Nur beten und arbeiten?
Aspekte klösterlichen Lebens
Was haben ein geflickter Lederschuh, eine Silbermünze aus Schaffhausen und ein an Christus geschmiegter Johannes gemeinsam? Auf den ersten – und auch den zweiten – Blick: nichts. Doch wer nachforscht, entdeckt, dass alle drei etwas mit dem Leben im mittelalterlichen Kloster zu tun haben. Die Präsentation in der Sammlungsausstellung Mittelalter gibt Antwort auf die Frage: Haben die Menschen damals nur gebetet und gearbeitet? Objekte, die dort sonst für mittelalterliche Lebenswelten wie Glauben und Kirche, Stadt und Land oder bestimmte Berufsgruppen zu sehen sind, verraten uns nun etwas über ihre Rolle in einem klösterlichen Kontext.
Der heute so löchrige Lederschuh aus dem 15. Jahrhundert wurde mehrfach geflickt, bis man ihn schließlich doch entsorgte und er lieblos in der Latrine des Augustiner-Eremitenklosters in Freiburg landete. 500 Jahre später haben ihn Archäologen dort wieder ausgegraben. Der Schuh ist heute im Badischen Landesmuseum ausgestellt und nicht nur ein Zeugnis für die Schuhmode und das Handwerk seiner Zeit. Die Flicken beweisen auch die langwährende Wertschätzung und das Armutsideal seines damaligen Trägers, der einem Bettelorden angehörte.
Im Kontrast dazu stand die Rolle der mittelalterlichen Klöster als Macht- und Herrschaftszentren. Sie bestimmten nicht nur über Besitz und Ländereien – manche hatten wie das Kloster Schaffhausen auch das Privileg, eigene Münzen zu prägen. Damit kontrollierten sie den Handel, denn die Geldwirtschaft ersetzte im Hoch- und Spätmittelalter zunehmend den Tausch: Waren mussten statt in Naturalien nun in barer Münze bezahlt werden. Und in geprägtem Münzgeld forderten weltliche Fürsten und viele große Klöster auch ihre Abgaben ein. Parallel sorgten sie damit auch für die Verbreitung der Münzbilder, der Symbole ihres Herrschaftsanspruchs. Das konnte ein Porträt eines Abtes oder einer Äbtissin sein oder wie in diesem Falle ein geprägter Schafbock – denn der steht für „Schaf(f)hausen“.
Über einen blanken Materialwert hinaus, sticht die Christus-Johannes-Gruppe als ein herausragendes Werk der Oberrheinischen Kunst ins Auge: Ihre Fassung ist original erhalten und die gesamte Ausführung mit den feinen Details, wie den aufgehämmerten Engelchen oder den aufgemalten Seidenkleidern nach orientalischem Vorbild, von höchster Qualität. Doch wer waren die Menschen hinter den Objekten? In den meisten Fällen sind diese nur indirekt greifbar. Doch in diesem Fall lässt sich die Auftrag-geberin direkt auf dem Bildwerk finden: Die kleine, auf der Thronbank aufgemalte Nonne – betend den Blick nach oben auf die Johannesgruppe gerichtet – kann als Stifterin identifiziert werden. Die reiche und kunstvolle Ausführung des Werkes verrät uns, dass sie wohlhabend war und Zugang zu erstklassigen Handwerkern hatte.
Bereits diese kleine Objektauswahl zeigt die unterschiedlichen Dimensionen der mittelalterlichen Klosterwelt und ihre enge Verschränkung mit dem Alltag der Menschen. Die Präsentation eröffnet damit Zugänge zu einer faszinierenden mittelalterlichen Welt, in der Spiritualität und irdische Gegenwart – anders als heute – in eins gingen.