst ist mit einem in ebenso vergoldetem Messing ausgeführten Blumenkranz ausgestattet, in dessen Zentrum eine zentrale Blüte platziert ist. Der Schild ist darüber hinaus mit zahlreichen gefassten Glassteinen unterschiedlicher Farben besetzt, die entweder auf den einzelnen floralen, umlaufenden Dekorelementen angebracht oder auf den zahlreichen sechszackigen, vergoldeten Messingsternen direkt montiert sind.

    Zwei beinahe identische Schilde aus der Esterházy-Schatzkammer auf Burg Forchtenstein, diese allerdings am Buckel mit dem Greif, dem Wappentier der Esterházy, verziert, wurden nach dem Ersten Weltkrieg nach Ungarn verbracht und befinden sich heute im Kunstgewerbemuseum in Budapest.

    Autor: Florian T. Bayer, Bildrechteinhaber: Forchtenstein, Privatstiftung Esterházy

    Set with glass, an ornament for the prince - a shield for the centuries

    Silver plate, brass, silver-plated, gilded, engraved, chased, velvet, glass stones, set; d. 10 cm, dm. 53 cm; Forchtenstein Castle, Esterházy Private Foundation Inv. K 19/1 - 2nd half 17th century

    The historical shields of all kinds are of particularly high symbolic power and significance in the princely collection cosmos. It was Prince Paul I Esterházy who turned the basically military object type of the shield into an instrument of princely representation and at the same time instrumentalised it as historical evidence, as a witness to history, so to speak. Thus, the treasury's holdings also include archaically decorated Tartschen, a shield form from the 14th century, which are supposed to refer to the Esterházy family's long history of warfare in the Balkans. The shields, in reality replicas commissioned by the Prince in the 17th century, can also be found, led and carried by imagined ancestors, on numerous Baroque ancestral portraits in Forchtenstein Castle. The Prince thus conveyed a message: the Esterházy family has been fighting for centuries on the battlefields of the Balkans for the freedom of the country and for the "right" faith, and will continue to be a political factor to be reckoned with in the future. Prince Paul I Esterházy, like his brother Ladislaus and his father Palatine Nicholas Esterházy before him, actually proved himself for decades in the fight against the threatening Ottoman hosts that repeatedly rolled in waves across the Danubian lands. The confrontation with the "Turks", as they were commonly called at the time, shaped the everyday life of the people in the Danube region and in the lowlands of Pannonia in an existential way for centuries. From the point of view of the Hungarian magnates, it demanded a great deal of martial and diplomatic skill and foresight over many years.

    The present round shield corresponds to the Ottoman type of kalkan. Its craftsmanship and applied decoration undoubtedly indicate that it was intended for representational purposes, possibly as a splendid gift, and was therefore by no means used on the battlefield. It was probably made in 17th century Hungary, following Ottoman craft techniques and ideas about the style and nature of oriental decoration. Especially in the craft centres of Transylvania, numerous art objects of this kind were produced at that time. It was quite part of the etiquette of the time for a Hungarian aristocrat to appear at festive occasions in costumes that imitated the stately fashion of old. This shield of splendour could also have been part of such a costume. We know that representatives of the Esterházy family still attended representative occasions at the turn of the 20th century in symbolic Hungarian magnate costume, and they did not shy away from using original objects from their treasury.

    The back of the shield is lined with the original red velvet and has a cushion for the back of the hand and handle loops. The view side of the shield is made of a silver-plated brass surface decorated with gilded floral motifs of Ottoman style. The shield boss itself is equipped with a floral wreath executed in equally gilded brass, in the centre of which a central flower is placed. The shield is also set with numerous set glass stones of different colours, which are either attached to the individual floral, surrounding decorative elements or mounted directly on the numerous six-pointed, gilded brass stars.

    Two almost identical shields from the Esterházy treasury at Forchtenstein Castle, but this one decorated on the hump with the griffin, the heraldic animal of the Esterházy family, were taken to Hungary after the First World War and are now in the Museum of Decorative Arts in Budapest.

    Author: Florian T. Bayer, copyright holder: Forchtenstein, Esterházy Private Foundation

  • Tischprunkuhr / Table clock

    Tischprunkuhr / Table clock

    Als Türkenverehrung gedacht, dem Palatin zur Pracht

    Holzkorpus, darauf geleimt bemalte feuervergoldete Silberfolie, Bergkristall, Edelsteine, farbige Schmucksteine, Pergament hinter Glas, Kupfer und Messing teilweise feuervergoldet, Eisen teilweise gebläut; H. 58,5 cm, B. 57,5 cm, T. 22 cm; Eisenstadt, Privatsammlung Esterházy Inv. K 327 – Augsburg, zwischen 1676 und 1683, Meister: David Buschmann

    Die Tischprunkuhr besticht auf den ersten Blick durch ihren auffallenden Dekor, besonders den orientalisch anmutenden Ornamenten, sowie durch die auf den Giebeln aufgesetzten kleinen Sträußchen aus zahlreichen bunten Blumen. Architektonisch bemerkenswert konstruiert, ist die Uhr mit zahlreichen Schmucksteinen reich besetzt und größtenteils mit feuervergoldeten Silberfolien ausgekleidet. Die verbliebenen Flächen zwischen den vier Bergkristallsäulen sind in den Seitenpartien mit Malereien von Blumenstillleben gestaltet, die ein außergewöhnliches Zifferblatt in ihrer Mitte flankieren. Dieses ist mit arabisch-osmanischen Kardinalzahlen ausgestattet, deutet also darauf hin, dass diese kostbar ausgeführte Tischprunkuhr als Geschenk für einen osmanischen Würdenträger bestimmt gewesen sein könnte, zumindest aber für den osmanischen Raum als Handelsware vorgesehen war.

    Die Uhr wird von der Zifferblattseite her aufgezogen. Das Gehwerk hat eine Spindelhemmung mit festverbundenem Pendel (Zappler) vor dem Zifferblatt. Die Signatur „David Buschmann“ befindet sich auf der Rückplatine.

    Ungesicherten archivalischen Quellen zufolge wurde diese Uhr in Venedig, einem der maßgeblichen Umschlagplätze für den Handel mit dem Orient, für den osmanischen Markt angeboten. Nicht auszuschließen ist, dass die Tischprunkuhr als kaiserliches Anerkennungsgeschenk aus einer Türkenbeute in den Familienbesitz der Esterházy gelangt sein, also nach einem bemerkenswerten Weg von Augsburg über Venedig, Konstantinopel und Wien schließlich in der Schatzkammer auf Burg Forchtenstein ihren endgültigen Aufbewahrungsort gefunden haben könnte. Dieser Umstand ist nicht zuletzt aufgrund der Filigranität und Verletzlichkeit der Tischprunkuhr als Ganzes – allen voran der empfindlichen Oberflächen – äußerst bemerkenswert, war doch ein Transport in der damaligen Zeit weitaus kritischer als heute.

    Die Tischuhr wird erstmals einwandfrei identifizierbar im Schatzkammerinventar von 1700 erwähnt: „Item ein auff 5 christallener Stelle gestellte mit Unterschiedlichen gsteinen gezierte, auff ein altar form gemachte Tisch uhr“. Im Folgeinventar von 1725 lässt sich die Spur weiterverfolgen: „Hier ist eine altarförmige Kristalluhr – geschmückt mit wertvollen Steinen und vier Kristallsäulen“. Im Inventar von 1768 über die Verbringung von Schatzkammergegenständen nach Schloss Eszterházy in Fertöd, der damaligen Hauptresidenz der Fürsten Esterházy, ist dieses Stück ebenfalls aufgelistet. Einige Jahre später, bei der Rückführung, wird ihr Zustand bereits „als völlig aus dem Leim gegangen“ beschrieben. Die Uhr dürfte aus diesem Grund nach dem Ersten Weltkrieg nicht in das Kunstgewerbemuseum nach Budapest verbracht worden sein – ein Schicksal, das auch vielen anderen bedeutenden Kunstkammerstücken der Esterházy-Schatzkammer nicht erspart bleiben sollte. Im Jahr 2001 wurde die Uhr an der Universität für Angewandte Kunst in Wien restauriert und wieder gangbar gemacht. 2014 erfolgte, ebenfalls in Wien, eine weitere, in Handwerk und Forschung neuesten Erkenntnissen folgende Restaurierung.

    Eine sehr ähnliche Uhr von David Buschmann befindet sich im Maximilianmuseum in Augsburg, eine weitere, diesmal mit Schildpatt belegt, in der Münchner Residenz. Von Buschmann, der eine große Begabung hatte, in prachtvollen Gehäusen mannigfaltige Zeitangaben einzubauen, sind zahlreiche Uhren bis heute erhalten. In seiner Kunst-, Gewerb- und Handwerks-Geschichte der Reichs-Stadt Augsburg schrieb Paul von Stetten 1779: „einige Instrumente, die er (Johann I) mit seinem Sohn David Buschmann gemacht hatte, wurden in Kunstkammern großer Herren aufgestellt“.

    Autor: Florian T. Bayer, Bildrechteinhaber: Forchtenstein, Privatstiftung Esterházy

    Intended as worship of the Turks, to the Palatine for splendour

    Wooden corpus, on it glued painted fire-gilt silver foil, rock crystal, precious stones, coloured gemstones, parchment behind glass, copper and brass partly fire-gilt, iron partly blued; h. 58.5 cm, w. 57.5 cm, d. 22 cm; Eisenstadt, Private Collection Esterházy Inv. K 327 - Augsburg, between 1676 and 1683, Master: David Buschmann

    At first glance, this table clock captivates with its striking decoration, especially the oriental-like ornaments, as well as the small bouquets of numerous colourful flowers placed on the pediments. Architecturally remarkably constructed, the clock is richly decorated with numerous jewels and mostly lined with fire-gilded silver foils. The remaining areas between the four rock crystal columns are decorated with paintings of floral still lifes in the side sections, which flank an extraordinary dial in their centre. The dial is decorated with Arabic-Ottoman cardinal numerals, suggesting that this sumptuously executed table clock may have been intended as a gift for an Ottoman dignitary, or at least as a commercial item for the Ottoman region.

    The clock is wound from the dial side. The movement has a verge escapement with a fixed pendulum (Zappler) in front of the dial. The signature "David Buschmann" is on the back plate.

    According to unconfirmed archival sources, this clock was offered to the Ottoman market in Venice, one of the most important centres for trade with the Orient. It cannot be ruled out that the table clock came into the possession of the Esterházy family as an imperial gift of recognition from a Turkish booty, i.e. that after a remarkable journey from Augsburg via Venice, Constantinople and Vienna it finally found its final place of safekeeping in the treasury at Forchtenstein Castle. This circumstance is extremely remarkable, not least because of the filigree and vulnerability of the table clock as a whole - above all the delicate surfaces - since transport in those days was far more critical than it is today.

    The table clock is mentioned for the first time in the Treasury inventory of 1700: "Item ein auff 5 christallener Stelle gestellte mit unterschiedlichlichen gsteinen gezierte, auff ein altar form gemachte Tisch uhr". In the subsequent inventory of 1725, the trace can be followed up: "Here is an altar-shaped crystal clock - decorated with valuable stones and four crystal columns". This piece is also listed in the 1768 inventory on the transfer of treasury objects to Eszterházy Castle in Fertöd, the main residence of the Esterházy princes at the time. A few years later, when it was returned, its condition was already described as "completely out of glue". For this reason, the clock was probably not taken to the Museum of Decorative Arts in Budapest after the First World War - a fate that many other important pieces in the Esterházy treasury were not to be spared. In 2001, the clock was restored at the University of Applied Arts in Vienna and made operable again. In 2014, another restoration was carried out, also in Vienna, following the latest findings in craftsmanship and research.

    A very similar clock by David Buschmann is in the Maximilian Museum in Augsburg, and another, this time covered with tortoise shell, in the Munich Residenz. Numerous clocks by Buschmann, who had a great talent for incorporating manifold time indications in magnificent cases, have survived to this day. In his Kunst-, Gewerb- und Handwerks-Geschichte der Reichs-Stadt Augsburg (History of the Arts, Crafts and Trades of the Imperial City of Augsburg), Paul von Stetten wrote in 1779: "some instruments that he (Johann I) had made with his son David Buschmann were placed in the art chambers of great lords".

    Author: Florian T. Bayer, copyright holder: Forchtenstein, Privatstiftung Esterházy

  • Kupferstich des Johann Rudolf Schmid / Engraving by Johann Rudolf Schmid

    Kupferstich des Johann Rudolf Schmid / Engraving by Johann Rudolf Schmid

    Im Auftrag Seiner Majestät

    Johann Rudolf Schmid, Botschafter des Wiener Hofs in Konstantinopel

    Papier, Kupferstich; H. 398 mm, B. 506 mm (rundum beschnitten); Budapest, Magyar Nemzeti Múzeum, Történelmi Képcsarnok (Ungarisches Nationalmuseum, Historische Bildergalerie) Inv. 9733 – Elias Widemann 1651, nach einem Ölgemälde von Jeronimus Joachims

    Bezeichnet: Illustrissimo atq. Excellentissimo Domino Dno Ioanni Rudolpho Schmid Libero Baroni a Schwartzenhorn, Domino ad S. Margaritam prope Viennam et in Nicolstorff. Sac.ae Caes.ae Mai.tis Consiliario Bellico, Sylvarum per inferiorem Austriam Praefecto supremo et ad Portam Ottomannicam Oratori solenni.

    Am Wappen: Iunctum aquilae mirare draconem 1651

    Signatur unten: J. Joachims pinxit – Humillime dicat et offert Elias Widenman Calcogr. Viennae

    Der Stich zeigt den aus der Schweiz stammenden Johann Rudolf Schmid von Schwarzenhorn, der für die Habsburgermonarchie als Diplomat tätig war. Als junger Mann war er von den Osmanen in Ungarn gefangen genommen worden. Dort erlernte er die osmanische Sprache und wurde nach seiner Befreiung am Wiener Hof tätig. Zwischen 1629 und 1643 war er ständiger Abgesandter (residens) in Konstantinopel an der Hohen Pforte. 1649 wurde er Unterhändler und Berichterstatter im höfischen Militärrat. Den Höhepunkt seiner Karriere erreichte er 1650/51, als er den Kaiser und König von Ungarn, Ferdinand III., als Großbotschafter vertrat. Im Oktober 1650 reiste er mit 13 Schiffen und 150 Begleitern nach Konstantinopel ab, um dem Sultan den vom Monarchen unterzeichneten Friedensvertrag zu überbringen. Mehmed IV., der noch ein Kind war, empfing Schmid am 31. Januar 1651. Außer dem Friedensvertrag wurden dem Sultan auch kostbare Textilien und kunstvolle Metallobjekte als Geschenke übergeben. Nach der Erfüllung seiner Aufgabe kehrte der Botschafter im Mai 1651 nach Wien zurück, wo er mit großem Beifall willkommen geheißen wurde. Der niederländische Maler Jeronimus Joachims wurde noch 1651 beauftragt, ein Porträt Schmids als dauerhaftes Denkmal der erfolgreichen Mission und natürlich auch der Person des Botschafters zu schaffen. Das auf einer Kupferplatte gemalte Ölbild befindet sich nun in der Sammlung in Liechtenstein (Sammlungen des regierenden Fürsten von Liechtenstein, Schloss Vaduz Inv. 1007). Die Jahresangabe im Spruchband um den Schildhalter des Wappens zeigt, dass der große Kupferstich nach diesem Gemälde noch im selben Jahr 1651 durch den in Wien arbeitenden Kupferstecher Elias Widemann aus Augsburg entstanden ist. Reproduzierbare Porträt-Stiche spielten eine große Rolle sowohl bei der Förderung der eigenen Selbstdarstellung als auch bei der Befriedigung des wachsenden Publikumsinteresses. Der Stich folgt Joachims Gemälde sehr genau, einzig das Wappen ist von der rechts stehenden Truhe ins Zentrum der unter dem Bild verlaufenden Beischrift gerückt.

    Das Porträt Schmids folgt nicht den Regeln üblicher Adelsporträts, sondern zeigt den Einfluss niederländischer Genre-Malerei einerseits in seinem breiten Format und andererseits in der detaillierten Wiedergabe des Interieurs. Freiherr Schmid ist in seiner Rolle als Botschafter gezeigt, in einem Raum des Sultanspalasts in Konstantinopel. Er sitzt im Bildvordergrund in einem Lehnstuhl neben einem mit einem kostbaren anatolischen Teppich bedeckten Tisch. Seine Kleidung ist typisch ungarisch: ein offener Kurzmantel mit Litzen, ein langer Dolman mit geflochtenem Gürtel und eine pelzverbrämte Mütze mit Aigrette (Federschmuck). An seiner Seite ist der Griff eines ungarischen Säbels erkennbar. Diese Bekleidung steht in der Tradition der habsburgischen Botschafter, an der Hohen Pforte ihren Herrn als König von Ungarn zu repräsentieren. In der Hand hält Schmid ein diplomatisches Schreiben an den Sultan, auf dem Folgendes zu lesen ist: Sereniss: et Potentiss: Principi Dno Sultano Mehemet Hon Imperat: Turcarum Asiae et Graeciae etc. Vicino et Amico Nostro honorato. Die Anrede „An unseren geehrten Nachbarn und Freund” weist auf ein Friedensdokument hin. Eine geöffnete Schatztruhe im Vordergrund rechts enthält die erforderlichen reichen diplomatischen Geschenke: wertvolle Textilien und Platten und Kelche aus Metall. Im Hintergrund befindet sich eine mit orientalischen Fliesen gekachelte Wand, in der ein offener Vorhang den Blick in den Salon des Sultans freigibt. Sultan Mehmed als Kind sitzt auf seinem überdachten Thron und empfängt die ihm offerierten Geschenke, während die drei Mitglieder der Botschafterdelegation neben ihm stehen. Johann Rudolf Schmid selbst führt die Gruppe an, in derselben Kleidung, die er auf dem Hauptbild trägt. So zeigt der Stich den Botschafter zweimal – einmal sitzend im Vordergrund, einmal in der Audienzszene im Hintergrund. Letztere weist, als Bild-im-Bild-Motiv, auch in eine andere Zeitebene.

    Seine Stellung als friedensstiftender Botschafter blieb für Freiherr Schmid auch in späteren Zeiten sehr wichtig. Im Jahr 1660 schenkte er seiner Heimatstadt Stein am Rhein einen wertvollen Silberpokal. Zusammen mit dem Pokal stiftete er der Stadt auch ein Ganzfigurenporträt von sich, das – signiert und datiert – 1660 in Wien von Nikolaus van Hoy gemalt worden war. Dieses Gemälde zeigt ihn ebenfalls in der ungarisch inspirierten Kleidung eines Botschafters, auch mit einer Szene im Hintergrund, die den Sultan bei der Begrüßung von Gesandten darstellt. Jedoch steht diesmal auf dem Tisch hinter ihm der oben erwähnte Deckelpokal, den er erst später hat anfertigen lassen. Diese beiden Stiftungen werden nun im Ratssaal des Rathauses in Stein am Rhein verwahrt.

    Autor: Mátyás Gödölle, Bildrechteinhaber: Ungarisches Nationalmuseum, Budapest

    On behalf of His Majesty

    Johann Rudolf Schmid, Ambassador of the Viennese Court in Constantinople

    Paper, copper engraving; h. 398 mm, w. 506 mm (trimmed all around); Budapest, Magyar Nemzeti Múzeum, Történelmi Képcsarnok (Hungarian National Museum, Historical Picture Gallery) Inv. 9733 - Elias Widemann 1651, after an oil painting by Jeronimus Joachims

    Inscribed: Illustrissimo atq. Excellentissimo Domino Dno Ioanni Rudolpho Schmid Libero Baroni a Schwartzenhorn, Domino ad S. Margaritam prope Viennam et in Nicolstorff. Sac.ae Caes.ae Mai.tis Consiliario Bellico, Sylvarum per inferiorem Austriam Praefecto supremo et ad Portam Ottomannicam Oratori solenni.

    On the coat of arms: Iunctum aquilae mirare draconem 1651.

    Signature below: J. Joachims pinxit - Humillime dicat et offert Elias Widenman Calcogr. Viennae.

    The engraving shows Johann Rudolf Schmid von Schwarzenhorn, a native of Switzerland who worked as a diplomat for the Habsburg monarchy. As a young man he had been captured by the Ottomans in Hungary. There he learned the Ottoman language and after his liberation became active at the Viennese court. Between 1629 and 1643 he was permanent envoy (residens) in Constantinople at the High Gate. In 1649 he became a negotiator and rapporteur in the court military council. He reached the peak of his career in 1650/51, when he represented the Emperor and King of Hungary, Ferdinand III, as Ambassador-at-Large. In October 1650, he left for Constantinople with 13 ships and 150 escorts to deliver to the Sultan the peace treaty signed by the monarch. Mehmed IV, who was still a child, received Schmid on 31 January 1651. In addition to the peace treaty, precious textiles and ornate metal objects were also presented to the Sultan as gifts. After completing his task, the ambassador returned to Vienna in May 1651, where he was welcomed with great acclaim. The Dutch painter Jeronimus Joachims was commissioned as late as 1651 to create a portrait of Schmid as a permanent memorial to the successful mission and, of course, to the person of the ambassador. The oil painting on a copper plate is now in the collection in Liechtenstein (Collections of the Reigning Prince of Liechtenstein, Vaduz Castle Inv. 1007). The year in the banner around the shield holder of the coat of arms shows that the large copper engraving after this painting was made in the same year 1651 by the engraver Elias Widemann from Augsburg, who was working in Vienna. Reproducible portrait engravings played a major role both in promoting one's own self-promotion and in satisfying the growing interest of the public. The engraving follows Joachim's painting very closely, only the coat of arms has been moved from the chest on the right to the centre of the inscription running below the picture.

    The portrait of Schmid does not follow the rules of usual noble portraits, but shows the influence of Dutch genre painting on the one hand in its broad format and on the other hand in the detailed rendering of the interior. Baron Schmid is shown in his role as ambassador, in a room of the Sultan's Palace in Constantinople. He is seated in the foreground of the picture in an armchair next to a table covered with a precious Anatolian carpet. His clothing is typically Hungarian: an open short coat with braids, a long dolman with a braided belt and a fur-trimmed cap with aigrette (feather decoration). The hilt of a Hungarian sabre is visible at his side. This attire is in the tradition of Habsburg ambassadors to represent their lord as King of Hungary at the High Gate. In his hand Schmid is holding a diplomatic letter to the Sultan on which the following can be read: Sereniss: et Potentiss: Principi Dno Sultano Mehemet Hon Imperat: Turcarum Asiae et Graeciae etc. Vicino et Amico Nostro honorato. The salutation "To our honoured neighbour and friend" indicates a peace document. An opened treasure chest in the foreground on the right contains the requisite rich diplomatic gifts: valuable textiles and plates and goblets of metal. In the background is a wall tiled with oriental tiles, where an open curtain gives a view into the sultan's salon. Sultan Mehmed as a child sits on his covered throne and receives the gifts offered to him, while the three members of the ambassadorial delegation stand next to him. Johann Rudolf Schmid himself leads the group, dressed in the same clothes he wears in the main picture. Thus the engraving shows the ambassador twice - once seated in the foreground, once in the audience scene in the background. The latter, as a picture-within-a-picture motif, also points to another time plane.

    His position as a peacemaking ambassador remained very important to Baron Schmid in later times. In 1660, he donated a valuable silver goblet to his hometown of Stein am Rhein. Together with the goblet, he also donated a full-length portrait of himself to the town, which - signed and dated - had been painted in Vienna by Nikolaus van Hoy in 1660. This painting also shows him in the Hungarian-inspired attire of an ambassador, also with a scene in the background depicting the Sultan greeting envoys. However, this time on the table behind him is the lidded goblet mentioned above, which he only had made later. These two endowments are now kept in the council chamber of the town hall in Stein am Rhein.

    Author: Mátyás Gödölle, Image copyright holder: Hungarian National Museum, Budapest

  • Deckelpokel des Johann Rudolf Schmid von Schwarzenhorn / Lidded goblet of Johann Rudolf Schmid von Schwarzenhorn

    Deckelpokel des Johann Rudolf Schmid von Schwarzenhorn / Lidded goblet of Johann Rudolf Schmid von Schwarzenhorn

    Die persönliche Karriere als Bildprogramm

    Silber, feuervergoldet, gegossen, getrieben, ziseliert, punziert; H. 72 cm, Gew. 4,4 kg; Stein am Rhein, Rathaussammlung ohne Inv. – 1660

    Der silbervergoldete Deckelpokal des Johann Rudolf Schmid von Schwarzenhorn ist ein absolutes Unikat. Er ist hervorragend gearbeitet und außerordentlich aufwendig mit figürlichen Darstellungen, Waffen und Schriften in allen denkbaren Techniken verziert – ein Spitzenstück der Goldschmiedekunst des 17. Jahrhunderts. Der Pokal zeigt ein einzigartiges und außergewöhnliches Bildprogramm, und der Stifter wusste das, denn er beschreibt ihn in einem Brief als „Ein Curiosisches Trinckhgeschirr dergleich in der Christenheit keines zue finden sein wirdt …“

    Das Bildprogramm des Pokals präsentiert die diplomatische Karriere des 1590 in Stein am Rhein geborenen Johann Schmid, dessen abenteuerlicher Lebenslauf ihn vom Sklaven der Osmanen und Dolmetscher am Hof des Sultans bis zum kaiserlichen Gesandten in Konstantinopel führte.

    Auf dem mit osmanischen Waffen, Fahnen und Halbmonden geschmückten Fuß des Pokals stehen drei Figuren in orientalischen Gewändern und Turban. Inschriften auf Deutsch und Osmanisch identifizieren sie als die osmanischen Sultane Murad IV., İbrahim und Mehmed IV. Sie tragen die Cuppa, das eigentliche Trinkgefäß. Sie präsentiert in mehreren Szenen Schmid von Schwarzenhorn auf dem Höhepunkt seiner Karriere, der Großbotschaft beim Sultan im Jahr 1651. Vorlage war ein Kupferstich von Elias Widemann, der wiederum auf einem Gemälde von Jeronimus Joachims beruht.

    Auf dem von habsburgischen Waffen, Trommeln und dem kaiserlichen Wappen gezierten Deckel des Pokals sitzen drei habsburgische Kaiser, Ferdinand II., Ferdinand III. und Leopold I., mit den Reichsinsignien Zepter und Reichsapfel auf goldenen Thronen. Bekrönt wird der Pokal von einem auf einer Kugel stehenden (habsburgischen) Adler, der einen Lorbeerkranz im Schnabel hält.

    Die Innenseite von Deckel bzw. Fuß zeigt das Wappen des zum Freiherrn erhobenen Johann Rudolf Schmid von Schwarzenhorn bzw. seiner Ehefrau Helena Fellner von Feldegg.

    In den Kartuschen ist ein Gedicht Schmid von Schwarzenhorns eingraviert, in dem es u.a. heißt: „Am schönsten Ort der Welt, desgleichen nicht zu finden / … / Hab ich drey Kaysern dient und drey Sultan gekennt / All Sechs auf diesem gschier mit Namen seind benennt / Wann diese sich gezankt, dann hab ich sie entschieden / Und beide Reich erfreut mit neu vermehrtem Frieden“.

    Der Pokal ist ein Selbstzeugnis ganz besonderer Art: Figürliche Darstellungen, Wappen und Gedicht präsentieren Johann Rudolf Schmid von Schwarzenhorn als Friedensstifter.

    Schmid von Schwarzenhorn stiftete den eigens in Auftrag gegebenen Pokal 1660 seiner Vaterstadt Stein am Rhein: „Dem weisen Rath zu Stein, wo ich die Milch gesogen / Verehr ich dis geschier; hat mich darZu bewogen / Die Lieb, von der dis soll ein ewig‘s Zeichen sein / Und bleiben bey der Statt, so lang da rinnt der Rhein.“ Jedes Mal, wenn der Becher benutzt wird („Bey iedem Freudenfest, so offt der Rath beysammen …“), soll seine Lebensgeschichte verlesen werden. Noch heute ist der Pokal bei besonders festlichen Gelegenheiten in Gebrauch, so z.B. bei der Jungbürgerfeier, bei Hochzeiten oder hohem Besuch. Dann wird er mit Steiner Wein gefüllt, der Stadtpräsident verliest das Gedicht Schmid von Schwarzenhorns, nimmt selbst den ersten Schluck und lässt dann den „Güldenen Becher“, wie er im „Städtli“ genannt wird, kreisen.

    Damit sicherte Johann Schmid von Schwarzenhorn seine memoria, sein Nachleben, ja seine Unsterblichkeit – und genau das war seine Absicht: „Wer redlich durch sein Witz kann Ehr und Gut erwerben / Und lasst auf Erden Ruhm, der thut unsterblich sterben“ – so die letzten Verse seines Gedichts.

    Autorin: Elisabeth Schraut, Bildrechteinhaber: Jakob und Emma Windler-Stiftung, Kultureinrichtungen, Stein am Rhein (Ivan Ivic)

    The personal career as a pictorial programme

    Silver, fire-gilt, cast, chased, chased, hallmarked; h. 72 cm, wt. 4,4 kg; Stein am Rhein, Rathaussammlung without inv. - 1660

    The silver-gilt lidded goblet of Johann Rudolf Schmid von Schwarzenhorn is an absolutely unique piece. It is excellently crafted and extraordinarily lavishly decorated with figural depictions, weapons and writings in every conceivable technique - a top piece of 17th century goldsmithing. The goblet shows a unique and extraordinary pictorial programme, and the donor knew this, for he describes it in a letter as "A Curiosisches Trinckhgeschirr dergleich in der Christenheit keinem zu finden wird sein ..." (A curious drinking vessel like none to be found in Christendom ...).

    The pictorial programme of the goblet presents the diplomatic career of Johann Schmid, born in Stein am Rhein in 1590, whose adventurous curriculum vitae took him from slave of the Ottomans and interpreter at the Sultan's court to Imperial envoy in Constantinople.

    Three figures in oriental robes and turbans stand on the base of the cup, which is decorated with Ottoman weapons, flags and crescents. Inscriptions in German and Ottoman identify them as the Ottoman sultans Murad IV, İbrahim and Mehmed IV. They carry the cuppa, the actual drinking vessel. It presents Schmid von Schwarzenhorn in several scenes at the height of his career, the Grand Embassy to the Sultan in 1651. The model was a copperplate engraving by Elias Widemann, which in turn was based on a painting by Jeronimus Joachims.

    On the lid of the cup, which is decorated with Habsburg arms, drums and the imperial coat of arms, three Habsburg emperors, Ferdinand II, Ferdinand III and Leopold I, are seated on golden thrones with the imperial insignia of sceptre and orb. The cup is crowned by a (Habsburg) eagle standing on a sphere and holding a laurel wreath in its beak.

    The inside of the lid and foot shows the coat of arms of Johann Rudolf Schmid von Schwarzenhorn and his wife Helena Fellner von Feldegg, who were raised to the rank of baron.

    The cartouches are engraved with a poem by Schmid von Schwarzenhorn, which reads, among other things: "In the most beautiful place in the world, the like of which cannot be found / ... / I have served three kings and known three sultans / All six on this gschier are named / When these quarreled, then I decided them / And both kingdoms rejoiced with newly increased peace".

    The cup is a very special kind of self-testimony: figurative representations, coats of arms and a poem present Johann Rudolf Schmid von Schwarzenhorn as a peacemaker.

    Schmid von Schwarzenhorn donated the specially commissioned cup to his hometown of Stein am Rhein in 1660: "To the wise council of Stein, where I sucked the milk / I adore it; it has moved me to it / The love of which it shall be an eternal sign / And remain with the town as long as the Rhine flows. Every time the cup is used ("Bey iedem Freudenfest, so offt der Rath beysammen ..."), his life story is to be read out. Even today, the cup is used on particularly festive occasions, such as the young citizens' celebration, weddings or important visitors. It is then filled with wine from Stein, the mayor reads Schmid von Schwarzenhorn's poem, takes the first sip himself and then lets the "Güldenen Becher", as it is called in the "Städtli", circle.

    With this, Johann Schmid von Schwarzenhorn secured his memoria, his afterlife, even his immortality - and that was precisely his intention: "Who honestly by his wit can earn honour and good / And leave on earth fame, thut immortal die" - so the last verses of his poem.

    Author: Elisabeth Schraut, Image copyright holder: Jakob and Emma Windler Foundation, Cultural Institutions, Stein am Rhein (Ivan Ivic)